Der Begriff Spaltpilz mag ein platter Wortwitz mit dem Namen des 65-Jährigen sein, doch für Peter Pilz könnte er kaum passender sein. Fans feiern ihn als Aufdecker, Kritiker bezeichnen ihn als Egomanen mit spitzer Zunge. Kritik, die Pilz durchaus nachvollziehen kann, wie er im Zug erzählt. „Viele haben mich schon gefragt, ob ich über die Existenz von Türen informiert bin, weil ich immer mit dem Kopf durch die Wand gehe.“
Das dürften sich auch viele Parteikollegen gefragt haben, als Pilz noch bei den Grünen war. Dort galt er als lautester Kritiker von Ex-Parteichefin Eva Glawischnig und fiel mehrfach mit populistischen Parolen auf. Als ihn seine Partei 2017 mit einem für ihn unwürdigen vierten Listenplatz straft, gründet er seine eigene – die „Liste Pilz“.
"Unvermeidliche" Trennung von den Grünen
Dieser Schritt sei „eine politische Trennung gewesen, die unvermeidlich war“, erzählt er heute. „Es war schade, dass das notwendig war, aber das ist damals nicht in die richtige Richtung gegangen.“ Angesprochen auf Umfragen, die Pilz einen Rauswurf aus dem Nationalrat prophezeien, gibt sich der Listengründer gelassen. Davor habe er „genau gar keine Angst“. „Das zweite Antreten ist das Schwierigste – nach den ganzen Kinderkrankheiten und sinnlosen Streitereien.“
Letztere hatten immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Martha Bißmann wurde 2018 aus dem Klub geworfen, nachdem sie ihr Mandat nicht für Pilz hatte räumen wollen. Im Sommer verkündeten fünf der sieben Abgeordneten ihren Abgang.
Vorwürfe der sexuellen Belästigung
Im Herbst 2017 stand Pilz selbst im Fokus der Kritik. Eine Ex- Mitarbeiterin erhob Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den Politiker, zudem wurde ein weiterer Vorfall bekannt. Wenig später verkündete der Parteichef seinen Rücktritt. Er müsse dazulernen im Umgang mit Frauen.
Heute, zwei Jahre und ein eingestelltes Verfahren später, sitzt Pilz wieder als Spitzenkandidat im Interview. Hat er doch nichts gelernt? „Mir war damals einfach wichtig, zu zeigen: Ich nehme auch falsche Vorwürfe ernst und ich wollte ein Zeichen des Respekts setzen.“ Zudem beklagt er eine neue „Verbotskultur“, die sich etabliere. „Wir müssen uns alle neu orientieren und unsere Freiheiten neu bestimmen und verteidigen.“ Aus der „MeToo“-Bewegung nehme er die Bedeutung von „noch mehr Sensibilität und Respekt“ mit.
"Kurz muss vor Hofer Angst haben"
Bei seinen politischen Mitbewerbern ist Pilz hingegen nicht gerade für Sensibilität bekannt. Vor allem ÖVP-Chef Sebastian Kurz bedachte der Steirer mit Bezeichnungen wie „Baby-Trump“, „Feigling“ und „Karl-Heinz Grasser, der statt an Geld an Macht interessiert ist“. Hat ihn Kurz deshalb je angerufen und angeschrien? Pilz winkt ab. „Wir tendieren beide nicht zum Schreien“, man habe einen normalen Umgang miteinander. Derzeit habe er sogar „ein bisschen Mitleid“ mit dem ehemaligen Kanzler. „Der muss ja derzeit Angst haben, dass hinter jeder Ecke der Norbert Hofer mit einem Verlobungsring und Rosensträußen steht“, sagt er und lacht kurz auf. „Das muss schrecklich sein.“
Pilz hat sich im Laufe seiner Karriere den Ruf des Aufdeckers erarbeitet. In Untersuchungsausschüssen wirkt er wie ein Fisch im Wasser, ist stets vorbereitet und wirft den Befragten medienwirksam Aktenseiten um die Ohren. In den Fällen Lucona, Eurofighter und Co. brachte er zahlreiche Vorgänge ans Tageslicht. Kritiker bemängeln jedoch, dass für viele der teils schweren Anschuldigungen die Beweise fehlen.
Flexibler Extremist?
Eine politische Einordnung des Steirers fällt ebenfalls schwer. In Verteilungsfragen vertritt er teils sehr linke Positionen, beim Thema politischer Islam sind diese weit rechts angesiedelt. Ist er schlicht ein flexibler Extremist?, lautet die Frage während der Zugfahrt. „Nein, ich bin ein rechter Linker und ein linker Rechter.“
Dass das Polit-Urgestein seit Jahren auf Poloshirts und Jeans setzt, habe keine modischen, sondern schlicht praktische Gründe. „Dann stehe ich in der Früh nicht vor dem Schrank und frage mich: Was zieh ich bloß an? Ich greife rein und nehme das Oberste, weil ich weiß, dass das darunter genau gleich ausschaut.“ So habe er sich „sicher Monate meines Lebens gespart“.
An seine erste Zugfahrt kann sich Pilz gut erinnern. „Das war mit der Schmalspurbahn von Kapfenberg nach Thörl. Und das Wunderbare damals war: Man konnte während der Fahrt aussteigen und Blumen pflücken und trotzdem rechtzeitig in den letzten Waggon einsteigen“, erinnert er sich. „Das haben wir auch immer gemacht, deshalb war die Strecke weitgehend blumenfrei.“