Die Tunnelgroßprojekte Koralm und Semmering sollen die Südbahn deutlich beschleunigen. Beim Koralmtunnel werde der Durchbruch in der zweiten Tunnelröhre in der ersten Jahreshälfte 2020 erwartet, so der ÖBB-Chef Andreas Matthä. Der Tunnel werde vermutlich planmäßig im Dezember 2025 in Betrieb gehen können. Sorgen bereite der Semmering.
Bei der zweiten Tunnelröhre durch den Semmering sei der Aufbau der Gesteinsschichten im Berg anders als erwartet. Für den Bau des Bahntunnels sei das zwar technisch beherrschbar, es dauere aber länger. "Da sind Verzögerungen möglich", so der ÖBB-Chef. Im Jänner erwarte man die entsprechenden Informationen. "Zum Schluss sagt der Berg, wie es weitergeht." Sollte sich die Fertigstellung des Semmeringtunnels tatsächlich verzögern, würde der Koralmtunnel alleine in Betrieb genommen werden. Auch dadurch würde die Strecke Wien-Villach statt in 4 Stunden 25 Minuten künftig in etwa dreieinhalb Stunden deutlich schneller zu bewältigen.
Neuer Fahrgastrekord
Die ÖBB werden für 2019 einen neuen Fahrgastrekord aufstellen: 2018 waren 261 Millionen Fahrgäste mit den Bundesbahnen auf der Schiene unterwegs, heuer sollen es mehr sein. Alle drei Teilgesellschaften der Holding - Personenverkehr, Gütertransport und Infrastruktur - werden positiv abschließen, kündigt Matthä an. Der Konkurrent Deutsche Bahn hingegen fahre beim Güterverkehr in den roten Zahlen. "Wir matchen uns beim Güterverkehr in ganz Europa mit Tiefstpreisen, während die Kosten stetig steigen".
Im Wettbewerb mit der Straße plädiert der Bahnchef für Kostenwahrheit: Im Straßenverkehr seien die externen Kosten wie Umweltbelastung, Lärmschutz, Verkehrspolizei nicht inkludiert, beim Bahntransport schon.
Lkw- oder Bahn-Transit?
Dabei denkt Matthä, der seit dreieinhalb Jahren an der Spitze der Staatsbahn steht, in der Infrastruktur langfristig: Das Zielnetz für 2045 müsse schon jetzt geplant werden. Diese Pläne will er mit der neuen Regierung diskutieren. "Wir müssen uns entscheiden, ob wir ein Lkw-Transitland bleiben oder ein Bahn-Transitland werden". Alle im Nationalrat vertretenen Parteien bekennen sich zur Bahn, davon habe er sich überzeugt. Die Bahn sei ein Teil der Lösung im Verkehr. "Die Bahn ist gelebter Umweltschutz".
Dass der direkte Konkurrent der ÖBB im Personenverkehr auf der Westbahnstrecke, die mehrheitlich private Westbahn, ab dem Fahrplanwechsel im Dezember nur mehr mit halber Kapazität fährt, freut den Chef der Staatsbahn nicht. Zwar bringe das den ÖBB mehr Passagiere, aber der Rückzug sei nicht im Sinne des öffentlichen Verkehrs. Die Westbahn hätte mit dem Verkauf ihrer Züge nach Deutschland noch zwei Jahre warten können, bis sie selber wieder neues Zugmaterial habe, meint Matthä.
Nachtzüge auf dem Vormarsch
Der Plan mit dem Nachtzug-Geschäft sei "aufgegangen", freut sich ÖBB-Chef Andreas Matthä im APA-Gespräch. Im Jahr 2019 gab es Zuwächse von bis zu 20 Prozent bei den Fahrgastzahlen der "Nightjets". Mit anderen Bahnchefs in Europa werden derzeit neue Destinationen verhandelt. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben vor drei Jahren das Nachtzuggeschäft der Deutschen Bahn übernommen, und das Geschäft floriert.
Unter der Marke "Nightjet" in Anlehnung zum "Railjet" wird das Angebot von immer mehr Reisenden etwa nach Rom, Venedig, Berlin oder Hamburg angenommen. Der stärkste Fahrgastzuwachs von 20 Prozent sei auf der Strecke Wien-Feldkirch zu verzeichnen. In den Nachtzügen Wien-Zürich und München-Mailand gebe es um 19 Prozent mehr Fahrgäste als im Jahr davor.
Im Schnitt seien die Fahrgastzahlen in den Nachtzügen in alle Destinationen um 11 Prozent gestiegen. Der Nachtzug werde immer mehr als echte Alternative zum Flugzeug gesehen. "Die aktuelle Klima-Diskussion spielt uns da natürlich in die Hände", so der Bahnchef. In der gesamten ÖBB-Bilanz bleibe der Nachtzug ein Nischenprodukt, wenn auch ein sehr erfolgreiches.
Am 19. Jänner 2020 kommt mit dem Nachtzug Wien-Brüssel zwei mal wöchentlich ein neues Ziel dazu. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2020 soll dann auch ein Nachtzug bis nach Amsterdam fahren.