Norbert Hofer hat sich in den vergangenen Wochen wohl öfter gewundert, was alles möglich ist. Zunächst verhagelte das Ibiza-Video dem damaligen Infrastrukturminister einen gemütlichen neuerlichen Anlauf auf die Hofburg. Danach ließ ihn die Spesen-Krise am Wahltag mit einem dunkelblauen Auge da stehen.
Den entscheidenden Schlag hat dem Fast-Bundespräsidenten ein Parteifreund versetzt. Die gar flotte Lippe von Vorgänger Heinz-Christian Strache beim Spanien-Urlaub und dessen ausgeprägte Sympathie für Spesen haben Hofer das Leben ebenso schwer gemacht wie eine hartnäckige Infektion, trotz der er den Wahlkampf durchkämpfte.
Sein Kampf zurück
Dabei ist so eine Kampagne für den in zweiter Ehe verheirateten Vater von vier Kindern aus dem burgenländischen Pinkafeld ohnehin keine leichte Übung. Seit einem Paragleiter-Unfall und einer schweren Brandverletzung ist der gelernte Flugzeugtechniker stark gehbehindert. Doch Selbstdisziplin und Beharrungsfähigkeit zählen sicher zu seinen größeren Stärken. Heute fährt der Vegetatier-Novize wieder begeistert Mountainbike und schwebt als Pilot im Flugzeug durch die Lüfte.
Der Stern Hofers war so richtig im Jahr 2016 aufgegangen, als er eigentlich gegen seinen eigenen Willen von der FPÖ in die Hofburg-Wahl gedrängt wurde. Die weitere Geschichte ist wohl bekannt, klarer Sieg in Runde eins, dann das epische Stichwahl-Duell gegen Alexander Van der Bellen, der ihm im dritten Anlauf doch noch den Weg in die Präsidentschaftskanzlei versperrte.
Staatsoberhaupt ist eine Position, die Hofer sichtlich auf seinen Leib geschneidert sieht. Als Dritter Nationalratspräsident war er über alle Parteigrenzen anerkannt, obwohl der Fan des umstrittenen Malers Odin Wiesinger einer der Chefideologen der FPÖ und keinesfalls deren liberalerem Lager zuzuordnen ist. Aber Hofer ist freundlich, offen und vermag es, eine gewisse Objektivität und Seriosität auszustrahlen.
So agierte er auch als Infrastrukturminister und Regierungskoordinator von Türkis-Blau. Niemand färbte sanfter und mit weniger Aufsehen um. Kritik an seiner Amtsführung gab es kaum und das obwohl er weit rechts stehendes Personal ins Ressort mitbrachte. Sein Weg zur neuerlichen Hofburg-Kandidatur schien geebnet.
Doch dann kam Ibiza
Doch dann kam Ibiza und der eher biedere Hofer war die perfekte Gegenerzählung zum gefallenen Lebemann Strache, der ihm freilich mit diversen emotionalen Eruptionen das Leben weiter schwer machte. Es wäre aber nicht Hofer gewesen, hätte er nicht zumindest fürs erste eine Lösung hergestellt, mit der bis zur Wahl alle leben hätten können, wäre nicht auch noch der Spesenskandal hochgepoppt - konkret die Kandidatur Philippa Straches, die das geschrumpfte Familieneinkommen wieder aufpeppen soll.
Dass Hofer nicht nur der schmeichelweiche Dauerlächler ist, hat er freilich schon des öfteren bewiesen, weshalb ihm manche das Image des "Wolf im Schafpelz" umhängen. Parteiausschlüsse bei den Freiheitlichen exekutierte er, der bereits mit 23 Stadtparteiobmann in Eisenstadt war, schon immer beinhart, erst zuletzt wieder beim niederösterreichischen Klubchef, der meinte, zu Hitlers Geburtstag Grüße ausrichten zu müssen. Und mit seinem "Sie werden schon noch sehen, was alles möglich ist", verbaute er sich wohl im letzten Moment selbst den Weg zum höchsten Amt im Staat.
Daran braucht er zumindest fürs erste keine großen Gedanken verschwenden. Jetzt gilt es in der FPÖ, die Ära Strache möglichst rasch und (politisch) blutarm abzuschließen und die Koalitionsbraut für VP-Chef Sebastian Kurz hübsch zu machen. Sollte es dagegen in die Opposition gehen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass der angriffige Herbert Kickl zur Speerspitze der Freiheitlichen aufrückt. Dann dürfte es sich Hofer neuerlich im Nationalratspräsidium bequem machen und wieder seinen Hofburg-Traum aufnehmen.
Zur Person: Norbert Hofer, geboren am 2. März 1971, in zweiter Ehe verheiratet, Vater von vier Kindern, gelernter Flugzeugtechniker, 1995 Stadtparteiobmann von Eisenstadt, 1996 Landesparteisekretär im Burgenland, 1997 Gemeinderat in Eisenstadt, 2005 stv. Bundesparteiobmann, seit 2006 Nationalratsabgeordneter und FPÖ-Behindertensprecher, ab Oktober 2013 Dritter Nationalratspräsident, 2017 bis 2019 Infrastrukturminister (und Regierungskoordinator), seit Mai 2019 designierter FPÖ-Bundesparteiobmann, seit September gewählter Parteichef.