Bald nach dem Heiligendreikönigstag rief Norbert Hofer den Schreiber dieser Zeilen an. Damals machten Gerüchte die Runde, der Burgenländer könnte für die FPÖ bei der Bundespräsidentschaftswahl kandidieren. Der ehemalige blaue Klubdirektor und spätere Rechnungshofchef Josef Moser hatte bereits abgesagt. Parteichef Heinz-Christian Strache favorisierte Ursula Stenzel, gegen die Quereinsteigerin formierte sich intern Widerstand.

Er fühle sich sehr geehrt, so Hofer im Jänner 2016, dass man ihn ins Spiel bringe, doch er trete nicht an. Zum einen sei er zu jung für das Amt, er war damals 44, zum anderen laboriere er an den Folgen des Paragleiterunfalls. Um ein Haar hätte sein Leben im Rollstuhl geendet. Bald nach dem Anruf wurde der damalige Dritte Nationalratspräsident als Kandidat präsentiert.

Bis zum Auftauchen des verhängnisvollen Ibiza-Videos sah Hofers Lebensplanung dann wieder einmal anders aus. Abseits der Kameras plauderte er offen darüber, dass er sich beste Chancen für die Nachfolge Alexander Van der Bellens 2022 ausrechne. Sollten SPÖ oder ÖVP auf Doris Bures, Wolfgang Sobotka, Othmar Karas zurückgreifen, wäre das Rennen ohnehin gelaufen. Altgediente Großkoalitionäre würden, siehe Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer, als Apparatschiks empfunden und nicht gewählt.

Zum zweiten Mal muss Hofer seine Lebensplanung über den Haufen werfen. Morgen stellt sich der 48-jährige Ex-Infrastrukturminister beim blauen Parteitag in Graz der Wahl der 845 Delegierten, ein eindrucksvolles Ergebnis dürfte Hofer, der aus dem Innersten der Partei kommt, sicher sein. Zwei Wochen vor der Nationalratswahl werden die Freiheitlichen Einigkeit demonstrieren. Der blaue Chefideologe Andreas Mölzer spricht von einem „Zwang zur Geschlossenheit.“ Aber ist es nur eine Geschlossenheit nach außen? Nicht auch nach innen?

Stammwähler

Dass die FPÖ die Ibiza-Affäre erstaunlich gut verdaut hat und die von vielen erwartete Implosion des Dritten Lagers ausgeblieben ist, haben die EU-Wahlen gezeigt. „Die Freiheitlichen haben eine gefestigte Wählerschaft. Belohnt wird das stringente Auftreten, das die Partei seit Jahren prägt“, so Politikexperte Peter Hajek.

Die FPÖ kann auf eine Stammwählerschaft von rund 15 Prozent zurückgreifen. Hofer ist als Nummer eins unumstritten, von einer Alleinherrschaft kann aber keine Rede mehr sein. In Graz wird Herbert Kickl als Hofers Stellvertreter inthronisiert. Der Kärntner hat als Innenminister eine erstaunliche Karriere hingelegt, vom engsten Berater des ehemaligen Parteichefs, der als Nichtburschenschafter anfangs belächelt wurde, zum blauen Machtfaktor.

Mit seiner mitunter grenzgängerischen Law-and-Order-Politik hat Kickl die Hardcore-Anhänger im Sturm erobert. Beim politischen Aschermittwoch in Ried erhielt er den größten Applaus. Spätestens mit dem Rauswurf aus der Regierung durch Kurz genießt Kickl Märtyrerstatus.

Zwei-Marken-Strategie

Dass die Partei mit einer Doppelspitze, Hofer und Kickl, und einer Zwei-Marken-Strategie in die Wahl geht, ist nicht Ausfluss eines besonders gefinkelten Manövers, sondern dem innerparteilichen Machtgefüge geschuldet. Während der sanftmütig auftretende Hofer, den bei der Stichwahl 2016 immerhin 2,124 Millionen Österreicher angekreuzt haben, in breite Kreise ausstrahlt, bedient Kickl die blauen Stammtische. Die Plakatflächen vom Boden- bis zum Neusiedler See muss sich Hofer mit Kickl teilen.

Ruppiger könnte es nach der Wahl werden, wenn die Frage ansteht, ob die FPÖ wieder in die Regierung geht (und wenn ja, zu welchem Preis? Mit oder ohne Kickl?) oder ob sie sich in der Opposition regeneriert. Sollte nach der Wahl eine Neuauflage von Türkis-Blau mit Sebastian Kurz im Raum stehen, will dieser Kickl kein Ministeramt anbieten. Im ORF-Duell gab Kurz seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich das Hofer-Lager durchsetzt, nicht das Kickl-Lager.

Hofer lavierte in den letzten Tagen herum, wie er es mit Kickl als Minister halte, ob er bereit sei, dem Kurz-Wunsch zu entsprechen und Kickl zu opfern, um Türkis-Blau 2 zu ermöglichen. In Graz will sich Hofer ein Durchgriffsrecht bezüglich der Identitären bis zur untersten Ebene sichern, um Einzelfälle sofort ahnden zu können. Ob die Häutung gelingt, ist zweifelhaft.

Triumvirat

Mölzer, ein intimer Kenner des Dritten Lagers, glaubt nicht, dass der FPÖ ein Machtkampf droht. Vielmehr dürfte die Partei, so Mölzer, auf ein Triumvirat zusteuern - mit Hofer als Primus inter Pares sowie Kickl und dem Oberösterreicher Manfred Haimbuchner. Mölzer plädiert ohnehin für den Umbau der FPÖ zu einer „rechtsliberalen Partei, die auf eine Politik der Stimmenmaximierung verzichtet.“ Womöglich ein frommer Wunsch.