Der nationale Klima- und Energieplan ist am Mittwochvormittag trotz heftiger Kritik von Umweltschutzorganisationen im Ministerrat beschlossen worden. Das teilte das Umweltministerium in einer Aussendung mit. Die österreichische Bundesregierung bekenne sich darin nachdrücklich zu den Klimaschutzzielen von Paris, hieß es.
Das mehrere Hundert Seiten starke Dokument kann man zunächst einmal als Eingeständnis eines politischen Scheiterns lesen. Denn die über 300 konkreten Maßnahmen, die Österreich in seinem „Nationalen Energie- und Klimaplan“ vorsieht, reichen nicht aus, um den Ausstoß an Treibhausgasen in jenem Ausmaß zu reduzieren, zu dem sich Österreich der EU gegenüber verpflichtet hat.
36 Prozent, mehr als ein Drittel der Gase, die zur katastrophalen Erhitzung der Welt beitragen, müsste Österreich bis 2030 weniger ausstoßen als noch 2005. Müsste. Denn wie die Modellrechnung eines wissenschaftlichen Expertengremiums aus Umweltbundesamt, TU Graz, TU Wien, Wifo und anderen Institutionen zeigt – sie liegt dem Plan bei –, reichen die Maßnahmen, die der Plan vorsieht, gerade einmal für eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 27 Prozent.
Zu wenig, um das EU-Ziel zu erfüllen – und damit dazu beizutragen, dass die Union ihre Vorsätze aus dem Paris-Abkommen einhält, um die Erderwärmung langfristig auf unter zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, was allzu katastrophale Folgen des Klimawandels eindämmen sollte.
Und selbst dieser ungenügende Beitrag ist bisher alles andere als fix: Politisch beschlossen ist nur ein kleiner Teil der Maßnahmen, die sich die Republik vorgenommen hat – etwa die Steuersenkung für Elektrofahrzeuge und das erneuerte Ökostrom-Regime.
Viele andere Maßnahmen, die die Treibhausgase reduzieren sollen, harren noch ihrer Umsetzung. Etwa ein Ausbau des öffentlichen Zugverkehrs, der Ladeinfrastruktur von E-Autos, der Ausstieg aus Ölheizungen, eine deutliche Reduktion des Düngereinsatzes in der Landwirtschaft oder verschärfte Geschwindigkeitskontrollen im Verkehr: viele kleine und größere Maßnahmen, die „jede Regierung als Fundament nehmen kann“, wie Jürgen Schneider formuliert, der Chef der Klimasektion im Nachhaltigkeitsministerium und Hauptautor des Plans.
Aber, wie gesagt: Selbst wenn alle diese Maßnahmen umgesetzt werden, fehlt noch ein ganzer Brocken, um Österreichs Klimaziele zu erreichen: Eine Einsparung von neun Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sollte sich mit den im Plan enthaltenen Maßnahmen ausgehen. Notwendig, um das EU-Ziel zu erreichen, wären aber rund 14 Millionen Tonnen.
Auch wenn die Beamtenregierung nicht vorgreifen will, wo die fehlenden fünf Millionen Tonnen eingespart werden sollen: Einige Hinweise enthält der Plan.
Ein CO2-Preis als Option
Rund zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalent könnte etwa die – lang angekündigte und nur schleichend vorangetriebene – Abschaffung bzw. Umgestaltung klimaschädlicher Förderungen bringen. Stichworte: Dieselprivileg, Pendlerpauschale, Dienstwagenbesteuerung usw.
Für die übrigen drei Millionen Tonnen legen die Beamten von Nachhaltigkeits-, Verkehrs- und Finanzministerium im Wesentlichen zwei Optionen vor: Eine umfangreiche Ökologisierung des Steuer- und Förderungssystems sowie eine Ausweitung des Emissionshandels (derzeit betrifft er nur die Industrie) auf andere Sektoren, vor allem Verkehr und Hausbau – was auf eine CO2-Steuer hinausläuft, aber nicht so heißt.
„Es ist ein Arbeitsauftrag an die kommende Bundesregierung“, sagt Schneider. Sprich: Was aus diesem Plan umgesetzt wird und wie nah Österreich seinem Ziel kommt, liegt nun in den Händen der Koalitionsverhandler.
Georg Renner