Während die ÖVP noch im September ein Verbot der Identitären beschließen will, plädierte die SPÖ für eine Prüfung desselben. Die FPÖ-Spitze lehnte das ab und stellte sich hinter die nicht-amtsführende Wiener Stadträtin Ursula Stenzel. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky erklärte in der ZIB 2 am Abend, die "Grand Dame" der Wiener Politik in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken, sei "absurd", und für ihr Publikum könne sie nichts. Es gehe nicht um das Publikum sondern um Organisatoren und Einlader, korrigierte Moderator Armin Wolf. Woraufhin Vilimsky betonte, die FPÖ habe mit der "aktionistischen Gruppe" der Identitären nichts zu tun und das ganz sei überhaupt nur ein Ablenkungsmanöver der ÖVP von ihren Affären, "und alle gehen dem auf den Leim".
ÖVP-Klubobmann August Wöginger kündigte am Montag gegenüber der APA an, bei der Nationalratssitzung im September (in der Woche vor der Nationalratswahl) einen Antrag auf Änderung des Vereinsrechts "und damit für ein Verbot der Identitären Bewegung" stellen zu wollen. Es sei nach der Teilnahme Stenzels am Marsch der Identitären "nötig und unabdingbar", so schnell wie möglich zu reagieren. Derzeit kann ein Verein nur aufgelöst werden, wenn er gegen Strafgesetze verstößt. Laut ÖVP-Wunsch sollen Behörden einen Verein auch auflösen können, wenn er genutzt wird, um extremistisches oder staatsfeindliches Gedankengut zu verbreiten.
Prüfung des Verbots
Die SPÖ sprach sich für die Prüfung eines Verbot der Identitären aus. "Unsere Demokratie muss vor jenen geschützt werden, die sie untergraben wollen", schrieb SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. "Ich fordere Justiz- und Innenminister daher auf, ein Verbot der Identitären zu prüfen bzw. eine Änderung des Vereinsgesetztes unter Wahrung der Grundrechte vorzuschlagen." Dieser Schritt müsse noch vor der Wahl erfolgen, hieß es aus ihrem Büro.
Zurückhaltend zu einem Verbot zeigte sich Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig: "Wenn man einmal bei einer Organisation beginnt, ist die Frage, wo das endet", mahnte er zu sensiblem Vorgehen.
FPÖ gegen Verbot
Die FPÖ wiederum sprach sich klar gegen ein Verbot aus. Parteichef Norbert Hofer warnte vor einer "Gesinnungsdiktatur" und verwies auf Expertenmeinungen, wonach "jeder Eingriff in die Vereinigungsfreiheit auch ein Grundrechtseingriff" sei. "Meine Haltung zu den Identitären ist mehr als bekannt", verwies Hofer auf seine in Interviews immer wieder geäußerte Ablehnung. "Trotzdem warne ich vor einer Gesinnungsdiktatur." Bei einem Verbot wären in weiterer Folge "unzählige Vereine" von einer "derart überschießenden Maßnahme" betroffen.
Mit seiner Haltung sah er sich auf einer Linie mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der bereits im März gemeint hatte, er würde sich ein Verbot "dreimal überlegen", da eine Vereins-Auflösung "eine juristisch sehr heikle Angelegenheit" sei.
Kickl sieht "nichts Verwerfliches"
Stenzels Aktion selbst verteidigte die blaue Parteispitze. Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) konnte an deren Rede bei der Identitären-Veranstaltung "nichts Verwerfliches" erkennen. "Alles was Stenzel gesagt hat, hat Hand und Fuß", meinte er. Auch für Hofer ist die Sache gegessen: "Sie hat glaubhaft gemacht, dass sie nicht gewusst hat, wer Veranstalter ist", betonte er. Stenzel befinde sich im 74. Lebensjahr und surfe eben nicht jeden Tag im Internet, um zu recherchieren, wer hinter einem Verein stehe. Ihr Auftritt sei aber nicht abgesprochen gewesen. Thema sein dürfte Stenzels Auftritt noch bei einer Klubsitzung der Wiener FPÖ am Montagnachmittag, bei der es sich aber um eine routinemäßig stattfindende Sitzung handeln soll.
Scharfe Kritik an FPÖ und ÖVP kam von den Grünen und der Liste JETZT. Listengründer Peter Pilz bezeichnete ÖVP-Klubchef Wöginger als "Hütchenspieler der Extraklasse": Er verwies darauf, dass dieser im rechten Magazin "Info-Direkt" interviewt wurde und darauf von Identitären-Obmann Martin Sellner gelobt worden sei. Auch betonte Pilz, "dass alle extremistischen Vereine schon heute aufgelöst werden können", nämlich dann, wenn deren Tätigkeit dem Vereinszweck widerspricht oder wenn sie gegen das Strafrecht verstoßen.
Kritik an der ÖVP kam auch von Grünen-Chef Werner Kogler. "Wie lange bleibt die FPÖ noch ein ernsthafter Koalitionspartner für Sie, Herr Kurz?" fragte er. Er sprach von einem "Antragsaktionismus" der ÖVP mit einer "unausgegorenen Verbotsidee". "Dass Wöginger gleichzeitig vom Identitären-Chef für seine Aussagen in einem Interview mit einem rechtsextremen Magazin gelobt wird, zeigt wie löchrig mittlerweile auch die ÖVP-Firewall gegen Rechts ist", so Kogler.
Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft IGGÖ, Ümit Vural, erklärte unterdessen in einer Aussendung, nicht das Vereinsgesetz sei das Problem, "sondern extremistisches Gedankengut, das gesamtgesellschaftlich bekämpft werden muss".
Ebenfalls einen Antrag, allerdings auf Abschaffung der nicht amtsführenden Wiener Stadträte, kündigten die NEOS an - wofür eine Änderung der Bundesverfassung nötig wäre.