Sebastian Kurzmag Kontrolle, er will Herr sein über das eigene Narrativ. Als einziger Kandidat fragt er vor Start der Podcast-Aufnahme nach bevorstehenden Fragen, mittendrin bricht er ab und will wissen, in welche Richtung es nun geht. In seiner Freizeit setzt Kurz auf die Kontrolle seines Körpers – Sport im Fitnessstudio und Bergsteigen gehören zu seinen Hobbys.
Kann er auch manchmal gar nichts machen? „Extrem gern, aber leider viel zu selten.“ Dann liege er auf der Couch oder im Bett. „Manche stellen sich vor, dass Politiker ein anderes Leben führen“, erzählt er während der Fahrt von Wien nach Linz. „Die Wahrheit ist: Sobald man privat ist, macht man genau das Gleiche wie alle anderen auch.“ Daheim trägt Kurz gerne Jogginghose. „Wer glaubt, dass ich daheim im Anzug herumrenn’, der irrt.“
"Das kann ich natürlich nicht beantworten"
Couch und Bett teilt sich Kurz mit seiner langjährigen Freundin Susanne Thier, die er mit 18 kennengelernt hat. Zur Beziehung zu ihr möchte er aber nichts sagen, stellt Kurz bereits kurz nach Abfahrt aus Wien und vor Beginn der Aufzeichnung klar. Thier, die im Finanzministerium tätig ist, scheut das Rampenlicht – und Kurz deshalb Fragen über sie. Ebenso wie Fragen zu möglichen Koalitionsvarianten. „Das kann ich Ihnen natürlich nicht beantworten“, sagt er kurz nach Überqueren der niederösterreichischen Grenze.
Und er warnt bei dieser Gelegenheit erneut vor einer Regierungsbildung an dem möglichen Wahlsieger ÖVP vorbei. Auch auf das Gedankenspiel „Koalitionswahl in einer idealen Welt“ will er sich nicht einlassen. Nur so viel: „In einer idealen Welt gibt es natürlich die Möglichkeit, alleine zu regieren und 100 Prozent der eigenen Ideen umsetzen zu können.“
"Mit Peter Pilz tue ich mir schwer"
Für das Werben für diese Ideen und das Setzen von Themen hat Kurz ein außergewöhnlich gutes Gespür. Von kleinen – und schon damals seltenen – Öffentlichkeitspannen wie dem „Geilomobil“ ist der Politiker heute kilometerweit entfernt. Mit Kurz’ Übernahme der ÖVP ging die Einrichtung einer hochprofessionellen Kommunikationsstrategie einher, der sich sogar der für stilles Verhalten nicht gerade bekannte Koalitionspartner FPÖ gefügt hatte. Ausgeschert ist dabei nur Ex-Innenminister Herbert Kickl, dem Kurz heute auf der Straße „natürlich die Hand geben“ würde.
„Ich habe mit allen Spitzenpolitikern eine ordentliche Gesprächsbasis“, bekräftigt er im Gespräch. „Der Einzige, mit dem ich mir wirklich schwer tue, ist Peter Pilz.“ Dieser beschädige mit „seinem ständigen Skandalisieren“ das „Ansehen der Politik in Summe“.
Dass er einmal Spitzenpolitiker sein würde, habe er so nie geplant, betont Kurz gerne in Interviews. Und manchmal erzählt er dabei auch die Geschichte, als er bei der Jungen ÖVP in seinem Heimatbezirk Meidling angeklopfte, um sich dort einzubringen. Doch er wurde weggeschickt. Niemand wusste, was man mit einem Schüler anfangen soll. Eine Anekdote, die zeigen soll: Kurz ist nicht wegen Gehalt und Prestige in die Politik gegangen, sondern aus Überzeugung und Liebe zu christlich-sozialen Themen.
Während seiner Tätigkeit als Kanzler kann er sich dennoch an keinen besonderen Moment erinnern, der ihm ewig im Gedächtnis bleiben wird. „Da die Arbeit eine so herausfordernde und stressige und die Verantwortung eine so große ist, ist es eher so, dass ich die Verantwortung spüre und ständig darüber nachdenke, ob man etwas besser machen kann“, erklärt Kurz und blickt für einen Moment aus dem Fenster. „Und ich denke auch oft daran, was morgen auf uns zukommt.“
Dass dieses „morgen“ für Kurz meistens ein Aufstehen in den frühen Morgenstunden mit sich bringt, findet er nicht gut, wie er während der Fahrt gesteht. „Deshalb rette ich jede Minute, die ich in der Früh habe, um länger zu schlafen.“ Im Bad brauche er deshalb nie besonders lange, auch Pflegeprodukte verwende er nicht. Das Geheimnis seiner Frisur, die inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden ist, erklärt der Ex-Kanzler pragmatisch: „Es geht recht schnell und es fällt mir auch nichts Besseres ein.“
Ein Luxus, den Kurz genießen kann, ist Zeit, sagt er. „Mit der Familie, mit der Freundin, mit Freunden – und das Handy für zwei Stunden auf lautlos schalten.“ Zeit fürs Zugfahren bleibt ihm wenig, die meisten Termine absolviert er mit dem Auto. An seine erste Zugfahrt kann sich Kurz nicht mehr erinnern. „Ich schätze, die war schon in meinem ersten Lebensjahr. Mich daran erinnern zu können, wäre ein bisschen überirdisch.“