Herbert Kickl ist in den Bergen. Mal postet er via Facebook ein Foto aus dem Dachsteingebirge, mal aus den Südtiroler Dolomiten – und trotzdem steht er im Zentrum der politischen Auseinandersetzung. Nachdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen vergangene Woche ausgeschlossen hatte, Kickl noch einmal zum Innenminister zu ernennen – „das würde an mir scheitern“ –, setzte am Wochenende Gernot Blümel nach, Sebastian Kurz’ rechte Hand an der ÖVP-Spitze und Kickls Gegenüber bei haarigen Verhandlungen in der gescheiterten türkis-blauen Regierung.
„Die FPÖ hat sich entschieden, den Weg nicht mit uns, sondern mit Kickl zu gehen – gegen uns. Wenn dieser Weg weiterverfolgt wird, ist völlig wurscht, auf welchem Sessel Kickl sitzt, das geht sich dann einfach nicht aus“, sagt Blümel im „Kurier“.
Es ist die Fortsetzung einer Geschichte, die die ÖVP schon am Tag nach Erscheinen des Ibiza-Videos zu erzählen begonnen hat: einer Geschichte, dass es zwei FPÖs gebe: eine gute, konstruktive, rund um den jetzigen Parteichef Norbert Hofer – und eine destruktive, radikale, rund um Kickl. Und weil dieser nicht habe einsehen wollen, dass er als langjähriger FPÖ-Generalsekretär und Strache-Vertrauter nicht die Polizei führen könne, die rund um FPÖ und Strache ermittle, sei man gezwungen gewesen, ihn aus der Regierung zu schmeißen.
Dass der Rest der FPÖ Kickl folgte und damit das Schicksal der Koalition besiegelte – und am Ende sogar gemeinsam mit der SPÖ ihre türkisen ehemaligen Amtskollegen abwählte: ein Zeichen, dass sich die destruktiven Kräfte bei den Freiheitlichen durchgesetzt hätten.
Die FPÖ sieht darin den Versuch der ÖVP, die Partei im Wahlkampf zu spalten – sie werde nicht aufgehen, sagt Generalsekretär Harald Vilimsky: Kickl habe als Innenminister „wie die ganze FPÖ-Regierungsriege eine fantastische Arbeit abgeliefert“.
Auch wenn es bei der FPÖ (wie in den meisten Parteien) tatsächlich verschiedene Lager gibt – etwa zwischen den Bundesländern, wo blaue Landesräte eher ruhige Regierungsarbeit leisten und der Wiener Partei, die mangels Macht auf markige bis radikale Sprüche setzt: Bisher ist von einer echten Spaltung der Freiheitlichen nichts zu sehen – im Gegenteil, in der Öffentlichkeit tritt die Partei nach Ibiza geeinter auf als je zuvor.
Das dürfte nicht zuletzt auch Kickls Verdienst sein: Während die damals erfolgsverwöhnte Haider-FPÖ in der ersten schwarz-blauen Koalition Anfang der Nullerjahre in der Wählergunst drastisch abstürzt, blieb sie während der Kurz-Strache-Koalition in Umfragen praktisch konstant beim Wahlergebnis von 2017 – zumindest bis Ibiza aufschlug.
Selbst jetzt liegt die FPÖ in Umfragen noch immer um die 20 Prozent – in der Schwankungsbreite gleichauf mit der SPÖ, sie könnte am 29. September sogar zweite werden.
Das mag auch damit zu tun haben, dass Kickl als Innenminister die blaue Stammwählerschaft gut zu bedienen wusste: Während sein Ressort von Skandalen und Pannen geschüttelt wurde – von der aus Kickls Umfeld initiierten Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bis zur holprigen Einführung einer Pferdestaffel der Polizei – hielt Kickl als Minister sein Publikum mit rechten Botschaften bei der Stange – etwa der (ansonsten wirkungslosen) Ausschilderung der Erstaufnahmezentren für Asylwerber als „Ausreisezentrum“ oder der Einführung einer neuen Grenzschutzstaffel.
Die Folge: Kickl liegt bei den Vertrauenswerten österreichischer Politiker regelmäßig auf den hinteren Plätzen – unter FPÖ-Anhängern erfreut er sich aber hohen Zuspruchs. Was für andere Parteien zur Zielscheibe macht – und für die Freiheitlichen unverzichtbar.