Ein anonymer Tipp hatte die Sache ins Rollen gebracht, nun sitzen zwei Tschetschenen in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, einen Anschlag auf die Wiener Innenstadt geplant zu haben, weitere sollten in anderen Städten folgen. Die treibende Kraft hinter diesem Vorhaben soll ein 24-jähriger Islamist namens Sergo P. gewesen sein, der die Anschlagsserie koordiniert haben soll – aus dem Gefängnis heraus.
In der Justizanstalt Hirtenberg saß der Mann, der bereits zwei Vorstrafen wegen des Tatbestands der terroristischen Vereinigung hat, bis zuletzt in Haft, inzwischen wurde er in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt.
Mitleid mit Frau und Kind
Aus Hirtenberg soll auch der entscheidende Tipp gekommen sein – von einem Mithäftling. Laut diesem soll sich der Verdächtige dort öffentlich zum IS bekannt und seinen eigenen Ausbruch geplant haben. Der Mithäftling sei dann zu den Behörden gegangen – aus Mitleid für Frau und Kind des 24-Jährigen, wie er angibt. Die Ermittlungen laufen, Justiz- und Innenministerium geben sich bedeckt und verweisen darauf, dass es sich um einen Verschlussakt handelt.
Was jedoch bereits bekannt ist: Mit den anderen beiden Verdächtigen hatte der 24-jährige Tschetschene regelmäßig via Handy Kontakt, und zwar über WhatsApp und mit Audionachrichten. Und das aus einer Justizanstalt, in der eigentlich ein strenges Handyverbot gilt.
Ein Problem, das im Justizministerium seit Jahren bekannt ist. Immer wieder werden Telefone von Häftlingen in Zellen geschmuggelt, trotz regelmäßiger Razzien mit eigenen Handysuchgeräten und unangekündigter Durchsuchungen aller Bereiche.
720 Telefone in Gefängnissen gefunden
Die Ausbeute dieser Aktionen ist offenbar groß. Allein im vergangenen Jahr wurden laut Ministerium 720 unerlaubte Telefone in den Justizanstalten sichergestellt. Wer erwischt wird, dem droht ein Ordnungsstrafverfahren. 2018 wurden 13.342 dieser Verfahren gegen Insassen eingeleitet.
Dass es sich beim 24-Jährigen um einen IS-Sympathisanten handelt, der bereits zwei Mal nach Syrien reisen wollte, wirft zudem erneut die Frage nach Deradikalisierungsmaßnahmen in Haftanstalten auf. Bereits 2015 lud das Justizministerium zu einem eigenen Symposium zu diesem Thema, wenig später wurde ein entsprechendes Maßnahmenpaket geschnürt. Seither wird in den Gefängnissen mit einem erhöhten Gesprächsangebot zur Extremismus-Prävention und mit eigenen Risikoeinschätzungen gearbeitet. Damit sei man gut unterwegs, heißt es aus dem Ministerium.
„Aber Deradikalisierung ist eben nichts, was immer gelingt“, erklärt Veronika Hofinger. Sie ist wissenschaftliche Geschäftsführerin am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie und forscht seit Jahren zu den Themen Deradikalisierung im Gefängnis und Extremismusprävention. In manchen Fällen könne mit solchen Maßnahmen eine Verhaltensänderung erzielt werden, sodass der Betroffene kein Interesse mehr an einem Aufbruch in Richtung Syrien hat. „Im Fall des Verdächtigen wollte dieser aber bereits nach seiner ersten Haft nochmals nach Syrien gehen und sich dem IS anschließen. Bei ihm hat es offenbar nicht funktioniert.“
Eines haben die IS-Sympathisanten laut Hofinger gemeinsam: „Viele von ihnen stammen aus sehr schwierigen Verhältnissen, einige hatten eine traumatische Kindheit, etwa während des Krieges in Tschetschenien.“ In Österreich fühlen sie sich oft nicht zugehörig. „Da liefert die Ideologie einfache, klare Antworten, und das göttliche Recht wird über das der Gesellschaft gestellt, in der man sich nicht zurechtfindet.“