Ex-SPÖ-Chef Christian Kern hat am Donnerstag mit seinen parteiinternen Gegnern abgerechnet. Via Social Media veröffentlichte er einen Brief an die aktuelle Führungsriege der Partei. Der Vorgänger von Pamela Rendi-Wagner erinnert darin an eigene Erfolge, aber auch die an inneren Widerständen gescheiterte Organisationsreform. Die größten Gegner der SPÖ ortete er in den eigenen Reihen.
Kern präsentierte seine kurze Zeit an der SPÖ-Spitze als anfängliche Erfolgsgeschichte. Er habe nie das Gefühl gehabt, "einen 'Rucksack voller Steine' übernommen zu haben, sondern habe es als großes Privileg gesehen, die SPÖ anführen zu dürfen", erlaubte er sich einen Seitenhieb auf seine Nachfolgerin.
Nach den "betrüblichen Ereignisse am 1. Mai 2016", als der damalige Parteichef Werner Faymann am Wiener Rathausplatz ausgebuht wurde, und nach der Niederlage bei der Bundespräsidentenwahl habe er die SPÖ übernommen und von 21 auf 29 Prozent in den Umfragen geführt. Finanziell habe er die Partei nach Sanierungsschritten mit 10,57 Millionen Euro Schulden zurückgelassen, nicht mit 14,9 Mio. Euro.
Kern verweist auf Erfolge
Politisch verwies Kern auf tausende neue Parteimitglieder, Zugewinne bei Landtagswahlen und ein ausgearbeitetes Parteiprogramm mit dem Klimawandel an prominenter Stelle. Die Organisationsreform hätte zudem eine weitgehende Demokratisierung der SPÖ gebracht.
"Man hat sich dann aber entschlossen, einen anderen Kurs einzuschlagen. Das ist selbstverständlich das gute Recht der Führung. Aber dann sollte man auch zu den Konsequenzen dieser Entscheidungen stehen", kritisierte Kern und erinnerte an den seither erfolgten Absturz beim Wählerzuspruch.
"Unglück nicht noch vergrößern"
"Mein Abschied von der Parteispitze hat viele enttäuscht. Vielleicht verstehen manche im Lichte der jüngsten Ereignisse meine Entscheidung nunmehr besser. Ich habe im Wahlkampf 2017 erlebt, welchen Schaden Illoyalität verursachen kann. Und in der Oppositionszeit konnte man den Eindruck gewinnen, dass unser größter Gegner in den eigenen Reihen sitzt", meinte er.
Und weiter: "Ich habe mich dennoch öffentlich mit Äußerungen zurückgehalten, um das Unglück nicht noch zu vergrößern. Aber ich habe auch keinen Sinn darin gesehen, mich von den 'eigenen' Leuten scheibchenweise abmontieren zu lassen - und die SPÖ gleich mit dazu. Wir werden uns aus dieser Situation nur dann befreien können, wenn wir die SPÖ ernsthaft und konsequent demokratisieren."
Großer Ärger in den Ländern
Die Krise der SPÖ und der Umgang der Bundespartei damit sorgt für Ärger in den Landesorganisationen. An die Spitze der Kritiker stellte sich am Donnerstag Niederösterreichs Landesparteichef Franz Schnabl. In Oberösterreich wurde das Murren nur hinter vorgehaltener Hand laut. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch rechtfertigte sich indes.
Schnabl wertete die Situation in einer schriftlichen Stellungnahme an die APA "aus sozialdemokratischer Sicht natürlich als Albtraum". Zu den Beraterverträgen teilte er auf Anfrage mit, dass diese seines Wissens "in keinem Vorstand beschlossen wurden". Für ihn sei klar, dass diese nicht nur reduziert, sondern ehestmöglich aufgelöst werden müssen.
"Zudem erwarte ich mir die Einleitung eines glaubwürdigen Reformprozesses mit einem fundierten, realistisch umsetzbaren Finanzierungsplan", sagte Schnabl. Neben der erstmaligen Kündigung von Mitarbeitern in der Geschichte der SPÖ sei für ihn mittlerweile auch die "politische Perspektive der Partei ein akutes Problem, es gibt eine spürbare Entsolidarisierung der Funktionäre auf allen Ebenen". Bei der bevorstehenden Gemeinderatswahl in Niederösterreich sei diese Distanzierung von der Partei durch verstärkte Namenslisten-Anmeldungen spürbar. "Ich beobachte das mit Sorge."
"Sind nicht nur nicht regierungs-, sondern auch nicht oppositionsfähig"
"Wir beantragen eine Sondersitzung zum Thema Casinos und melden am selben Tag 27 ParteimitarbeiterInnen zur Kündigung beim AMS an. Kein Wunder, dass in der Berichterstattung nichts über die aufklärungswürdigen Casinos steht. Doskozil hat Recht. Wir sind nicht nur nicht regierungs-, sondern auch nicht oppositionsfähig", meinte Schnabl angesprochen auf die Performance von Bundesparteivorsitzender Pamela Rendi-Wagner.
Auch in der oberösterreichischen SPÖ war der Unmut über Rendi-Wagner und Deutsch sowie an der derzeitigen Performance der Sozialdemokratie unüberhörbar. Dass man mit dem Bundesgeschäftsführer nicht glücklich ist, galt als kein Geheimnis, auch der Rückhalt für die Parteichefin schien zu schwinden. Eine offizielle Stellungnahme gab es nicht, aber hinter vorgehaltener Hand war das Murren über teure Beraterverträge, die mangelnde interne und die unglückliche äußere Kommunikation - Stichwort: Wofür steht die SPÖ? "Daran arbeiten wir" - unüberhörbar. Auch dass die SPÖ just am Tag der Casinos-Sondersitzung - eine Steilvorlage für jede Oppositionspartei - ihren Personalabbau kommuniziert hat, konnte man nicht fassen.
"Geht mir menschlich sehr nahe"
Vorarlbergs Landesparteivorsitzender Martin Staudinger wollte im Vorfeld der Gremiensitzungen der SPÖ keine Leistungsbeurteilung der Partei bzw. von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner abgeben. "Wir besprechen in Präsidium und Vorstand, was es zu besprechen gibt. Das mache ich nicht über die Medien", stellte er fest. Dass es aber bei den Finanzen Konsolidierungsbedarf gebe, sei offensichtlich.
Deutsch leitete indes seine schriftliche Antwort an den SPÖ-Betriebsratchef Siegfried Sailer weiter, der den angekündigten Mitarbeiterabbau kritisiert hatte. Vor einem für heute, Donnerstag, angekündigten Treffen betonte er, dass nicht 27 Mitarbeiter gekündigt würden, sondern dass die maximale Anzahl von 27 Personen dem AMS gemeldet worden sei. "Es ist schmerzlich und es geht mir menschlich sehr nahe", betonte er.