Es sind die kleinen Momente, in denen die Freude der Volkspartei am Sonntagabend so richtig spürbar wird: Wenn Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger am Gang des Kursalons Hübner in Wien seinem Vorvorgänger Josef Pröll begegnet, ihn dieser umarmt und ihm mit glänzenden Augen zuraunt: „Geil, oder?“
Bei allen Analysen, die die Volkspartei in die alte, „schwarze“ Funktionärstruppe und die „türkise“ junge Garde um Parteichef Sebastian Kurz geteilt gesehen haben: An diesem Sonntagabend feiern sie alle miteinander: VP-Seniorenchefin Ingrid Korosec tanzt in der ersten Reihe des Festsaals des Edel-Parklokals neben einer Division der Jungen Volkspartei in türkisen T-Shirts zu den starken Bässen von „Oh My My“, einem Gute-Laune-Schlager von Summer Kennedy.
Peter Eppinger zwischen "Showmaster und Wanderprediger"
Nicht, dass es die Musik brauchen würde für die gute Stimmung: Schon eine Stunde bevor das Wahlergebnis über die Schirme läuft, heizt Ex-Ö3-Mann Peter Eppinger die Menge auf: „Wir wissen alle, was im Mai passiert ist“, ruft Eppinger, eine Mischung aus Showmaster und Wanderprediger, dem Parteivolk mit leidender Stimme die Passion der vergangenen Monate in Erinnerung: Im Mai hatte eine Allianz aus SPÖ, FPÖ und Jetzt Kanzler Kurz und seine Regierung per Misstrauensvotum gestürzt – „und seither hieß es: alle gegen Kurz“, zeichnet Eppinger die Erzählung der vergangenen Monate nach.
Video: Adolf Winkler
Eine Erzählung, an die Parteisekretär Karl Nehammer nahtlos anschließt: Er zeichnet Bilder von tapferen Wahlkämpfern im ganzen Land, die gegen alle Widrigkeiten („gefälschte Mails, Hackerangriffe, zerstörte Landschaftselemente“) vier Monate lang gekämpft hätten.
Mit Erfolg, wie die Hochrechnungen zeigen: Ab jenem Moment, in dem im Kursalon die 3D-Karte des ORF flächendeckend Gewinne für die Volkspartei verkündet, ist der Jubel unter Hunderten Anhänger nicht mehr zu bremsen. Mit Ausnahme eines erneuten Aufbrandens, als klar wird, dass Jetzt aus dem Parlament fliegt – Peter Pilz zählte in den vergangenen Wochen zu Kurz’ schärfsten Kritikern – geht praktisch jedes Wort in nicht enden wollenden „Kanzler Kurz! Kanzler Kurz!“-Sprechchören unter.
Wer es trotzdem schafft, sich mit VP-Unterstützern zu unterhalten, bekommt am Sonntag vor allem eine Erklärung für das Wahlergebnis serviert: Es sei quasi die gerechte Strafe für das Bündnis, das Kurz abgewählt habe – just die Parteien, die nun ein Minus vor dem Ergebnis stehen gehabt hätten.
Minister bald wieder im Sattel
„Sie wollten Kurz weghaben – und jetzt steht er gestärkt da“, sagt etwa Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die sich wie die meisten Mitglieder der ehemaligen türkisen Regierungsmannschaft unter die feiernde Masse gemischt hat. Und wie die meisten darunter geht auch Schramböck mit einem selbstbewussten „wenn mich wer fragt“ davon aus, bald wieder in einem Ministerium zu sitzen. „Wir haben fast zwei Jahre gearbeitet, um Reformen für das Volk zu schaffen“, ergänzt Ex-Justizminister Josef Moser – „und offensichtlich ist das beim Volk angekommen“.
Um die Frage, welche Koalition Kurz jetzt eingehen soll, biegt man sich an diesem Abend mit üblichen Phrasen: „Heute Abend wird gefeiert, dann ist der Bundespräsident am Zug“, sagt etwa Nehammer. Auch Kurz selbst ist am Sonntag noch keine Präferenz zu entlocken: „Mir fehlen die Worte und ich bin selten sprachlos“, sagt der Ex-Kanzler bei seiner ersten Ansprache. Später wird er Gespräche mit allen Parteien ankündigen und sagen: „Heute hat uns die Bevölkerung zurückgewählt.“
Georg Renner