Ihre Enthüllungen haben die Republik Österreich erschüttert. Frederik Obermaier und Bastian Obermayer brachten mit ihrer Veröffentlichung des Ibiza-Videos nicht nur einen Vizekanzler zu Fall, sondern stürzten eine ganze Regierung – und damit die Politik eines Landes ins Chaos. Wie sich der journalistische Coup im Detail abgespielt hat und was die beiden Investigativjournalisten der „Süddeutschen Zeitung“ außer den bekannten Fakten noch gesehen und recherchiert haben, beschreibt ein Buch, das am Donnerstag im Verlag Kiepenheuer & Witsch unter dem Titel „Ibiza-Affäre – Innenansichten eines Skandals“ erscheint.
Die Journalisten haben für ihre Erzählung einen interessanten Aufbau gefunden. Sie erzählen abwechselnd von der Entstehungsgeschichte und den Herausforderungen solcher Recherchen und von dem, was sie auf dem Video zu sehen bekommen haben. Ihr üppiges erzählerisches Beiwerk dient vor allem dem deutschen Publikum, das mit der Innenpolitik und Geschichte des Nachbarlandes nicht detailliert vertraut ist. Daher lesen sich der Beginn und weite Strecken des Mittelteils aus hiesiger Sicht langatmig. Allerdings ist das Buch für einen deutschen Verlag geschrieben worden, der auch schon die brisante Recherche der deutschen Journalisten zu den Panama Papers in Buchform veröffentlichte. Beide Autoren leiten das Ressort Investigative Recherche der „SZ“ in München und sind hochdekoriert. Sie erhielten alle wichtigen Auszeichnungen für Aufdecker wie den Wächter- und Pulitzer-Preis.
Was aber steht im Buch, was nicht schon den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat? Es sind die vielen Zwischentöne von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, die belegen sollen, dass sich die beiden nicht nur in den veröffentlichten sieben Minuten danebenbenommen haben, wie sie behaupten, sondern die gesamten sieben Stunden lang. Es wurde auch die gesamte Zeit verhandelt. Die Autoren wollen Lücken schließen, die zu Fehldeutungen und so auch zu Mythen geführt hätten.
Spannend sind die Passagen über Serbien und Russland. Hier rühmt sich Strache zahlreicher guter Kontakte in die Politikspitze und zu dubiosen Personen. „Wenn ich was brauch, dann kann ich einfach anrufen. Da hebt er ab“, brüstet er sich mit seinem Kontakt zu Ungarns Premier Viktor Orbán. Bezüglich des US-ungarischen Milliardärs George Soros äußert er gegenüber der falschen Oligarchen-Nichte hingegen die Vermutung, er sei Finanzier einer „Konterrevolution“.
Man erfährt, dass Florian Klenk vom „Falter“ angesprochen wurde und die Quelle, die weiterhin nicht genannt wird, sich letztlich umentschieden habe, weil man österreichischen Journalisten einfach nicht genug vertraue, berichten die beiden Redakteure.
Ausführlich beschrieben werden die Gespräche über den avisierten Kauf der „Kronen Zeitung“ und eine mögliche Gegenleistung sowie die indirekte Spendenmöglichkeit über Vereine und ein möglicher Deal im Glücksspielgeschäft. Unterhaltsam ist auch, wie die beiden Journalisten bei der Videobotschaft von Jan Böhmermann bei der Romy-Verleihung reagiert haben. Es ist nicht die einzige Stelle im Buch, an der man herzhaft lachen kann.
Ingo Hasewend