"Ich bin bereit, bist Du es auch?", fragte Pamela Rendi-Wagner in ihrer Wahlwerbung und der Wahlabend hat die Antwort geliefert: eher nicht. Die Quereinsteigerin hat sich mit ihrem Versuch, die SPÖ wieder zur Kanzlerpartei zu machen, überfordert. Das historisch schlechteste Abschneiden der Sozialdemokraten liegt nicht nur, aber auch an der glücklosen Spitzenkandidatin.
Dabei bringt die Mutter von zwei Töchtern im Teenager-Alter so einiges mit, was für ihre Position eigentlich von Vorteil ist. Als Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit war sie etliche Jahre ganz nah an der Regierungspolitik dran, später lenkte sie selbst für einige Monate das Gesundheitsressort, drückte schon vor Amtsantritt die Abgeordnetenbank, hat sich aus finanzschwachen Verhältnissen hoch gearbeitet, ist eloquent, attraktiv und Ärztin, was in Österreich wie auch anderswo im Normalfall einen Vertrauensvorschuss des Volks mit sich bringt.
Ungeschickte Personalpolitik
Dennoch wollte es nach einigermaßen geglücktem Start im Gesundheitsministerium an der Parteispitze von Anfang nicht so recht laufen und das lag nicht nur daran, dass mit der Wiener und der burgenländischen SPÖ zwei der mächtigsten Teilorganisationen rasch klar machten, dass sie die Kür der Quereinsteigerin zur ersten weiblichen Parteivorsitzenden nicht für der Weisheit letzten Schluss hielten. Wenig hilfreich war etwa eine ungeschickte Personalpolitik, speziell die Ablöse des beliebten Parteimanagers Max Lercher durch Thomas Drozda, der wie Rendi-Wagner selbst zur Salon-Sektion der Partei gerechnet wird.
Ihre angebliche Herkunft
Dabei wurde die rote Frontfrau eigentlich seit Amtsantritt nicht müde, ihre Herkunft aus dem Arbeiterbezirk Favoriten zu betonen, wo sie mit ihrer alleinerziehenden Mutter übrigens mit Geburtsnamen Joy in der Per-Albin-Hansson-Gemeindebau-Siedlung aufwuchs. Freilich, heute ist das weit weg, sie muss sich dafür verteidigen, ihre Kinder in eine private Eliteschule zu schicken und ihr Urlaub führte sie nicht nur - wie gerne betont - volksnah an die italienische Adria sondern auch - verschämt verschwiegen - ins mondäne St. Tropez.
In der Schule war sie nach eigenem Bekunden eine kleine Streberin, nicht einmal zu spät kam sie, berichtete Rendi-Wagner zuletzt in einer der "Elefantenrunden". Diese Eigenart, die ihr bei der Karriere als Tropenmedizinerin, die sie an der Seite ihres Mannes, des Diplomaten Michael Rendi, auch nach Israel als Gastprofessorin an die Uni Tel Aviv führte, sollte sich in der Politik eher als Nachteil erweisen.
Rendi-Wagner, die bei Amtsantritt als SPÖ-Chefin der Partei gerade einmal ein Jahr angehörte, hatte viel zu lernen und lernte. Doch hatte dies die Folge, dass viele ihrer Auftritte einstudiert wirkten, die Bewegungen oft nervös bis fahrig, die parteiintern viel gepriesene Natürlichkeit der Kandidatin blieb nicht selten hinter der Maske der übercoachten Spitzenkandidatin versteckt. Ob es eine strategische Meisterleistung war, Sebastian Kurz vom Nationalrat abwählen zu lassen, ist spätestens seit dem Wählervotum vom heutigen Sonntag auch hinterfragenswert.
Letztendlich scheiterte jedenfalls ihr angesichts der Umfragen ohnehin ambitionierter Versuch, in eine Duell-Situation mit dem VP-Obmann zu kommen. Hilfreich beim Schielen in Richtung eines roten Regierungscomebacks war der Schlagabtausch mit dem Alt- und Wohlbaldwieder-Kanzler kaum. Dabei wäre ein Eintritt in ein Kabinett wohl zumindest fürs erste die politische Überlebensgarantie für Rendi-Wagner. Geht es wieder auf die harte Oppositionsbank, wird wohl die ein oder andere Stimme laut werden, die nach bodenständigeren Persönlichkeiten an der Parteispitze ruft. Auf eines kann man sich bei der disziplinierten Parteichefin verlassen. Sollte sie selbst wieder ihre medizinische Karriere aufnehmen wollen, wozu sich sicherlich attraktive Gelegenheiten ergeben würden, wird sie die Partei anders als ihr Vorgänger und vormaliger Förderer Christian Kern sicher nicht im Chaos zurück lassen.
Zur Person: Joy Pamela Rendi-Wagner, geboren am 7. Mai 1971 in Wien, verheiratet mit dem Diplomaten Michael Rendi, zwei Töchter, 1996 Promotion an der Medizinischen Universität Wien, Facharztausbildung in London, wissenschaftliche Arbeit am Institut für Tropenmedizin der Med-Uni Wien, 2008 Habilitation, Gastprofessur an der Universität Tel Aviv, ab 1. März 2011 Sektionschefin und Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, ab 8. März 2017 Gesundheits- und Frauenministerin, seit der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ Abgeordnete zum Nationalrat und Gesundheitssprecherin der SPÖ. Seit 25. September 2018 Vorsitzende der SPÖ, zunächst geschäftsführend.
Was davor geschah
Die SPÖ war am Sonntagnachmittag kurz vor der ersten Hochrechnung zur Nationalratswahl bemüht, gute Stimmung zu verbreiten. In der Parteizentrale fanden sich zahlreiche Medienvertreter ein, beim Festzelt davor wurden noch eifrig letzte Vorbereitungen getroffen. Erste Anhänger warteten bereits auf den Einlass, um sich einen guten Platz für die Feierlichkeiten am Abend zu sichern.
Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner verschwand in ihrem Büro, auch sonst zeigte sich wenig Polit-Prominenz. Einzig SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried äußerte sich - wenn auch sehr zurückhaltend. "Warten wir mal die Hochrechnungen ab, im Moment lässt sich noch nicht viel sagen", sagte er. Die Stimmung in den letzten Tagen sei aber gut gewesen, merkte er auf seinem Weg Richtung Wahlzentrale in der Hofburg an.
Und Astrophysiker Werner Gruber wagt prozentetechnisch nicht den Blick in die Sterne: "Die Sterne haben noch nie die Zukunft Österreich vorausgesagt."