Sie waren bis 2015 im FPÖ-Bundesparteivorstand, im Präsidium und auch selbst Rechnungsprüfer. Was sagen Sie zur Spesenaffäre rund um HC Strache?
Gerhard Kurzmann: Ich habe schon davor in der Ära von Jörg Haider erlebt, dass vieles, was erst später aufgekommen ist, einfach nicht sauber war im Sinne einer politischen Ethik. Es ist zum Teil ein Selbstbedienungsladen gewesen, wo Spitzenpolitiker mit Steuergeld Ausflüge bezahlt und sich Kleidung gekauft haben. Haider war zu Beginn in Ordnung. Aber irgendwann hat er seinen Weg verlassen. Macht und Geld korrumpieren. Und Leute, die mit Idealismus anfangen, sind nicht gefeit davor, dass sie nach fünf, sechs Jahren sich verändern und anders denken und dann vielleicht auch korrupt werden.
Ab wann waren bei Strache Tendenzen erkennbar, dass er die Partei für sein eigenes Wohlleben benützt?
KURZMANN: Wenn man es hören wollte, hat es immer wieder Gerüchte gegeben. Nur tut man sich als Parteiobmann einer anderen Landesgruppe schwer, zu Gerüchten Stellung zu nehmen.
Aber Sie hat das immer schon gestört?
KURZMANN: Mich stört das massiv, weil ich überzeugt davon bin, dass Politiker genug verdienen. Jeder Politiker hat ja neben seinem Bezug auch noch eine Ausgabenpauschale. Das sind keine kleinen Beträge, und damit muss man auskommen. Ich finde es schlimm, wenn jemand dann noch in Parteikassen hineingreift.
Manche sagen, na ja, seine Anzüge hat Strache ja dienstlich gebraucht.
KURZMANN: Jeder Arbeiter muss sich sein Gewand auf seine eigenen Kosten kaufen. Die Privilegien der Politiker sind ohnedies groß genug. Also, da fehlt mir wirklich jedes Verständnis, wenn jemand dann noch in Parteikassen hineingreift und sich auf Kosten der Allgemeinheit und auch der eigenen Gesinnungsgemeinschaft ein Luxusleben leistet. Das finde ich unverschämt der Bevölkerung und dem Steuerzahler gegenüber. Da bin ich vielleicht anders als andere.
Wurde das im Bundesparteipräsidium jemals zum Thema gemacht?
KURZMANN: Das war nie Thema einer offiziellen Sitzung, sondern wenn darüber gesprochen wurde, dann war das informell in den Couloirs des Parlaments. Offiziell hat es diese Dinge meines Wissens nicht gegeben. Aber ich war nur bis 2015 in diesen Führungsgremien.
Hatten Sie in dieser Zeit Gelegenheit, einmal mit Strache selbst über diese Gerüchte zu reden?
KURZMANN: Nein.
Warum kann man in so einer Situation nicht zu ihm hingehen und sagen: Du pass' auf, da braut sich was zusammen?
KURZMANN: So etwas hätte ich den Jörg Haider fragen können, mit dem ich sehr eng war. Mit HC Strache hatte ich nie so ein enges Verhältnis. Er war Wiener Landesparteiobmann, ich war steirischer Landesparteiobmann. Ganz ehrlich: Da fragt man solche Dinge nicht, das ist nicht üblich. Sondern jede Landespartei regelt das selbst. Und bei uns in der Steiermark gab es solche Dinge nicht.
Sind Sie enttäuscht von Strache?
KURZMANN: Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre ich sehr enttäuscht. Er selbst sagt ja, das sei eine Intrige. Wenn es anders sein sollte, dann werden natürlich schon die Mittel des Rechtsstaates zur Wahrheitsfindung dienen müssen.
Muss sich die FPÖ künftig ein scharfes Regulativ geben, auf das sich alle verpflichten müssen?
KURZMANN: Ganz offen: So etwas wird wahrscheinlich politisch nicht durchsetzbar sein. Politische Parteien werden nicht geprüft. Das ist eines der Haupthindernisse. Das führt auch dazu, dass Sie als Rechnungsprüfer immer nur das sehen, was an offizieller Buchhaltung da ist. Aber das, was unter Jörg Haider der „Reptilienfonds“ war, wovon Riess-Passer ihre Kleider gekauft hat oder wovon diverse Ausflüge finanziert wurden, das kann ein ordentlicher Rechnungsprüfer gar nicht sehen. Dem wird ja nur ein bestimmter Bereich zum Prüfen übergeben, und der stimmt auf Heller und Pfennig. Ich bin aber überzeugt, dass das ein Grundproblem aller politischen Parteien ist, dass es überall so etwas wie Extra-Fonds gibt, wo dann bestimmte Dinge rausgezahlt werden. Dort müsste man ansetzen, um die Kontrolle zu verbessern.
Ein Rechnungsprüfer, der die Vorlage aller Konten verlangt, könnte sich vermutlich nicht lange seiner Funktion erfreuen.
KURZMANN: Sie können es verlangen, aber es wird Ihnen das niemand vorlegen. Und Sie haben ja keinerlei Befugnisse, sich irgendwo mit Gewalt Einsicht in Konten zu verschaffen. Sie haben ja nicht einmal die Möglichkeit, nachzufragen, ob es irgendwo ein zweites oder drittes Konto gibt. Das sind die Probleme.
Befürchten Sie einen Schaden bei der Wahl für die FPÖ?
KURZMANN: Wenn sich die Vorwürfe erhärten sollten, dann wird sich das auswirken.
Das wird man in den wenigen Tagen nicht klären können.
KURZMANN: Das wird sich eher auf Wien auswirken. Der Bundes-FPÖ ist es ja durch den letzten Parteitag ganz gut gelungen, schon eine neue Linie einzuschlagen.
Immerhin gab es trotz Ibiza-Video bei der Europawahl 40.000 Vorzugsstimmen für Strache.
KURZMANN: Ich glaube, dass diese 40.000 Leute einfach nicht geglaubt haben, dass das so ist. Die werden gedacht haben, dass das eine Desinformationskampagne des politischen Gegners ist. Ich glaube nicht, dass diese 40.000 Menschen so sind, dass sie Unsauberkeiten unterstützen. Das kann ich mir nicht vorstellen.
Überrascht Sie, dass offenbar ein Mann aus den eigenen Reihen einen Rachefeldzug führt?
KURZMANN: Man kann in keinen Mitarbeiter hineinschauen. Ich weiß nicht, welche Motive der Mann hat, ich kenne ihn nicht.
Ein Problem könnte auch sein, dass auf Parteitagen Kritik unterbleibt, weil immer Jubelzwang herrscht.
KURZMANN: Wir leben in einem Zeitalter, wo alles inszeniert wird. Jeder Funktionär, der einen Wahlerfolg seiner eigenen Gruppierung wünscht, ordnet sich dem unter – auch, wenn er Bedenken gegen den einen oder anderen Kandidaten hat. Aber es muss eben als Jubelparteitag inszeniert werden, weil sonst heißt es, wie stark ist der neue Obmann überhaupt.
Man hat den Eindruck, in der FPÖ nützt man die kurze Zeit, wo man in Regierungen ist, um besonders intensiv zuzugreifen.
KURZMANN: Diesen Eindruck habe ich nicht. Wenn ich mir anschaue, was in den Medien über die Finanzierung der ÖVP berichtet wird, dann habe ich den Eindruck, dass das dort vielleicht nur geschickter verschleiert wird. Aber Sie haben recht, dass Parteien, die lange von Regierungsbeteiligungen ausgeschlossen waren, einen gewissen Nachholbedarf haben. Funktionäre, die jahrelang gelaufen sind, wollen dann eben auch einmal Nutznießer einer Regierungsbeteiligung werden.