Angesichts des zunehmend hitziger werdenden Wahlkampfs richtet Bundespräsident Alexander Van der Bellen mahnende Worte an die politischen Kontrahenten. „Alle Parteien sollten sich bewusst sein, dass die Dialogfähigkeit nicht unter die Räder kommt“, erklärte Van der Bellen in einem Pressegespräch am Dienstag mit den österreichischen Medien. Nach den Wahlen am 29. September werde man „wieder miteinander reden“ müssen. Die Dialogfähigkeit sollte „aufrechterhalten“ bleiben.
Welche Regierung er nach der Wahl präferiere, dazu wollte er sich nicht äußern. „Ich versuche ein neutraler Bundespräsident zu sein“. Nur so viel ließ er sich entlocken: „Mein Ziel wäre eine Koalition mit Mehrheit.“ ÖVP-Chef Sebastian Kurz hatte vor geraumer Zeit eine Minderheitsregierung ins Spiel gebracht. Eine Dreierkoalition aus ÖVP, Grüne, Neos halte er durchaus für möglich. „Es steht nichts in der Verfassung, dass es keine Dreierkoalition geben darf. Die Verfassung lässt vieles zu.“ In der ZiB2 ging er in einem Punkt weiter als bisher. Sollte Sebastian Kurz Herbert Kickl neuerlich als Innenminister vorschlagen, würde er den Innenminister nicht angeloben. Ob dies auch für andere Ressorts gelte, wenn Kickl etwa Sozialminister wird, ließ Van der Bellen offen.
Überraschend deutlich warnte Van der Bellen vor dem „Spiel der freien Kräfte“ im Parlament. „Ich bin ein gebranntes Kind“, erklärte er unter Verweis auf die denkwürdige Parlamentssitzung vom 24. September 2008, wo Beschlüsse in mehrfacher Milliardenhöhe gefällt worden sind. „Ich habe damals hautnah miterlebt, wie schwer es ist, sich bei solchen Abstimmungen zurückzuhalten.“ Er habe noch „keinen Abgeordneten gefunden“, der die Entscheidungen des Jahres 2008 „in Summe gutheißt.“
Parteienfinanzierung: "Nicht der Weisheit letzter Schluss"
Ohne ins Detail gehen wollen, sieht Van der Bellen die jüngste Regelung zur Parteienfinanzierung kritisch. „Ob dies der Weisheit letzter Schluss ist, weiß ich jetzt nicht.“ Klare Worte findet er zur Kritik von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Rechnungshof: „Es gibt keinen Grund, dem Rechnungshof ein Vorschussmisstrauen entgegenzubringen.“ Die Rechnungsprüfer sollten „ruhig in ein Wespennest stechen, selbst wenn es weh“ tue. „Ich würde alle Parteien bitten, dass sie nichts tun, was das Vertrauen in die Institutionen untergräbt.“
In dem Pressegespräch ließ Van der Bellen eingehend die Turbulenzen der letzten zwei Monate Revue passieren, insbesondere die 17 Tage zwischen dem Ibiza-Video und der Angelobung der „Vertrauensregierung.“ Das Kabinett habe er unter anderem auch „zur Beruhigung der einigermaßen aufgeheizten Situation“ eingesetzt, sie besitze „ein Ablaufdatum“ und sollte „keine großen politischen Weichenstellungen“ setzen.
Tritt Van der Bellen noch einmal an?
Nicht ließ sich Van der Bellen entlocken, ob er noch einmal für eine Amtsperiode kandidiere. Es ist ja noch nicht einmal die halbe Amtszeit um. Er sei "stolz", wie er und seine Mitarbeiter die Turbulenzen hinbekommen haben. Zur Kommissarsfrage erklärte Van der Bellen, es handle sich „nicht um einen österreichischen, sondern einen europäischen Kommissar.“ Und: „Die Entscheidung kann nicht beliebig aufgeschoben werden.“