Polit-Junkies stehen bewegungsarme Wochen ins Haus. Die lauen Sommerabende klingen aus, dafür mündet der Wahlkampf in seine heiße Phase. Wer sich nichts entgehen lassen will, wird sich in den eigenen vier Wänden einsperren, hoffentlich gesunde Kost auf den Teller schieben und alle geplanten Kino- oder Konzertbesuche absagen. In 27 Tagen wird gewählt, fast jeden Abend treffen die Spitzenkandidaten in unterschiedlichsten Konstellationen und Konfigurationen zur Primetime im Fernsehen oder online aufeinander.

Allein sieben Elefantenrunden stehen auf der Agenda, die Kleine Zeitung ist das einzige Medium, das – in Kooperation mit der „Presse“ und den Bundesländerzeitungen – Kurz, Rendi-Wagner, Hofer & Co nicht in Wien zur Konfrontation bittet. Am Donnerstag steigt die Sechserrunde in Salzburg, die Kleine Zeitung überträgt online live. Die Häufung der TV-Auftritte bringt einen Nebeneffekt mit sich: Im September haben die Spitzenkandidaten ihre Zelte in Wien aufgeschlagen, Wahlkampfauftritte in den Bundesländern sind eine Rarität. Kurz klappert am kommenden Wochenende innerhalb von 72 Stunden im Bus ganz Österreich ab, Peter Pilz fährt nur noch zwei Mal in die Region hinaus, Beate Meinl-Reisinger gar nicht mehr.

Der gewaltige Aufwand, den die TV-Sender betreiben, steht im Widerspruch zur politischen Ausgangssituation. Glaubt man den Meinungsforschern und den meisten politischen Beobachtern, ist das Rennen entschieden. „Die Plätze eins bis sechs sind vergeben“, erklärte OGM-Chef Wolfgang Bachmayer am Wochenende. Erstmals seit langem muss ein Wahlkampf ohne Kanzler-Duell auskommen, am 29. September könnte der Favorit einen rekordverdächtigen, weil zweistelligen Vorsprung einfahren. Völlig unklar ist allerdings, welche Regierung uns in den kommenden Jahren beschert wird.

Eingeführt wurde das „Jeder gegen jeden“-Prinzip 1994 vom damaligen ORF-Intendanten Johannes Kunz. „In Österreich haben sie aber selten einen dramatischen Umschwung bewirkt – im Gegensatz etwa zu den USA oder Frankreich“, weiß Politikberater Thomas Hofer. Er konstatiert aber, dass diese TV-Formate „den Takt in den letzten vier Wochen vorgeben“. Der Zuschauer suche jedoch meistens eine Bestätigung, er gehe ja nicht unvoreingenommen in so eine Sendung hinein. „Durch die Vielzahl der Sendungen wird zugleich alles eingeebnet“, sagt Hofer. Eine „Entlarvung“ gebe es selten. Politologe Peter Filzmaier sprach einmal von einem „Schaulaufen vor der eigenen Anhängerschaft“.

Vielzahl oder Flut? 2008 gab es die erste Elefantenrunde im heimischen Privatfernsehen. Bei der letzten Nationalratswahl 2017 bot der ORF mit mehr als 72 Stunden Live-Interviews, Analysen, TV-Diskussionsrunden und Beiträgen allein im ORF-Fernsehen und rund 500 Berichten zur Wahl allein in den Sendungen der „ZiB“ seine bisher umfangreichste Berichterstattung. Von 100 Fernsehminuten, die das Publikum in österreichischen TV-Sendern zur NR-Wahl nutzte, entfielen 74 auf ORF-TV-Sendungen. Quotenspitzenreiter war damals die „Runde der Spitzenkandidaten“ mit durchschnittlich 1,211 Millionen Zuschauern. Trotz eines überbordenden Fernsehwahlkampfs bleibt das Interesse des Publikums stabil hoch.