Es ist nur eine kleine Anmerkung auf dem 254 Seiten starken Plan, wie Österreich bis 2030 seinen Beitrag leisten soll, die Klimakatastrophe abzumildern: „Option: Ausweitung des Handelssystems (ETS) auf weitere Sektoren“.
Eine Option, die Potenzial hat, ein Herzstück im österreichischen Kampf gegen den Treibhausgas-Ausstoß zu werden. Und die ein Kompromiss zwischen dem grünen Wunsch, Klimasünder zur Kasse zu bitten, und der „Keine neuen Steuern“-Doktrin der ÖVP sein könnte.
Während die Parteipolitik noch immer in der Sondierungs-Warteschleife kreist, haben die Ministerien der Übergangsregierung in den vergangenen Wochen Nägel mit Köpfen gemacht – zwangsweise, denn bis 31. Dezember muss Österreich seinen endgültigen „Nationalen Energie- und Klimaplan“ (NEKP) an die EU-Kommission übermitteln.
Das ist jenes Dokument, in dem Österreich erklärt, wie es seine selbst gesetzten und von der EU vorgegebenen Ziele in Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und vor allem Reduktion von Treibhausgasen erreichen will.
Ein Drittel weniger Treibhausgase
Leicht wird das nicht: Bis zum Zwischenziel 2030 muss Österreich seine Treibhausgase mindestens um gut ein Drittel reduzieren, von derzeit über 50 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr auf knapp über 35 Millionen Tonnen 2030. „Eine Herkulesaufgabe“, sagt Jürgen Schneider, als Sektionschef Klima im Nachhaltigkeitsministerium Österreichs oberster Klimaschützer; „eine, die viele, viele einzelne Maßnahmen bedingt.“
Wer den Entwurf dieses Plans liest, den das Ministerium heute Mittag online stellt und bis 2. Dezember öffentlich begutachten lässt, merkt, dass das nicht nur dahingesagt ist: Dutzende Maßnahmen in den Bereichen Verkehr, Gebäude, Energie und Landwirtschaft sollen in Summe die Reduktion bringen, die Österreich Milliarden Euro an Strafzahlungen ersparen soll.
Ausbau des Öffentlichen Verkehrs
Viele dieser Maßnahmen sind schon beschlossen – etwa Teile der gerade beschlossenen Steuerreform wie die Senkung der Abgaben auf erneuerbare Energien –, manche bereits in Umsetzung – wie das Erneuerbaren Ausbau Gesetz, das demnächst die bisherigen Ökostromregelungen ersetzen soll – und etliche müssen erst im Detail ausgestaltet werden – zum Beispiel der Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Aber die Beamten sind über diese – bereits in der Klimastrategie enthaltenen – Maßnahmen hinausgegangen. Nachhaltigkeits-, Verkehrs- und Finanzministerium haben auch mehrere „Optionen“ in den NEKP aufgenommen, wie die nächste Koalition Österreichs Klimabilanz relativ schnell verbessern könnte, wenn sie die bisherigen Maßnahmen nicht reichen sollten (eine wissenschaftliche Modellrechnung, wie viel CO2-Ausstoß der Plan einsparen wird, soll ebenfalls bis Jahresende fertig sein.)
Unter diesen Optionen: „Stufenweiser Abbau kontraproduktiver Anreize“ – sprich: von Förderungen, die klimaschädliches Verhalten belohnen. Und eben die eingangs genannte Passage von der Ausweitung des ETS-Handels.
Wer viel ausstößt, muss zahlen
Bisher betreffen solche EU-weit gehandelten CO2-Zertifikate nur die Industrie: Wer viele Emissionen ausstößt, muss dafür bezahlen – es gibt also einen wirtschaftlichen Anreiz, möglichst wenig Treibhausgase auszustoßen. Folgt die Politik diesem Vorschlag, könnte sie es der deutschen Regierung gleichtun – und einen nationalen Zertifikatehandel für andere Sektoren, etwa für den Verkehr oder die Energieproduktion einführen.
Das könnte, abhängig von der Ausgestaltung, etwa das Autofahren teurer machen – aber gleichzeitig Geld für Förderungen flüssig machen, die den Ausstieg aus CO2 erleichtern. Und zwar als marktwirtschaftliches Instrument, nicht als „Steuer“ – was in manch möglicher Koalition ein tragfähiger Kompromiss sein könnte.
Georg Renner