Die FPÖ bricht endgültig mit Heinz-Christian Strache. Der langjährige Obmann wird aus der Partei ausgeschlossen. Diese Entscheidung des zuständigen Wiener Landesparteivorstands gab FPÖ-Chef Norbert Hofer am Freitagnachmittag bekannt. Das Gremium folgte damit einer Entscheidung des Parteigerichts, das zuvor getagt hatte.
Strache war bereits Anfang Oktober infolge des Ibiza-Videos und vor allem wegen der Spesenaffäre von Parteiobmann Norbert Hofer suspendiert worden. Die Entscheidung über den endgültigen Rausschmiss zog sich dann wochenlang. Vorgeworfen wird Strache der Missbrauch von Spesen. So soll er etwa private Ausgaben über Umwege über die Partei abgerechnet haben, was dieser bestreitet.
Strache-Ausschluss für Hofer "eine Befreiung"
Hofer meinte nach der Verkündung des Ausschlusses von Ex-Chef Heinz-Christian Strache: "Für uns ist es eine Befreiung." Denn unter die Causa Ibiza sei nun ein Schlussstrich gezogen. Die FPÖ könne nun in die Zukunft schauen, sagte Hofer in einer Pressekonferenz.
Wiens Landesobmann Dominik Nepp berichtete, dass der Beschluss über den Rausschmiss Straches im Landesparteivorstand einstimmig gefällt worden sei. Als Grund nannte der Rathaus-Blaue "parteischädigendes Verhalten". Dem Treffen des Landesparteivorstands war eine Sitzung des Parteigerichts gegen Mittag vorangegangen. Strache sei dort nicht erschienen.
Straches Ausschluss wegen parteischädigenden Verhaltens ist offiziell nicht wegen der Spesen-Vorwürfe erfolgt. Das Parteigericht habe in Abwesenheit über "zahlreiche mediale Äußerungen, Facebook-Postings und öffentliche Auftritte" geurteilt, begründete Wiens Parteichef Dominik Nepp die Entscheidung. Strache hatte vor dem Gremium nicht ausgesagt, sondern in einem Brief sein Unverständnis geäußert.
Strache schrieb eingeschriebenen Brief
"Er ist leider der Ladung nicht gefolgt", bedauerte Nepp die Abwesenheit Straches beim Parteigericht. Allerdings seien am Vormittag ein eingeschriebener Brief sowie ein E-Mail eingegangen mit der Botschaft, "dass er nicht zur Verfügung steht und es als entbehrlich empfindet". Die am Donnerstag erfolgte Parteigründung durch drei Strache loyal gegenüber stehende Gemeinderatsmandatare sei übrigens nicht Thema im Parteigericht gewesen.
Dass Strache nicht schon früher ausgeschlossen wurde, bedauerte Hofer nicht. Auch Nepp betonte, dass man dem früheren Parteichef ein faires Verfahren habe bieten wollen. Die Prozedur sei notwendig gewesen, so Hofer, da man zwischen einfachen Parteimitgliedern und Mitgliedern der Bundesparteileitung unterscheide. Der Ausschluss erfolge bei Letzteren immer durch die jeweilige Landespartei.
"Die FPÖ will eine stabile 25-Prozent-Partei sein", setzte Hofer die neue Messlatte. Eine "seriöse, stabile, rechtskonservative" Bewegung solle entstehen, "auch mit einer neuen Bescheidenheit". Skandale und "Personenkult" solle es hingegen nicht geben. Inhaltlich wollen die Freiheitlichen künftig auch auf "Satellitenthemen" setzen, etwa auf den Bereich Bildung und auf "Klimaschutz mit Hausverstand".
Die Wiener Landesgruppe, deren Chef Strache einst war, sieht Hofer gut aufgestellt. "Er ist ein Mann ohne Schnappatmung", beschrieb Hofer den geschäftsführenden Parteichef Nepp - "Jemand der inhaltlich konsequent und unbeugsam ist. Man wird sich diesen Namen gut merken müssen."
Die neue Bewegung "Die Allianz für Österreich" (DAÖ) ist laut Nepp Thema im Landesparteivorstand gewesen. "Es kann wirklich niemand glauben, dass sich diese drei Abgeordneten von alleine abgespalten haben", sprach Nepp eine mögliche Involvierung Straches an. Man wisse seit mehreren Wochen, dass dieser Finanziers suche und an mehrere Politiker herangetreten sei.
Dass noch weitere Mandatare aus dem blauen Gemeinderats-Klub zur DAÖ überlaufen könnten, glaubt Nepp laut eigener Aussage nicht: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand freiwillig einen politischen Suizid begeht und sich freiwillig dieser Bewegung anschließt."
Aus Knittelfeld ins Licht
Mit dem Ausschluss hat Strache den Weg Jörg Haiders genommen. Beide FPÖ-Chefs hatten die Partei in lichte Höhen katapultiert, bescherten ihr tiefe Abstürze und wurden am Ende ausgeschlossen. Für Strache brachte nicht gleich die Ibiza-Affäre, sondern sein Drang zurück in Parteifunktionen und andauernde Enthüllungen das Fass zum Überlaufen.
Die langjährige Erfolgswelle Straches, die in seiner Vizekanzlerschaft mündete, kam freilich schon im Mai abrupt zum Stehen: Ein zwei Jahre altes Agent-Provocateur-Video brachte den ohnehin wegen seiner Vergangenheit im rechtsextremen Milieu umstrittenen Vizekanzler in arge Nöte. Einer vermeintlichen russischen Millionärin hatte er bei dem auf Film gebannten Treffen etwa dargelegt, wie sie am Rechnungshof vorbei der FPÖ eine Spende zukommen lassen könnte. Der Rest ist Geschichte: Die Regierung mit der ÖVP platzte, Strache legte Obmann- und Vizekanzlerschaft nieder.
So hat sich Strache das Ende seiner langjährigen Parteikarriere sicher nicht vorgestellt: Schon mit 21 Jahren begann er die blaue Leiter hinaufzuklettern und wurde 1991 jüngster Bezirksrat in Wien-Landstraße. Nebenbei wurde Strache zum Zahntechniker ausgebildet und auch relativ früh Vater von zwei Kindern mit seiner damaligen, einer prominenten Wiener Gastronomen-Familie entstammenden Ehefrau.
Blaue Hoffnung
Politisch ging es flott nach oben. Lange vor seinem 30. Geburtstag angelte er sich ein Mandat im Wiener Landtag und galt rasch als Hoffnungsträger der traditionell starken Landesgruppe. Anfangs noch Fan Jörg Haiders, hantelte er sich während Schwarz-Blau zu dessen stärkstem parteiinternen Kontrahenten hoch. Strache war auch eine der prominentesten Figuren des Knittelfelder Delegiertentreffens, das Susanne Riess-Passer aus Partei und Politik trieb - und Straches steigende Popularität wohl mit ein Anlass für Haider, sich mit dem BZÖ aus der FPÖ zu verabschieden.
Damit war 2005 die Stunde Straches gekommen: Er wurde Parteichef. Umgeben von einem treuen Stab - mit Herbert Kickl, Harald Vilimsky und Norbert Hofer - konsolidierte er die Partei sowohl finanziell als auch beim Wähler. Immer wiederkehrende Vorwürfe aus der Vergangenheit - etwa seine Vergangenheit in der Neonazi-Szene - stoppten Straches Weg nach oben nicht. Anti-EU- und -Islampolitik erwiesen sich als beständige Wahlkampfschlager.
Der Niedergang der SPÖ-ÖVP-Koalition schwemmte ihn in Umfragen im Jahr 2017 zeitweise sogar an die Umfragen-Spitze, erst Sebastian Kurz' Kür zum ÖVP-Obmann ließ die Freiheitlichen ein wenig nach unten sacken. Das hatte für Strache - inzwischen mit der ehemaligen SPÖ-Assistentin Philippa verheiratet - aber auch seinen Vorteil. Denn der neue ÖVP-Chef scheute sich nicht, Strache und seine Getreuen in die Regierung zu holen.
Dass Kurz sich das traute, hatte der FPÖ-Chef aber auch einem eigenen Image-Wandel zu verdanken. Vertrieb Strache früher potenzielle Partner mit rüden Wahlkämpfen und wenig geschmackssicheren Auftritten - etwa mit einem Burschenschafter-Käppchen am Kopf bei der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem -, versuchte er sich über die Jahre zunehmend in einer immer staatsmännischeren Rolle. 2017 lotete sogar der damalige SPÖ-Chef Christian Kern eine Zusammenarbeit aus.
In Regierungsfunktion angekommen machte der Langzeit-Parteichef selbst inhaltlich nicht viel - was auch mit seinen schmalen Ressorts öffentlicher Dienst und Sport zusammenhing. Mehr inszenierte sich Strache - auf den sozialen Medien - als romantischer Ehemann, Papa-Monat-Vater (seines dritten, Anfang des heurigen Jahres geborenen, Kindes) und Hundefreund. Wichtig war ihm zu allererst, dass das türkis-blaue Projekt insgesamt auf Schiene blieb.
Ob Strache nach seinem Parteiausschluss weiter auf Haiders Spuren wandeln wird, wird sich zeigen. Sehr gut möglich ist, dass er die von ehemaligen blauen Gemeinderatsmandataren gegründete Partei "Allianz für Österreich" (DAÖ) in die Wien-Wahl führt.