An die 11.000 Euro gibt der österreichische Steuerzahler jedes Jahr für einen Volksschüler aus, rund 14.000 Euro für Schüler der weiterführenden Schulen. Viel Geld – in einem Vergleich der Industrieländer-Organisation OECD von 2015 liegt Österreich damit am dritten Platz unter den europäischen Staaten, geschlagen nur von Luxemburg und Norwegen. Spitzenreiter beim Vergleich der Bildungsergebnisse wie Finnland und Estland geben deutlich weniger pro Schüler aus, während Österreich mit hohem Einsatz eher durchschnittliche Ergebnisse erzielt.
In den vergangenen Jahren haben viele formale Fragen die Schuldebatte dominiert: Die Einführung der Zentralmatura (noch unter der rot-schwarzen Koalition) etwa, die AHS und andere höhere Schulen miteinander vergleichbar machen würde – die Ergebnisse bleiben allerdings geheim.
Auch die gescheiterte türkis-blaue Koalition drehte an kleineren Schrauben: An Volksschulen, in denen zuletzt häufig nur noch verbal beurteilt wurde, erleben die Ziffernnoten ein Comeback: Ab der zweiten Klasse stehen sie ab jetzt wieder verpflichtend im Zeugnis, ab der dritten Klasse kann man auch wieder sitzen bleiben.
Die bisher Neuen Mittelschulen wurden unter ÖVP-Minister Heinz Faßmann alt und heißen nunmehr nur noch Mittelschulen, ein Comeback erleben dort die Leistungsgruppen.
Eine besonders umstrittene Neuerung der letzten Regierung war die Einführung von Deutschklassen für Kinder, die dem Unterricht nicht folgen können, einem Kopftuchverbot in der Volksschule und schärferen Strafen für Schwänzer.
In der nächsten Legislaturperiode könnte sich Bildungspolitik vor allem um ein Thema drehen: Die sogenannten Problemschulen spielen in den Vorschlägen mehrerer Parteien eine zentrale Rolle.
Gemeint sind damit Schulen vor allem in den Städten, an denen verschärfte Bedingungen für Lehrer herrschen, weil etwa ein Großteil der Schüler nicht deutsch spricht. In Wien etwa liegt der Anteil der Kinder, die zu Hause nicht deutsch sprechen, bei über 50 Prozent (in ganz Österreich sind es rund 25 Prozent).
Und gerade dabei, solche Kinder nicht zu verlieren, hinkt Österreich hinterher: In keinem anderen EU-Land ist die Kluft zwischen dem Anteil von Schulabbrechern mit inländischen Eltern (vier Prozent der Jugendlichen) und ausländischen (14 Prozent) so groß wie hier, kritisiert der Thinktank Agenda Austria.
Wir haben die Parteien nach ihren Plänen für die nächste Legislaturperiode gefragt:
ÖVP: Pflicht zur Bildung
„Bildung schafft die Voraussetzungen, dass alle Menschen in Österreich ihre Talente entfalten, einen Beitrag leisten und ein selbstbestimmtes Leben führen können“, heißt es aus der ÖVP. Unter dem Titel „Beste Bildung für alle“ verspricht die Volkspartei die „Digitalisierung des Unterrichts“, 5000 neue IT-Ausbildungsplätze, eine „Bildungspflicht“ – „kein Schüler soll das Schulsystem ohne ausreichende Grundkenntnisse verlassen“ – sowie eine Stärkung der Lehrer „als Grundpfeiler des Bildungssystems“. Außerdem will die ÖVP bessere Bedingungen für Hochschulen und Forschung.
SPÖ: Mittel besser verteilen
„Jedes Kind soll die gleichen Chancen haben, egal wie arm oder reich seine Eltern sind“, schreibt die SPÖ. Der Weg dazu: ein „Chancenindex“, durch den finanzielle Ressourcen an jenen Schulen eingesetzt werden, an denen sie am meisten gebraucht werden. Wieder auf dem Programm steht die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen, einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr zu ermöglichen sowie ein zweites verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr. Bis 2025 soll jede Familie ein ganztägiges Betreuungsangebot im Umkreis von 20 Kilometern vorfinden.
FPÖ: Deutsch vor Schule
Für die Freiheitlichen steht auch die Bildungsfrage unter ihrem Lieblingsthema Integration/Migration. „Das Beherrschen der deutschen Unterrichtssprache ist Voraussetzung für die Teilnahme am Regelunterricht an öffentlichen Schulen in Österreich“, heißt es im Grundsatzprogramm der FPÖ. Eine neuere Position findet sich im Wahlprogramm zur Nationalratswahl am Sonntag nicht – allerdings hat Parteichef Norbert Hofer mehrfach darauf verwiesen, das bisherige Regierungsprogramm, wo unter anderem mehr Stützpersonal vorgesehen war, weiter abarbeiten zu wollen.
Neos: Mittlere Reife
„0 Prozent Jugendliche, die die Schule verlassen, ohne lesen, schreiben und rechnen zu können“, wollen die Neos erreichen, die Bildung den umfangreichsten Teil aller Programme gewidmet haben. Unter anderem fordern sie die Einführung der Mittleren Reife für alle, bei der die erworbenen Kompetenzen zählen sollen. „Damit ersetzen wir ein bloßes Zeugnis durch eine echte Bestandsaufnahme, die Orientierung für das weitere Leben ermöglicht und jungen Menschen ihre Chancen und Potenziale vor Augen hält.“ Außerdem muss bereits der Kindergarten Teil eines ganzheitlichen Bildungskonzepts sein.
Jetzt: Recht auf Platz
Jetzt will flächendeckend Ganztagsschulen mit individueller Förderung einführen – als gemeinsame Schule der 5- bis 15-Jährigen. Pädagogische Berufe sollen durch bessere Bezahlung und kleinere Klassen attraktiver werden. Ferner will die Partei nichtkonfessionelle Privatschulen mit öffentlichen Schulen gleichstellen, die Deutschklassen wieder abschaffen und sie durch mehr Sprachförderung ersetzen. Es soll einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Lebensjahr geben – und bundesweite Standards für diese Plätze.
Grüne: "Kein Kind zurücklassen"
„Wir stehen für ein Bildungssystem, das kein Kind und keinen Jugendlichen zurücklässt“, heißt es in der Antwort der Grünen. Sie versprechen unter anderem bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen für Kinderbetreuung sowie einen Ausbau derselben. Dazu soll ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr kommen. In der Schule soll die Autonomie einzelner Standorte gestärkt werden, ein transparenter Chancenindex soll nach Vorstellung der Grünen Finanzen dorthin verteilen, wo sie am meisten gebraucht werden.
Georg Renner