In der Sondersitzung zur Casinos-Affäre im Nationalrat kündigte Finanzminister Eduard Müller an, die Aufklärung der Casinos-Affäre "vollumfänglich" unterstützen. Müller hat die Finanzprokuratur in der Affäre mit einer genauen Prüfung beauftragt. Konkret gehe es um die Prüfung eines übermitteltes Privatgutachten "zur glücksspielrechtlichen Beurteilung der Bestellung eines Vorstandsmitgliedes das Casag" (gemeint ist Peter Sidlo). Die Prüfung laufe noch.
Die SPÖ, Neos und Grünen wollen mit der Sondersitzung Licht in die nebulöse Besetzung des Ex-FPÖler Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria (CASAG) bringen. Die Justiz ermittelt mit Verdacht auf Bestechung, Untreue, Amtsmissbrauch, Anstiftung auf Amtsmissbrauch gegen elf Personen.
Zuletzt tauchten in den Chatprotokollen aus den Hausdurchsuchungen namentlich auch der Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, Gernot Blümel, FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl auf. Belastendes fand sich jedoch nur gegen die bereits bekannten Personen (siehe Frage 3).
Öl ins Feuer gießt ein neu aufgetauchtes Schreiben des Ex-Casinos-Chefs Alexander Labak an den CASAG-Aufsichtsratpräsidenten Walter Rothensteiner, in dem er vor zukünftigen Vorständen warnte, die ihre "Loyalitäten primär außerhalb des Unternehmens" sehen. Das gelte inbesondere für Sidlo. Dieser "wurde von der Novo ganz offensichtlich mit dem klaren Ziel nominiert, von der FPÖ im Gegenzug eine politische Unterstützung für die Gewährung zusätzlicher Lizenzen (z.b. online-gaming) zu sichern", schrieb Labak in seinem Brief, den der "Falter" veröffentlichte.
Für Irritation und ungläubiges Staunen sorgte Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) mit ihrem Sager am Sonntag in der ORF-Sendung "Im Zentrum": "Faktum ist, der Herr Sidlo war der Kandidat der Novomatic.“ NEOS-Abgeordnete Sepp Schellhorn sah durch diesen Satz die Notwendigkeit für einen eigenen Casinos-Untersuchungsausschuss abermals bestätigt.
Ob Peter Sidlo seinen Vorstandsposten räumen muss, wird definitiv am 10. Dezember in der nächsten Casinos-Aufsichtsratssitzung entschieden, in der die tschechische Sazka-Gruppe als Casinos-Hauptaktionär Sidlo das Vertrauen entziehen will. Unklar ist noch das Stimmverhalten der zwei weiteren Hauptaktionäre, der Staatsholding ÖBAG und der Novomatic. Bei der ÖBAG wird es stark von den Ergebnissen einer Sidlo-Sonderprüfung im Auftrag des Casinos-Aufsichtsrats abhängen. Eine außerordentliche ÖBAG-Aufsichtsratssitzung findet am 2. Dezember statt. Drei von vier Casinos-Aufsichtsräten sind in der Affäre mit Vorwürfen vorbelastet.
Hier sind die wichtigsten Antworten in der Casinos-Affäre:
1. Was unterscheidet diese Affäre von anderen politischen Postenbesetzungen?
Der Glücksspielkonzern Novomatic soll angeblich Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt worden seien, falls der Casinos-Austria (CASAG)-Großaktionär für die Bestellung des FPÖ-Kandidaten Peter Sidlo als Finanzvorstand stimme. Die Staatsanwaltschaft erhebt den Vorwurf von Bestechung und Untreue gegen mehrere Verdächtige (siehe 5. Welche Personen...?). Diese strafbare, „beabsichtigte Begünstigung“ steht jedoch noch auf wackeligen Beinen: Es wurden de facto keine Lizenzen bis zum Sturz der Regierung im Mai an Novomatic vergeben. Allerdings: ÖVP-Ex-Finanzminister Hartwig Löger hatte zuvor einen Entwurf für die Novellierung des Glücksspielgesetzes in Begutachtung geschickt, der das Monopol der Casinos Austria einzementiert hätte. Dieser wurde zurückgezogen, stattdessen soll FPÖ-Ex-Staatssekretär Hubert Fuchs dann an einem neuen Online-Gaming-Gesetz getüftelt haben, an einer Lizenz hatte die Novomatic Interesse. „Beabsichtigte Begünstigung“ ist strafbar. Speziell an dem Fall ist, dass der ehemalige FPÖ-Bezirksrat Sidlo von Personalberater Egon Zehnder attestiert bekam, völlig ungeeignet für den Posten zu sein. Wie "Profil" am Sonntag schrieb, hatte Zehnder bereits den langjährigen Ex-CASAG-Vorstand und SPÖ-Kandidaten Dietmar Hoscher negativ beurteilt: Hoscher sei kein „Garant für Dynamisierung".
2. Was ist der Kern des Skandals?
Bei den Ermittlungen geht es um die Frage, ob es bei der Bestellung des ehemaligen FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria politische Absprachen zwischen der FPÖ und dem drittgrößten Casinos-Aktionär Novomatic gegeben hat.
Löger soll angeblich beim CASAG-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner telefonisch interveniert haben, um Sidlo den Posten zu beschaffen („Sidlo ist ein Muss“).
Große Bedeutung misst die Staatsanwaltschaft einer Aktennotiz vom 1. Februar 2019 von Rothensteiner nach dem Telefonat mit Löger zu. „Postenschachereien“ zwischen Regierungsparteien sind in Österreich kein Novum. Historisch wurden in Österreich selten gänzlich unqualifizierte Bewerber um einen Vorstandssitz in staatsnahen Betrieben ins Rennen geschickt.
3. Gegen welche Personen wird ermittelt?
Seit dem Sommer wird gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖler Johann Gudenus, Novomatic-Vorstandschef Harald Neumann, Novomatic-Eigentümer Johann Graf und gegen den EX-FPÖ-Bezirksrat und CASAG-Finanzvorstand Peter Sidlo ermittelt. Bei den Genannten gab es Hausdurchsuchungen, dem Vernehmen nach war Straches Handy eine wahre Fundgrube. In einer zweiten Runde sind Löger, Rothensteiner, Ex-Finanzminister Josef Pröll (als Casinos-Aufsichtsrat-Stellvertreter) und Lögers Ex-Kabinettschef Thomas Schmid (aktuell: ÖBAG-Vorstand) ins Visier der Justiz geraten.
4. Wie reagiert die Politik auf die Affäre?
Am Dienstag wird eine Sondersitzung zur Casinos-Causa im Nationalrat auf Antrag der SPÖ, Neos und Grünen stattfinden. Auf der Tagesordnung steht eine Dringliche Anfrage an Finanzminister Eduard Müller, der zur Affäre um Korruptionsverdacht und Postenschacher rund um den teilstaatlichen Glücksspielkonzern Auskunft geben soll. Die Debatte beginnt um 13.00 Uhr und wird live übertragen.
Die Neos werden aller Voraussicht die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fordern. Grünen-Chef Werner Kogler würde sich dem Vorstoß für einen Untersuchungsausschuss „nicht verschließen“. Gemeinsam mit der SPÖ hätten die Neos jedenfalls genügend Stimmen für einen U-Ausschuss.
Überdies forderten die Pinken die "sofortige Abberufung" des ÖBAG-Vorstands Thomas Schmid durch den Finanzminister Eduard Müller. Aufgrund des Aktienrechts wäre die Abberufung Schmids jedoch nur durch einen Aufsichtsrat-Beschluss möglich. ÖBAG-Aufsichtsratschef Helmut Kern hatte Schmid vor einigen Tagen im ORF-Radio den Rücken gestärkt.
Die Neos brachten weiters eine Anfragenreihe an alle Minister ein. Sie verlangen eine Auflistung über die Postenbesetzungen in staatsnahen Betrieben unter der ÖVP-FPÖ-Regierung, konkret welche Stellen - Vorstände, Geschäftsführung, Aufsichtsräte und Abteilungsleiter - zwischen 9. November 2017 und 22. Oktober 2019 ausgeschrieben und besetzt wurden.
5. Welche Folgen hat das für die Koalitionsgespräche?
Grünen-Chef Werner Kogler sehe keinen Grund, die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP zu unterbrechen, weil in Chat-Protokollen verschiedene Personen genannt werden. Er verwies darauf, dass in den Verhandlungen ein Transparenzpaket Thema sei und er sei diesbezüglich "guter Dinge".
Der frühere Politiker Peter Pilz forderte in "Österreich" die Grünen auf, die Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP zu pausieren. Dem Ex-Grünen, der 2017 eine eigene Liste gründete und heuer den Einzug in den Nationalrat verfehlte, liegt der Casinos-Akt nach eigenen Angaben vor.
6. Hat Ex-Kanzler Kurz davon gewusst?
Das wissen wir nicht. Hartwig Löger als Politik-Quereinsteiger hat vermutlich sehr koalitionskonform agiert. Nicht er als Minister, sondern der CASAG-Aufsichtsrat habe Sidlos Qualifikation zu prüfen gehabt, und habe ihn als Vorstand bestellt, sagte Löger in der ORF-Sendung "Im Zentrum. Kurz sei von ihm nicht über die Vorgänge informiert worden, Es habe auch kein einziges Anzeichen gegeben, dass Kurz informiert geworden wäre.
Der Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Gernot Blümel tauchen laut "Presse" auch in den Chatprotokollen auf. Etwaig Belastendes gegen sie wurde jedoch nicht gefunden. Novomatic-Chef Neumann schrieb laut "profil" am 8. Februar 2019 in einer Chat-Nachricht an Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium unter Minister Hartwig Löger: "Gibt Recherchen bezüglich Schelling und den Tschechen ;)) schon davon gehört (betrifft das Meeting mit Seb)." Laut Einschätzung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatswaltschaft (WKStA) war mit "Seb" der Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gemeint. Die ÖVP dementierte ein Treffen zwischen Kurz und Neumann "im Zuge der Sidlo-Bestellung". Das sei "hundertprozentig falsch und auszuschließen", hieß es seitens der ÖVP.
Sebastian Kurz drohte am Sonntag auf "Puls 24" mit Klagen, wenn der ÖVP oder ÖVP-Vertretern strafrechtlich relevante Dinge in der Causa unterstellt werden. Kurz kritisierte darüberhinaus die Medien, wenn "mit irgendwelchen SMS" versucht werde, Personen in die Angelegenheit hineinzuziehen, die damit nicht zu tun hätten.
7. Was sagt Hartwig Löger zu den Vorwürfen?
Er spricht von einem „Missverständnis“ und bestreitet eine „Ämterbesetzung durch ÖVP und FPÖ“. Er habe nur die Interessen der Republik Österreich in dieser Aktionärsgruppe vertreten. Löger behauptete kürzlich in der ORF-Sendung "Im Zentrum", dass er auf Straches "Danke-SMS" für die erfolgreiche Sidlo-Bestellung mit einem Daumen-Hoch-Emoticon im Sinne von "Gib a Ruh!" geantwortet habe. Zur Razzia bei ihm sagte er nur: "So komisch es klingen mag, ich hatte mir die Hausdurchsuchung schon fast herbeigesehnt, damit ich endlich zur Aufklärung beitragen kann."
Löger nahm sich bereits selbst aus dem Ministerrennen und steht nicht mehr als Finanzminister zur Verfügung.
8. Wie reagieren die anderen Betroffenen?
Sie weisen die Beschuldigungen zurück. Sidlo ist seit September auf bezahltem Urlaub. Strache habe niemals "etwas rechtswidriges im Zusammenhang mit der CASAG-Vorstands-Bestellung angeboten oder angenommen", ließ er der Öffentlichkeit wissen. Er kenne keine Chat-Verläufe. "Niemals habe ich etwas rechtswidriges im Zusammenhang mit der CASAG-Vorstands-Bestellung angeboten oder angenommen", schrieb Strache auf Facebook. Auch Ex-ÖVP-Finanzminister Josef Pröll beteuerte, dass er alle aktienrechtlichen und Compliance-Vorgaben eingehalten habe. Inoffiziell hört man aus dem Beschuldigtenkreis, dass die beschlagnahmten Unterlagen einseitig ausgelegt worden seien. Der Anwalt von Gudenus sagte, dass aus seiner Sicht die „Hallo Joschi“-Nachricht von den Ermittlern herausgenommen wurde, weil das Wort „Deal“ darin vorkomme. Es gilt für alle Involvierten die Unschuldsvermutung.
9. Wie kamen die Chatprotokolle von Strache und Co. in die Medien?
Die Chatprotokolle, die bei den Hausdurchsuchungen im August und November durch das Bundeskriminalamt im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beschlagnahmt wurden, sind einigen Medien zugespielt worden. Sachbearbeiter und Exekutivbeamte könnten relativ einfach heikle Verschlussakten wie die Chatprotokolle oder Hausdurchsuchungs-Anordnungen an Dritte weitergeben, sagte ein Wiener Anwalt im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Heutzutage habe jedes Mobiltelefon eine Top-Kamera, die die schnelle Weitergabe massiv vereinfache. Auch die Strafverteidiger der Involvierten könnten gezielt Anordnungen und Akte weitergeben, um ihren Mandaten Vorteile zu verschaffen oder sie gegeneinander auszuspielen. Das alles sei zum jetzigen Zeitpunkt natürlich reine Spekulation. Die Weitergabe von Justizakten unter Verschluss fällt de jure unter Amtsmissbrauch und Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Wolfgang Rauter, Ex-FPÖler und pensionierter Richter, kritisierte kürzlich die Veröffentlichung von Straches Chat-Protokollen. Rauter erstattete Anzeige mit Verdacht des Amtsmissbrauchs bei der Staatsanwaltschaft gegen "unbekannte Täter" aus dem Personenkreis des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung (BAK), der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sowie Mitarbeiter des Wochenmagazins "Falter". Alle Beschuldigten dementierten die Vorwürfen.
Im Zusammenhang mit Amtsmissbrauch kündigte die Wiener FPÖ Anzeigen gegen die Datenweitergabe im Fall der Goldbarren-Geschichte an.
10. Welche Konsequenzen müssen aus der Casino-Causa gezogen werden?
Eine „heilsame, präventive Wirkung“ hätte ein Prüfrecht für den Rechnungshof bei einer staatlichen Beteiligung ab 25 Prozent, glaubt Ex-Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler. Derzeit ist es erst ab 50 Prozent gegeben. An den Casinos Austria hält die Republik Österreich 33% (via ÖBAG) - neben der Novomatic mit 17% und der tschechischen Sazka-Gruppe mit 38%.
Die Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker bedauerte, dass eine direkte Prüfung der Casinos derzeit nicht möglich sei, aber: "Was der Rechnungshof jedoch tun kann, tut er. Darum werden wir in einem ersten Schritt eine Prüfung einleiten, die sich grundsätzlich mit der Entsendung von Aufsichtsräten durch den Bund beschäftigt." Wann ein Ergebnis vorliegt, lasse sich vor Beginn der Prüfung naturgemäß noch nicht abschätzen. Auch Kraker unterstützt die 25-Prozent-Forderung. "Die aktuellen Ereignisse zeigen, wie wichtig es ist, das zu ändern und die Prüfkompetenz auszuweiten", erneuerte Kraker die langjährige Forderung des Rechnungshofes, die sie in einen Brief an alle Parlamentsparteien im Vorfeld der Sondersitzung Nachdruck verlieh.
Der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, nützte die Debatte um politische Postenbesetzungen, um eine Privatisierung der Staatsbetriebs zu fordern. "Privatisieren wir doch, dann ersparen wir uns diese elenden Diskussionen", sagte Kapsch kürzlich im Rahmen einer Pressekonferenz.
Norbert Oberndorfer