Landflucht, Überalterung, schlechte Zug- und Internetverbindungen, geschlossene Schulen, Platzverbrauch und so weiter: Die Liste der Herausforderungen, vor denen der ländliche Raum steht, ist lang - und sie hängen alle zusammen.
Rund zwei Drittel von Österreichs Bevölkerung leben auf dem Land (wobei die genaue Definition davon, was „auf dem Land“ heißt, auch unter Statistikern unterschiedlich ausgelegt wird), gut 90 Prozent des Staatsgebiets zählen als ländlicher Raum.
2017 wurde gemeinsam von dem damaligen Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (beide ÖVP, beide nicht mehr im Amt) der „Masterplan für den ländlichen Raum“ verabschiedet, der mit einer Problemstellung beginnt: „Die demografische Entwicklung Österreichs ist von einem starken Wachstum der großen Städte bei gleichzeitiger Bevölkerungsabnahme in peripheren ländlichen Regionen gekennzeichnet. Der ländliche Raum verliert jährlich mehr als 5.000 gut ausgebildete Personen allein an den Großraum Wien. Bei Fortsetzung dieser Entwicklung würde dies in den nächsten 10 Jahren einen Brain-Drift von über 50.000 Menschen bedeuten.“
Kommentar von Antonia Gössinger
Aus dieser Analyse folgen 20 Schwerpunkte, denen sich die Republik seither widmen sollte, um das Leben und Arbeiten am Land attraktiver (bzw. überhaupt erst möglich) zu machen - und den Brain-Drain Richtung Stadt zu stoppen. Neben vielen unverbindlichen Verpflichtungen, für die jeweils Bund, Länder und Gemeinden in unterschiedlichem Ausmaß zuständig sind - Ausbau von Kinderbetreuung, öffentlichem Verkehr, Breitband-Internet usw. - findet sich ganz am Anfang des „Masterplans“ auch eine konkrete Maßnahme: die Übersiedlung von Bundesbehörden von Wien in den ländlichen Raum. Einziger Anwendungsfall bisher: Die Übersiedlung des Umweltbundesamts von Wien ins nur geringfügig weniger urbane Klosterneuburg, direkt nebenan.
Wir haben die Parteien gefragt, was sie für den ländlichen Raum planen.
ÖVP: Elf Punkte fürs Land
„Der ländliche Raum ist unsere Zukunft“, heißt es in der Antwort der ÖVP. Sie hat einen Elf-Punkte-Plan für den ländlichen Raum aufgestellt:
1. Neugestaltung/ Ökologisierung des Pendlerpauschale
2. Keine neuen CO2-Steuern
3. Flächendeckende Versorgung mit Elektro- und Wasserstoff-Tankstellen
4. Ausbau öffentlicher Nahverkehr
5. Österreichweite Abdeckung von schnellem Breitband-Internet und Forcierung 5G
6. Flächendeckende qualitative Gesundheitsversorgung
7. Ausbau von Bürogemeinschaften und Telearbeit
8. Verlagerung von Verwaltungstätigkeiten in die Regionen
9. Kulturinitiativen auch in den Regionen fördern
10. Ehrenamt als wichtige Säule für die Gesellschaft stärken
11. Ausbau der Kinderbetreuung in Gemeinden/Regionen.
SPÖ: Arzt und Bahn und Schulen
Ein Paket für Menschen am Land hat auch die SPÖ geschnürt. „Die Menschen im ländlichen Raum müssen die gleichen guten Chancen vorfinden wie die Menschen in den Städten“, so Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. Konkret sind es drei Punkte, die die Sozialdemokratie verspricht.
1. Ärztemangel stoppen, wohnortnahe und hochwertige medizinische Versorgung sicherstellen - unter anderem durch mehr Kassenverträge
2.Kindergärten und Ganztagsschulen ausbauen: „Jede Familie soll im Umkreis von 20 Kilometern eine Schule mit ganztägiger Betreuung vorfinden.“
3. Ausbau des öffentlichen Verkehrs, SPÖ-Klimaticket und SPÖ-Klimabonus
FPÖ: Funk für Jobs
Um Landflucht entgegenzuwirken und den ländlichen Raum zu stärken, setzt die FPÖ auf Anfrage der Kleinen Zeitung vor allem auf den Ausbau der Infrastruktur - vor allem im digitalen Bereich. „Damit der ländliche Raum auch als Platz für die Wirtschaft attraktiver wird“, heißt es aus der Partei. In der Diskussion der Spitzenkandidaten der Bundesländer-Zeitungen hatte FPÖ-Chef Norbert Hofer in diesem Bereich vor allem auf die 5G-Mobilfunktechnologie gebaut, die schnellste Datenübertragung auch im schwach besiedelten Bereich ermöglichen soll. Würde solche Infrastruktur geschaffen, müssten weniger Leute abwandern, „weil sie eine Chance auf Jobs vor Ort haben“, so die FPÖ.
Neos: Impulse geben
„Wir wollen insbesondere durch Infrastruktur-Impulse Verbesserungen erreichen, sowohl beim Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel als auch der digitalen Infrastruktur“, so die Neos. Außerdem müsse „Innovation gefördert“ werden und Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und Primärversorgungseinheiten „breit ausgebaut“ werden.
Regionale Kompetenz-Cluster (oft rund um Universitäten oder Fachhochschulen) sollen die klein strukturierte Wirtschaft mit der Forschung verzahnen. Zuletzt sollen Länder und Gemeinden Steuerhoheit bekommen, fordern die Neos: „Länder und Gemeinden gewinnen dadurch an Spielraum, denn sie können selbst entscheiden - bis zu einer Obergrenze - lokale Steuern einzuheben.“ Diese Einnahmen sollen den intransparenten Finanzausgleich ersetzen.
Grüne: Raum und Ordnung
Die Grünen zitieren gleich mehrere Punkte aus ihrem Wahlprogramm: Einerseits wollen sie „ Raumordnungsinstrumente weiterentwickeln“ - unter anderem sollen Klimaschutz und Flächenverbrauch in der Raumordnung gesetzlich verankert werden.
Leerstandsbewirtschaftung in Orts- und Stadtkernen „z. B. durch Crowdworking-Konzepte und Raum für Einpersonenunternehmen“ soll die Revitalisierung verlassener Gebäude fördern, zugunsten der Klein- und Mittelbetriebe sollen Fördersysteme, die bäuerlichen Sozialversicherung und bürokratischen Auflagen in Bezug auf Hygiene, Etikettierung und Aufzeichnungspflichten überarbeitet werden.
Jetzt: Fördern, fördern
Auch Jetzt hat auf Anfrage eine Liste an Maßnahmen übermittelt:
1. Durch Kleinprojekte den sozialen Zusammenhalt im Dorf stärken
2. Ausbau öffentlicher Verkehr
3. Ausbau von Ganztagsschulen und Kinderbetreuungsplätzen
4. Ausbau des Breitbandangebots
5. Polizeiposten wieder eröffnen.
6. Förderung von lokalen KMU
7. Erneuerbare Energien im ländlichen Raum fördern.
8. Einbindung lokaler Akteure in ländliche Entwicklungsprojekte
9. Klein- und Biobauern durch Reform der landwirtschaftlichen Förderungen stärken.
10. Ab-Hof-Verkauf von Lebensmitteln fördern und diesbezügliche bürokratische Hürden abbauen.
Georg Renner