Das Jahr 2019 wird als eines der lebhafteren in die Geschichte der österreichischen Innenpolitik eingehen. Kaum ein Spitzenrepräsentant hat noch die selbe Funktion inne wie zu Jahresbeginn. Und jene, die im Amt geblieben sind, haben oftmals einen gehörigen Imagewandel hingelegt. Im Folgenden ein Überblick über jene 25 Politiker, die das Jahr am stärksten geprägt haben.

2019 wird wohl auf immer ganz eng mit Heinz-Christian Strache verbunden sein. Begonnen hatte alles noch erfreulich, wurde der damalige FPÖ-Obmann doch am 1. Jänner Vater des politischen Neujahrsbabys und zelebrierte im Anschluss ausführlich seinen "Papa-Monat". Das war es aber dann auch mit den glücksbringenden Dingen. Das Auftauchen des Ibiza-Videos, in dem Strache vor einem Lockvogel über alles mögliche von verdeckter Parteienfinanzierung bis "Krone"-Kauf fabulierte, katapultierte ihn aus dem Vizekanzleramt.

Alle 25 Persönlichkeiten, die 2019 geprägt haben, zum Durchklicken:

Aus den Schlagzeilen kam Strache dann nicht mehr, egal ob er lange über die Annahme eines EU-Mandats sinnierte, um seine Facebook-Seite kämpfte oder nach Auffliegen der durchaus bemerkenswerten Spesen-Affäre auch noch aus seiner Partei flog. 2020 soll wohl wieder ein Strache-Jahr werden. Der langjährige FPÖ-Chef will bei der Wien-Wahl mit einer neuen Liste reüssieren, wird zumindest gemutmaßt.

Auch Johann Gudenus wurde 2019 wieder Vater und auch bei ihm blieb dies das einzige Highlight des Jahres. Seine Karriere soff ebenso wie die Straches auf Ibiza ab. Den Klubobmann gab er gleich danach ab, die Partei verließ er flugs und das freiwillig. Seither ist Gudenus als Privatier unterwegs.

Keine politischen Folgen für Zanger

Sein Amt behalten durfte hingegen Wolfgang Zanger und das obwohl der steirische Nationalratsabgeordnete im Besitz eines Burschenschafter-Liederbuchs geblieben ist, das antisemitische und österreich-feindliche Passagen enthält und erst heuer an die Öffentlichkeit kam. Zanger fand im Wesentlichen nichts dabei, umso mehr, als er nicht aus dem Buch singt.

Rauswerfen hätte ihn der neue - zumindest formal - starke Mann der FPÖ können, Norbert Hofer. Der hätte sich 2019 eigentlich lieber im Infrastrukturministerium für die nächste Hofburg-Kandidatur aufgewärmt. Ibiza zwang ihn aber an die Parteispitze, wo er einen Absturz bei der Wahl nicht vermeiden konnte. Seither sitzt er wieder dort, wo er schon einmal war, nämlich im Nationalratspräsidium auf Position Nummer drei und macht das, was er immer schon gemacht hat, das freundliche Gesicht der FPÖ geben.

Eine ganz andere Rolle nimmt Herbert Kickl ein. Der Basis-Liebling der Freiheitlichen führte 2019 zunächst einen recht erfolgreichen Abwehrkampf in der BVT-Affäre, ehe er als erster Minister überhaupt vom Bundespräsidenten abberufen wurde und seither einen gewissen Märtyrer-Status pflegt. Aktuell gibt er den scharfzüngigen Klubobmann und wärmt sich schon für eine zünftige Oppositionsarbeit gegen Türkis-Grün auf.

Kurz als Alt- und Bald-wieder-Kanzler

Etwas von einer Hochschaubahnfahrt hatte 2019 für Sebastian Kurz. Sein Prestige-Projekt Türkis-Blau platzte mit Ibiza, die FPÖ machte ihn gemeinsam mit SPÖ und JETZT zum jüngsten Altkanzler, dafür wurde er auf offener Bühne gesegnet und gewann wohl nicht nur deshalb für die ÖVP die Nationalratswahl, Schredder-Affäre hin oder her. Nunmehr beweist Kurz in den Koalitionsverhandlungen mit den Grünen seine politische Bandbreite und steht kurz davor, als erster ein Comeback im Kanzleramt zu schaffen.

Die Kanzlergeschäfte führen durfte heuer, wenn auch nur für wenige Tage, Hartwig Löger (ÖVP). Damals dachte man noch der Versicherungsmanager würde unter welcher Konstellation auch immer nach der Wahl ins Finanzministerium zurückkehren. Eine Casinos-Affäre später ist Löger, freiwillig wie er betont, Polit-Pensionist.

Wunschgemäß verlief das politische Jahr hingegen für Hermann Schützenhöfer. Der als ewiger Zweite verschriene "Landesvater" nützte die freiheitliche Steilvorlage einer vorgezogenen Landtagswahl und führte seine ÖVP zurück auf Platz eins in der Steiermark. Experimente kamen für Schützenhöfer nicht in Frage, lieber regiert er mit der SPÖ weiter, nunmehr aus einer Position der Stärke.

Ibiza-Gewinner Johannes Hahn

Soso lala war 2019 für Karoline Edtstadler. Die Staatssekretärin im Innenministerium ließ sich für eine Brüssel-Kandidatur mit der Aussicht auf einen Kommissionsposten locken. Zwar reüssierte sie mit sechsstelliger Vorzugsstimmen-Zahl beim Wähler, doch mit dem Kommissarinnen-Amt wurde es angesichts der neuen Verhältnisse in der Heimat nichts. Jetzt ist sie Delegationsleiterin der ÖVP in Brüssel/Straßburg und kann mit einem Ministerinnen-Posten in Wien liebäugeln.

Zu den Ibiza-Gewinnern zählt Johannes Hahn. Der hatte in Brüssel zumindest geistig schon die Koffer gepackt, als das Platzen der Koalition in Wien plötzlich doch seinen Verbleib in der Kommission als kleinstes Gemeinsames der österreichischen Parteien ermöglichte. Hahn verwaltet nun den EU-Haushalt, eine schwierige, aber dafür höchst ehrenvolle Aufgabe für den Kommissarsveteran.

Rendi-Wagner erlebte stetige Talfahrt

Pamela Rendi-Wagners politisches Jahr war eine stetige Talfahrt. Die von ihr geführte SPÖ landete sowohl bei der EU- als auch bei der Nationalratswahl an historischen Tiefpunkten. Ungeschicklichkeiten wie die Aussage vom Wahlabend, wonach die Richtung stimmt, machten ihre Situation nicht gemütlicher, so dass im Spätherbst sogar Putschgerüchte laut wurden. Ihr wohl größter Erfolg des Jahres ist, dass sie noch im Amt ist und so 2020 eine zweite Chance erhält.

Zu verdanken hat sie das unter anderem Hans Peter Doskozil, der vor seiner ersten Landtagswahl keinen Wirbel haben wollte. Auch sein Jahr war kein einfaches. Zwar wurde ihm das Amt des burgenländischen Landeshauptmanns zu teil, doch geriet er im Sog von Ibiza unter Rechtfertigungsdruck. Von seiner Kooperation mit den Blauen ließ er sich nicht abhalten, das Mini-Zugeständnis war ein geringfügiges Vorziehen der Landtagswahl. Schwierig ist für ihn, dass er sich nach einer Stimmband-Operation mit starker Heiserkeit durch seinen Wahlkampf mühen muss.

Kogler als Aufsteiger 2019

Politisch zu den Verlieren des Jahres zählt Thomas Drozda. Zwei Wahlniederlagen der SPÖ hätten den Bundesgeschäftsführer zum idealen Bauernopfer gemacht. Bevor man ihn in Frage stellen konnte, nahm er lieber selbst den Hut und widmet sich im Parlament wieder den schönen Künsten.

Zu den erstaunlichen Erscheinungen 2019 zählt Christian Deutsch. Wiewohl er als Wahlkampf-Manager ein Debakel zu verantworten hatte, wurde er zum Bundesgeschäftsführer befördert. Dass er die Kündigungswelle in der SPÖ geschickt gemanagt hat, finden eher wenige. Im Amt wird er wohl trotzdem noch eine Weile bleiben, hat er doch nicht nur gute sondern auch mächtige Freunde in der Partei.

Skepsis für Lercher

Nicht dazu zählt mit Max Lercher sein Vorvorgänger. Der gut vernetzte Steirer schaffte im Nationalrat ein politisches Comeback und gilt derzeit als chancenreichster Widerpart der Parteichefin. Dass aus dem Innersten der SPÖ ein Vertrag mit der von ihm geführten Leykam missverständlich an die Öffentlichkeit gespielt wurde, stärkte Lercher eher. Sein Handicap: Je mehr Zulauf er hat, umso skeptischer wird er von den Granden der Partei beäugt.

Selten hat es der Chef einer mäßig bedeutenden Regionalpartei so oft in die Medien geschafft wie der Vorsitzende der Tiroler Sozialdemokraten. Freilich, seine flotten Sprüche haben Georg Dornauer auch so manches Problem eingebrockt - ebenso ein Interview mit einem als rechtsextrem geltenden Blatt oder das Verwahren seines Jagdgewehrs in einem Auto mit geöffnetem Fenster. Für ihn gilt ähnliches wie für Rendi-Wagner: Immerhin ist er noch im Amt.

Kogler als Retter der Grünen

Ist Heinz-Christian Strache der Absteiger 2019, so ist Werner Kogler der Aufsteiger. Angeführt von dem Grünen Urgestein feierten die Grünen ein fulminantes Comeback im Nationalrat und einen Überraschungserfolg bei der Europawahl. Nunmehr steht Kogler sogar vor der Vizekanzlerschaft. Dass nur der Greta-Effekt einschlug, ist falsch. Schon dass Kogler die Durchlüftung der oft abgehobenen Grünen mit zahlreichen Quereinsteigern gelang, war eines der größeren Puzzle-Stücke des Erfolgsjahres.

Promi-Köchin hin, Rektorin her, die wohl imposanteste Neue bei den Grünen war eine, die zu Jahresbeginn allenfalls Öko-Insider kannte. Leonore Gewessler kam von Global 2000 zu den Grünen und wirkte von Tag eins an so, als hätte sie in ihrem Leben noch nie etwas anderes gemacht als Innenpolitik. Folgerichtig gibt es auch kaum Zweifler, dass die PR-Expertin ein ihr wohl gedachtes Klimaministerium schultern wird können.

In Wien gehören Grüne zu Verlierer

Man soll es kaum glauben, aber auch die Grünen hatten 2019 einen Verlierer. Der langjährige Wiener Kommunalpolitiker Christoph Chorherr musste seine Mitgliedschaft niederlegen. Anlass sind von ihm vehement dementierte Korruptionsvorwürfe. Vorgeworfen wird ihm ein Zusammenhang zwischen Flächenwidmungen und Geldspenden an einen von ihm gegründeten karitativen Verein. Mittlerweile bäckt Chorherr nicht nur sprichwörtlich kleinere Brötchen.

Das Sprichwort, wonach man zwar den Verrat nicht aber den Verräter liebt, prallte heuer an Alma Zadic ab. Wiewohl sie fliegend von JETZT zu den Grünen wechselte, lief alles weiter am Schnürchen. Der sonst so kritische Grüne Bundeskongress winkte sie als Fix-Mandatarin durch und Parteichef Werner Kogler machte die Juristin zum Teil seines Kern-Verhandlungsteams. Jetzt ist sogar ein Regierungsamt im Bereich des Möglichen.

Pilz musste den Hut nehmen

Er hat sich gewehrt, so lange es ging. Aber der Wähler hatte von Peter Pilz dann doch nach über 30 Jahren genug. Der Alt-Grüne und JETZT-Gründer kann ab sofort keine U-Ausschüsse mehr unsicher machen. Stattdessen versucht Pilz sich künftig publizistisch als Aufdecker.

Parlamentarisch weiter machen darf Beate Meinl-Reisinger, für die 2019 auch nicht gerade ein Durchschnittsjahr war. Kaum im Amt hatte die NEOS-Chefin zwei bundesweite Wahlen zu schlagen und das in einem Jahr, in dem sie zum dritten Mal Mutter wurde. Dass sie es politisch kann, bewies die NEOS-Chefin mit guten Wahlergebnissen. Das Frustrierende daran, viel ändern wird sich nicht. Die reformfreudige Obfrau sitzt weiter in Opposition und das als Vorsitzende der nunmehr sogar kleinsten Fraktion.

Bierlein als erste Kanzlerin

Als historisch darf Brigitte Bierlein das heurige Jahr abhaken. Die erste Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs wurde zur ersten Bundeskanzlerin. Als Regierungschefin eines Experten-Kabinetts machte sie nicht allzu viel, dabei aber nichts falsch. Dass sie dereinst zur Präsidentschaftskandidatin heranwachsen könnte, bestreitet Bierlein, die sich künftig ihrem Privatleben widmen will.

Sollte jemand Ambitionen auf die Hofburg haben, dürfte es ohnehin schwierig werden, sollte sich Alexander Van der Bellen zur Wiederkandidatur entscheiden. Denn das Staatsoberhaupt legte heuer weiter an Statur zu. In der Regierungskrise gelang zwar nicht alles, aber Van der Bellen führte das Land mit der ihm eigenen Gelassenheit und Güte ruhig durch den Politsturm und bekam als Belohnung vom Wähler die Aussicht auf eine Regierung, die ihm wohl mehr behagt, als es Türkis-Blau tat. Dass er als erster Präsident einen Minister abberief, gab dem Hofburg-Jahr sogar etwas historisches.

Zum Abschluss Thomas Starlinger als Experten-Minister mit dem größten Hang zur Öffentlichkeitsarbeit. Richtig sicher fühlt man sich im Land nicht mehr, seit er beständig vor der eingeschränkten Einsatzfähigkeit des Heers warnt. Ansonsten war Starlinger größer im Absagen ankündigen - Airpower, Heeresschau, Heeres-HAK - als in der Umsetzung. Denn die Schule gibt es und Flug- wie Leistungsschau fanden statt.