Thomas Starlinger hat es wieder getan. Der Verteidigungsminister der Übergangsregierung hielt sich nicht an das Zurückhaltungsgebot von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und wies einmal mehr in eindrücklichen Worten auf die finanzielle Misere des Bundesheeres hin. Diese führe bereits jetzt dazu, dass die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet sei, sagte er am Rande des Europäischen Forums Alpbach der „Presse“.
Was der Minister damit meint? Österreichs Bürger seien zwar nicht unmittelbar und akut gefährdet, doch habe das Bundesheer im Falle des Falles nicht die notwendigen Kapazitäten. Beim „Jahrhunderthochwasser“ 2002 konnte das Heer noch mit Müh und Not gleichzeitig 12.000 Soldaten in den Einsatz bringen, „derzeit ist das nicht mehr schaffbar“, sagt Starlinger. Mehr oder weniger machtlos stünde die „strategische Handlungsreserve der Republik“ auch bei großflächigen Blackouts oder Angriffen auf Teile der kritischen Infrastruktur da. 256 Objekte sind bundesweit als schützenswert definiert, gerade eines könne das Militär beschützen, macht der Ressortchef deutlich.
Verlängerung des Wehrdienstes
All das und viel mehr wird sich im Zustandsbericht „Unser Heer 2030“ wiederfinden, den der Minister für den 10. September ankündigt. Darin wird er auch eine Verlängerung des Wehrdienstes auf das Modell sechs plus zwei Monate anstoßen. Das ist nicht nur eine alte Forderung der Offiziersgesellschaft, auch in der Truppe wird bemängelt, dass Rekruten nach ihrer Ausbildung das Militär sofort wieder verlassen.
Ach und Weh des Heeres hängen jedoch an seiner finanziellen Schieflage. Mit rund 2,3 Milliarden Euro, etwas mehr als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), liegt Österreichs Wehretat weit unter dem EU-Durchschnitt. Starlingers Aussagen sorgen jedenfalls dafür, dass das Geld fürs Bundesheer heißes Thema im Nationalratswahlkampf bleibt.
Wir haben die Parteien zu ihren Positionen befragt.
ÖVP
Aus der ÖVP sind am Montag keine allzu konkreten Festlegungen zu bekommen: „Das Bundesheer ist für uns die strategische Reserve in der Sicherheitspolitik und bietet Schutz bei Krisenereignissen wie etwa Hochwasser“, heißt es in einer der Kleinen Zeitung übermittelten Stellungnahme aus der Partei. „Dafür ist es notwendig, ausreichend budgetäre Mittel zur Verfügung zu stellen. Deshalb bekennen wir uns zu einer positiven Budgetentwicklung für die Landesverteidigung.“
Außerdem verweist die Partei auf ein bereits angekündigtes Vorhaben, die Tauglichkeitskriterien zu überarbeiten, weil immer mehr Jugendliche untauglich sind: für die Volkspartei das Rezept, „den Grundwehrdienst für die Zukunft abzusichern“. Grundsätzlich bekenne sich die ÖVP „zur Wehrpflicht, die auf Grundwehrdienst und Miliz aufbaut“.
SPÖ
SPÖ-Landesverteidigungssprecher Rudolf Plessl sichert dem Verteidigungsminister die Unterstützung seiner Partei zu. Konkret: mehr Geld. Bereits im Juli haben SPÖ und FPÖ gemeinsam einen Entschließungsantrag beschlossen, der dem Bundesheer aus den ärgsten Nöten heraushelfen soll. Der Antrag ist zwar ein politischer Auftrag an die Regierung, keine Änderung des geltenden Budgets, soll aber das Heeresbudget 2020 auf 2,6, 2021 auf drei Milliarden Euro aufstocken. Langfristig „sind die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um einen verfassungskonformen Zustand zu gewährleisten“. Was das konkret heißt, bleibt offen: „Im nächsten Budget müssen die Mittel für notwendige Beschaffungen vorgesehen sein“, so Plessl – er rügt besonders die ÖVP, in diesem Bereich nur „Lippenbekenntnisse“ abgegeben zu haben.
FPÖ
Mehr Geld für das Heer fordern auch die Freiheitlichen, die mit Mario Kunasek die letzten eineinhalb Jahre den Verteidigungsminister gestellt haben: „Die FPÖ bekennt sich uneingeschränkt zur umfassenden Landesverteidigung“, so Wehrsprecher Christian Bösch zur Kleinen Zeitung. Damit das Heer seinen Verpflichtungen nachkommen kann, habe man Anfang Juli gemeinsam mit der SPÖ eine Entschließung – eine parlamentarische Willensbekundung – dazu beschlossen. Demnach sollen dem Bundesheer 2,6 Milliarden Euro für 2020 und drei Milliarden für das Jahr 2021 zur Verfügung gestellt werden – sowie ein Sonderbudget für die Luftraumüberwachung. Mittelfristig sei das Ziel, das Heeresbudget auf ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben, „damit es seinen verfassungsmäßigen Auftrag auch wieder erfüllen kann“, so Bösch.
Neos
Die Neos setzen sich für eine „stabile Finanzierung“ ein. Das bedeute eine schrittweise Steigerung des Heeresbudgets auf ein Prozent des BIP, die spätestens in 5 Jahren abgeschlossen sein solle, „damit die Sicherheit und unser Engagement für die Verteidigung der europäischen Souveränität“ gewährleistet seien, so Neos-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos zur Kleinen Zeitung. Hoyos ist aber auch für eine Verschiebung der Schwerpunkte im österreichischen Militär: „Heutzutage ist es unwahrscheinlich, dass wir in eine große kriegerische Auseinandersetzung unter Einsatz von Panzern geraten.“ Höchst wahrscheinlich seien dagegen Cyberattacken. „Wir setzen uns also dafür ein, dass ein erhöhtes Bundesheerbudget sich auf die strategische Priorität dieser Bedrohungen konzentriert.“
"Jetzt"
Peter Pilz, Gründer und Wehrsprecher von Jetzt, plädiert im Gespräch mit der Kleinen Zeitung für ein mehrstufiges Vorgehen: Zunächst brauche es eine Finanzspritze von 40 Millionen Euro für dringend notwendige Investitionen in Fuhrpark und Infrastruktur des Heeres. Danach solle eine Evaluierung des von Starlinger kritisierten Wehrdienstes erfolgen –seine Reform sei verabsäumt worden, so Pilz. Sobald das Ergebnis vorliege, soll in einem weiteren Volksentscheid – Pilz schwebt eine Volksabstimmung vor – über die Zukunft des Heeres entschieden werden. Pilz sieht aber jedenfalls viel Einsparungspotenzial im Verteidigungsressort: Kampfpanzer und Artillerie würden „nur noch für das Militärmuseum“ dienen, sagt Pilz – auf sie könnte das Heer ersatzlos verzichten.
Die Grünen
Das Bundesheer „ist nicht mehr zeitgemäß, wie es heute aufgestellt ist“, findet Ewa Ernst-Dziedzic, grüne Bundesrätin und Verantwortliche für das Wahlprogramm der Partei. Darin heißt es knapp: „Die Grünen sind weiter für die Abschaffung der Wehrpflicht und eine Reform des Bundesheeres mit vielseitigen und zeitgemäßen Ausbildungsmöglichkeiten. Zukünftig sollen die Hauptaufgaben des Heeres Katastrophenschutz und internationale friedenserhaltende Einsätze sein.“ Darüber hinaus solle das Heer „auf das absolut notwendige Maß“ verkleinert werden. Das heiße aber nicht automatisch, dass die Landesverteidigung billiger werden müsse, sagt Ernst-Dziedzic zur Kleinen Zeitung – das müsse sich aus den neuen Aufgaben ergeben: „Sicherheit wird heute nicht mehr mit Panzern gesichert, sondern im Cyberbereich.“