Österreichs Behörden waren bereits im Frühjahr 2015 schwere Anschuldigungen gegen den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bekannt. Und zwar unter anderem genau in jener Angelegenheit, deretwegen Strache sowie seine Frau Philippa jetzt im Visier von Ermittlungen stehen: der Veruntreuung von Parteigeldern für private Zwecke.
Darüber hinaus wurden Strache der „Verkauf“ eines Nationalratsmandats, Drogenkonsum sowie die ebenfalls aus der Parteikassa finanzierte Sucht nach einem Handy-Spiel vorgeworfen.
Und zwar von niemand Geringerem als dem Wiener Anwalt M. – der nun im Verdacht steht, einer der Hintermänner der Ibiza-Falle zu sein. Ein Aktenvermerk des Bundeskriminalamts, der der Kleinen Zeitung vorliegt, belegt, dass M. am 27. März 2015 – mehr als zwei Jahre vor dem verhängnisvollen Abend auf Ibiza – ins BKA kam und Beamte dort „im Auftrag eines Mandanten und persönlichen Freundes, der im nahen Umfeld Straches tätig ist“, über mehrere Anschuldigungen in Kenntnis setzte: Strache finanziere „sein gesamtes Privatleben“ durch Parteigelder der FPÖ, habe eine Ex-Freundin im FPÖ-Klub angestellt, obwohl sie dort keinerlei Leistungen erbringe.
Außerdem sei ein FPÖ-Politiker aufgrund einer Zahlung von 500.000 Euro seitens eines ukrainischen Investors direkt an Strache auf der Nationalratsliste vorgereiht worden – Strache habe das Geld dann im Parlament gebunkert, M.s Mandant verfüge über SMS-Verkehr, der „diese Bestechung zweifelsfrei bestätigt“.
Der Mandant wisse außerdem, „woher Strache das Kokain bezieht“ und habe 200 bis 300 Haare von ihm als Beweismittel gesammelt. Zuletzt habe der Parteichef „monatlich zwischen 2000 und 3000 Euro aus der Parteikassa“ für „Clash of Clans“ verspielt. „Sein Spielername sei HEINRICH“, heißt es in dem Aktenvermerk.
Den Anwalt vorgeschickt hatte der Mandant – mutmaßlich ein langjähriger Leibwächter Straches –, weil er fürchtete, seine Anschuldigungen könnten über die Polizei den Weg zur FPÖ finden.
Es sind zum Teil detaillierte Vorwürfe: M. erzählte etwa, Strache habe einen Rinderlungenbraten gekauft, sich dann von einem befreundeten Restaurantbetreiber eine Rechnung über diesen Betrag ausstellen lassen und diese dann bei der Partei eingereicht. (Strache war nicht für eine Stellungnahme erreichbar.)
Aber warum wurde nicht schon 2015 gegen Strache ermittelt? Während das Bundeskriminalamt offiziell auf die laufenden Ermittlungen verweist und daher keine Stellungnahme abgibt, ergeben Informationen der Kleinen Zeitung folgendes Bild: Nach seinem Vorsprechen im Bundeskriminalamt – just bei jenem Beamten übrigens, der nun die „Soko Ibiza“ leitet –stellte sich M. tot: Der Anwalt gab der Polizei keine weiteren Informationen mehr, besonders nicht über seinen Mandanten; für die Kriminalisten war damit – ohne Belastungszeugen – die „Suppe zu dünn“, um Ermittlungen einzuleiten.
Genau will das nun Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper wissen: Sie stellt parlamentarische Anfragen an Innen- und Justizminister. „Aufgrund dieser Anschuldigungen hätte es prompt zu weiteren Ermittlungen kommen müssen“, so Krisper – und will wissen, warum M.s Aussage nicht für einen Anfangsverdacht gereicht habe, solche Ermittlungen einzuleiten.
Georg Renner