Herr Innenminister, scheiden Sie heute mit Wehmut aus dem Amt?
WOLFGANG PESCHORN: Ich empfinde keine Wehmut. Ich habe vorher den Interessen der Republik gedient, ich habe es als Innenminister getan und ich werde es in der Finanzprokuratur wieder tun. Was mich immer wieder fasziniert - auch wenn manche darin eine Art „Übereifer“ zu sehen glaubten - , ist die Möglichkeit, mich in Dinge einzuarbeiten, verbunden mit der Chance, diese dann zu verbessern, den Staat effizienter zu machen, alles zum Wohl im Sinne der Steuerzahler.
Sie wollten nicht nur die Amtsführung von FPÖ-Minister Herbert Kickl sondern das Ressort über die vergangenen zehn Jahre hin überprüfen: im Hinblick auf Kosten und Netzwerke. Was ist bei der Überprüfung herausgekommen?
Es haben alle politischen Kabinette ähnlich funktioniert, und es ist offenbar eine „normale“ Entwicklung, dass jedes politische Kabinett danach strebt, jeweils noch größer zu werden.
Sie haben des Öfteren von Netzwerken gesprochen, die dem Staatsinteresse schaden. Wen oder was haben Sie damit gemeint?
Jene Berater von außen, die zusammen mit Mitarbeitern, die im Sold der Republik stehen, gemeinsame Interessen haben. Auch Vereine und Partnerschaften zwischen Unternehmensvertretern und Mitarbeitern der Republik bilden solche Interessensgemeinschaften, die die Interessen der Republik missachten.
Welches Kraut ist dagegen gewachsen?
Im eigenen Bereich kann man solchen Interessenskonflikten nur entgegenwirken, indem man strikt die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Beamtendienstgesetzes, vollzieht und darauf achtet, dass es keine Befangenheit und keine unlauteren Kontakte gibt.
Wie kann man diese Befangenheiten als Minister erkennen?
Dazu gehört Fachwissen und der Wille, sich nicht mit der ersten Antwort zufriedenzugeben, nachzufragen, den Dingen nachzugehen, um sicherzustellen, dass man nicht unbewusst eingespannt wird.
Ein Minister sollte also vom Fach sein, sich selbst auskennen in der Materie?
Wichtig ist, dass man sich nicht mit dem sofort zufriedengibt, was einem vorgelegt wird, dass man in der Lage ist, die Schlüssigkeit und Richtigkeit nachzuvollziehen. Natürlich ist es da gut, wenn man selbst die fachliche Kompetenz hat, den Dingen auf den Grund zu gehen.
In Zusammenhang mit dem Innenministerium war immer von ÖVP-Netzwerken die Rede, die sich in den vergangenen Jahren entwickelt haben sollen. Konnten Sie diese Netzwerke zerreißen?
Um Entwicklungen über Jahrzehnte und deren Ergebnisse stoppen zu können, braucht man länger als sieben Monate. Jede Organisation, egal ob privat oder in der Staatswirtschaft oder in der Bürokratie, wird über die Jahre stark geformt. Das ist auch im Innenministerium passiert, es gab über ja über Jahre eine Führung, die in einer Hand war.
Hätten Sie auch der künftigen Regierung zu einem parteiunabhängigen Innenminister geraten?
Entscheidend ist nicht, ob man Mitglied einer Partei ist, sondern ob man über die hohe Fachkompetenz verfügt, die einen sachlich begründete Entscheidungen fällen lässt.
Was konnten Sie in Ihrer Amtszeit in Ihrem Umfeld ändern?
Ich habe das Kabinett verkleinert. Die Mitglieder wurden nicht nach parteipolitischen Interessen ausgesucht sondern nach ihrem Fachwissen. Ich habe Wert darauf gelegt, dass es sich weitestgehend um Personen handelt, die sich schon im Dienststand des Innenministeriums befunden haben, um nicht zusätzliche Kosten entstehen zu lassen.
Welche Empfehlungen geben Sie Ihrem Nachfolger?
Ich werde ihm das, was von mir angearbeitet wurde, darlegen und ihm dazu Empfehlungen geben.
Was ist Ihnen dabei am wichtigsten?
Zum einen geht es um die Strukturen und um die Verbesserung der Organisation, zum anderen um die Aufgaben, die wahrgenommen werden müssen. Das ist wie bei einem Staffellauf: Eine gut funktionierende Übergabe ist im Interesse der Republik, aber dazu gehören immer zwei. Im Interesse der Republik liegt mir der Erfolg meines Nachfolgers natürlich sehr am Herzen.
Eine zentrale Agenda der vergangenen Monate war die anstehende BVT-Reform, die Sie zur Chefsache erklärten. Was ist schon auf Schiene, was müssen Sie Ihrem Nachfolger überlassen?
Es ist noch viel zu erledigen, wichtig ist vor allem, die Neuordnung im Dialog mit den Abgeordneten, im Unterausschuss zum Innenausschuss, voranzutreiben.
Was ist Ihr Vermächtnis zum BVT?
Meine Überlegungen, wie man das BVT durch eine sachgetriebene Reform aus der öffentlichen Diskussion bringt. Nur so ist sichergestellt, dass Österreich vor internationalen, terroristischen Bedrohungen geschützt werden kann. Alle müssen dabei an einem Strang ziehen, alle Parteien ins Boot geholt werden. Wie schwierig für eine nachrichtendienstliche Einheit die Arbeit im Alltag ist, wenn sie nicht außer Streit steht, sondern Mittelpunkt von Querelen ist, hat man ja gesehen.
Dem BVT obliegen sowohl nachrichtendienstliche als auch sicherheitspolizeiliche Aufgaben. Sollte man das trennen?
Es gibt beides quer durch Europa, die Einheit und die Trennung, und meist hat es verwaltungshistorische Gründe. Für eine Entscheidung ist mehr von Bedeutung, wie ein BVT mit Informationen ausländischer Dienste umgehen darf, deren Verwertung von diesen noch nicht freigegeben ist. Wenn diese Herausforderung gelöst ist, ist auch die Frage der Organisation leicht zu lösen.
Noch einmal: Zusammenlassen oder trennen?
Aus meiner Sicht eher zusammenlassen.
Innenminister Kickl hat mit einem Medienerlass empört, wobei bei jedem Straftäter seine Herkunft zu nennen ist. Sie haben an einem neuen Medienerlass gearbeitet. Ging er noch hinaus und was steht drin?
Am 2. Jänner. Wir waren dabei bestrebt, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, darauf, wer wann und worüber mit den Medien kooperieren kann und soll, um das gemeinsame Ziel zu unterstützen. Das Ziel ist einerseits, die Tätigkeit der Exekutive transparent und nachvollziehbar zu machen, das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Arbeit zu stärken und den Mitarbeitern – insgesamt rund 37.000 - die Möglichkeit zu geben, sich mit ihrer Arbeit zu identifizieren. Es geht aber auch um die interne Kommunikation, darum, dass ein Mitarbeiter in Graz wissen soll, was in Wien passiert, damit er auch selbst einen klaren Standpunkt dazu haben kann.
Und die Herkunft von Straftätern? Haben Sie das repariert?
Herkunft, Rasse oder Religion von Straftätern sollen nur kommuniziert werden, wenn es für den Zweck und das Ziel der Kommunikation auch nötig ist. Diese hat stets unter dem Blickwinkel der Menschenrechte und des Datenschutzes zu erfolgen.
Was hätten Sie gerne noch umgesetzt, wofür hätten Sie gerne noch mehr Zeit gehabt?
Es gibt so viel Potenzial für die Verbesserung der Organisation. Zum Beispiel die kritische Auseinandersetzung mit den Aufgaben, damit mehr Ressourcen für die eigentliche Aufgabe, die Gewährleistung der Sicherheit, freigemacht werden können. Wenn Polizisten die Menschen, die nach dem Unterbringungsgesetz zu untersuchen sind, selbst ins Spital bringen müssen, oder wenn die Polizei LKWs nicht nur zwecks Kontrolle anhalten sondern die technischen Kontrollen auch selbst durchführen muss, ohne assistierendes Personal etwa von der Asfinag, dann fehlen diese Polizisten vor Ort. Und es braucht ein neues Dienstplansystem. Und eine Neuregelung der Unterbringung von Flüchtlingen, die ich eingeleitet habe, inklusive Regelung, wer welche Kosten übernimmt. Ich bin mir mit den Ländern einig, dass wir die 15a Vereinbarung neu regeln sollten. Und nicht zuletzt das große Thema der Sicherstellung der Unbefangenheit der Mitarbeiter in allen Bereichen, da muss man hinschauen, Dinge klarstellen, etwa wenn es um Mitgliedschaften in Vereinen oder um die große Frage der Nebenbeschäftigungen geht. Es ist viel zu tun.
Sie kehren zurück an die Spitze der Finanzprokuratur. Welche Erfahrung aus Ihrer Zeit als Innenminister nehmen Sie dorthin mit?
Man wächst daran, Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen. Ob ich erfolgreich war, das müssen andere beurteilen. Für mich persönlich war es von unschätzbarem Wert, quasi von der anderen Seite aus zu sehen, wie wichtig es für Regierungsmitglieder ist, einen unabhängigen Rechtsberater zu haben, dem nur am Interesse der Republik gelegen ist. Es wird mein Bestreben sein, diese Serviceleistung der Finanzprokuratur als treuer Rechtsvertreter der Verwaltung künftig noch offensiver als früher anzubieten.
Claudia Gigler