Im Nationalrat hat die koalitionsfreie Zeit am Dienstag einen Beschluss-Marathon ausgelöst. Unter anderem sind beschlossen worden:
- Ein Totalverbot von Glyphosat
- Ein Verbot des Handels mit Wasser in der Verfassung
- Rauchverbot in der Gastronomie
- Plastiksackerl-Verbot
- Mehr Geld für Mindestpensionen
- Rechtsanspruch auf einen Papamonat
- Die Anrechnung von Karenzzeiten
- Die Gehaltsfortzahlung für Einsatzkräfte
- Neue Haftungsregeln auf Almen
- Halbierung vieler Gerichtsgebühren
- Valorisierung des Pflegegeldes
Plastiksackerln sollen in Österreich spätestens 2021 der Vergangenheit angehören. Das hat der Nationalrat Dienstagnachmittag als Teil eines Beschluss-Marathons einstimmig beschlossen. An sich gilt das Verbot schon ab kommendem Jahr, allerdings dürfen entsprechende Tragetaschen noch bis Ende 2020 abverkauft werden.
Ausgenommen sind Sackerl, die biologisch vollständig abbaubar sind und aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Ebenfalls weiter im Handel bleiben ultradünne Knotenbeutel, die vor allem in Obst- und Gemüse-Abteilungen anzutreffen sind. Diese müssen allerdings aus überwiegend nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und grundsätzlich für eine Eigenkompostierung geeignet sein.
Die ehemalige ÖVP-Umweltministerin Elisabeth Köstinger, die den Entwurf für das Verbot 2018 vorgestellt hat, sieht einen "Meilenstein im Kampf gegen die Wegwerf-Mentalität". Österreich sei das dritte Land in Europa, das ein derartiges Verbot beschlossen habe. "Mit der heute beschlossenen Maßnahme werden wir 5.000 bis 7.000 Tonnen unnötiges Plastik in Österreich vermeiden", betonte Köstinger in einer Aussendung. "Für die klassischen Einkaufssackerln gibt es sehr gute Alternativen", betonte die Abgeordnete.
"Alm-Paket" beschlossen
Außerdem hat der Nationalrat zusätzliche neue Haftungsregelungen auf Almen festgelegt. Im Wesentlichen geht es darum, dass die Bauern auf anerkannte Standards der Tierhaltung zurückgreifen müssen, aber es wird auch ausdrücklich auf die vorauszusetzende Eigenverantwortung der Wanderer hingewiesen.
Letztlich handelt es sich um eine Anlassgesetzgebung in Folge eines Urteils, das einem Tiroler Bauern hohe Geldsummen auferlegt wurde, nachdem eine Wanderin von einer Kuh getötet worden war. SPÖ, NEOS und JETZT halten die jetzige Lösung für misslungen. SP-Justizsprecher Hannes Jarolim hätte etwa eine Versicherungslösung bevorzugt.
In den angeführten Verhaltensregeln werden Almbesucher angewiesen, den Kontakt mit Weidevieh zu vermeiden. Vor allem eine Begegnung von Mutterkühen und Hunden sollte vermieden werden. Hunde sind zudem an der kurzen Leine zu führen und bei einem absehbaren Angriff durch ein Weidetier sofort von der Leine zu lassen. Ebenfalls darf der Wanderweg nicht verlassen werden. Blockiert Weidevieh diesen, dann soll es mit möglichst großem Abstand umgangen werden. Zäune sind zu beachten und Tore zu schließen. Weisen Kühe Anzeichen von Unruhe - wie das Heben und Senken des Kopfes oder Scharren mit dem Hufen - auf, müsse die Weidefläche zügig verlassen werden.
Gerichtsgebühren werden halbiert
Außerdem werden in bestimmten Fällen die Gerichtsgebühren halbiert. Dies wird dann der Fall sein, wenn es in der ersten Verhandlung zu einem Vergleich kommt. Der entsprechenden Initiative von JETZT stimmten Dienstagabend im Nationalrat auch SPÖ und FPÖ zu.
Ein Einwand kam nicht nur von der ÖVP, sondern auch von Vizekanzler und Justizminister Clemens Jabloner. Er äußerte zwar Sympathien für den Antrag, nannte ihn aber nicht finanzierbar.
Karenzzeiten werden angerechnet
Karenzzeiten werden bei Gehaltsvorrückungen künftig voll anerkannt. Das hat der Nationalrat am Dienstag einstimmig beschlossen. Allerdings wird das nicht rückwirkend gelten, was aus Sicht der ÖVP für die Betriebe "unfinanzierbar" gewesen wäre, sondern pro futuro ab August. Sowohl ÖVP als auch SPÖ reklamierten die Urheberschaft für den Beschluss für sich.
Für die Bemessung von Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsfristen werden derzeit maximal zehn Karenzmonate angerechnet. Künftig wird für alle Ansprüche, die sich nach der Dauer der Beschäftigung richten - also auch Gehaltsvorrückungen - die gesamte Karenzzeit in vollem Umfang berücksichtigt.
Die entsprechende Änderung des Mutterschutzgesetzes haben die Abgeordneten aller Fraktionen am Dienstagnachmittag einstimmig beschlossen. Wobei die ÖVP-Abgeordnete Tanja Graf den ursprünglichen SPÖ-Antrag aber scharf kritisierte. Dieser habe rückwirkende Geltung vorgesehen habe, der für die Unternehmen unfinanzierbar gewesen wäre, wie Graf meinte.
Die Ergebnisse der Nationalratssitzung im Live-Blog:
Untersagt wird das Rauchen in der Gastronomie ab November. Ausgenommen sind nur noch Gastgärten oder Ähnliches. Die FPÖ stimmte Dienstagmittag im Nationalrat als einzige Fraktion gegen den Beschluss und warnte vor einer Belastung der Wirte. SPÖ und Jetzt verknüpften den Beschluss mit Kritik an der abgewählten Regierung.
Eigentlich hätte das Rauchverbot schon seit 1. Mai des Vorjahres gelten sollen. ÖVP und FPÖ kippten es aber kurz vor dem Inkrafttreten wieder aus dem Gesetz. Nun - nach dem Scheitern der türkis-blauen Koalition - wird es mit 1. November 2019 wieder eingeführt.
FPÖ stimmte als einzige Partei nicht mit
Damit ist das Rauchen künftig an allen öffentlichen Orten verboten, wo Speisen und Getränke hergestellt, verarbeitet, verabreicht oder konsumiert werden. Darunter fallen auch Versammlungen in Pfarrsälen und Feuerwehrfeste, Festzelte, Mehrzweckräumlichkeiten sowie schulische Einrichtungen und Freiflächen, in denen Kinder und Jugendliche beaufsichtigt und beherbergt werden (z.B. Internate). Das Verbot gilt auch für Shishas und E-Zigaretten.
Die FPÖ stimmte als einzige Partei gegen den Antrag und warnte vor einer Belastung der Wirte. Abgeordneter Peter Wurm sieht seine Partei als das "kleine gallische Dorf" im Kampf gegen das Rauchverbot. "Es schaut so aus, dass die Puritaner, die Pharisäer und die politisch Korrekten das lange Ringen gewonnen haben", kritisierte Wurm. Wer im Beisl weiterhin eine Zigarette oder Pfeife rauchen wolle, müsse am 29. September die FPÖ wählen.
Rechtsanspruch auf Papa-Monat
Der Nationalrat hat am Dienstag den Rechtsanspruch auf den Papa-Monat beschlossen. Der Antrag der SPÖ wurde von Sozialdemokraten, FPÖ und der Liste JETZT unterstützt. Außerdem beschlossen die Abgeordneten einstimmig eine Änderung beim Kindergeld.
Der Wunsch nach einem Papa-Monat ist dem Arbeitgeber drei Monate im Voraus mitzuteilen. Innerhalb des Zeitrahmens zwischen Geburt des Kindes und dem Ende des Beschäftigungsverbotes der Mutter (acht Wochen nach der Geburt) kann der Vater den Antrittszeitpunkt der Freistellung frei wählen.
SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum verwies darauf, dass der Papa-Monat ein wichtiger Schritt zu einer gerechten Arbeitsteilung sei. Mittelfristiges Ziel müsse der volle Lohnausgleich im Papa-Monat sein. FPÖ-Mandatarin Carmen Schimanek bezeichnete den Beschluss als "Meilenstein in der Familienpolitik". Der Rechtsanspruch biete die Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung.
Keine Unterstützung für den SPÖ-Antrag gab es von ÖVP und NEOS. Die Väterbeteiligung sei ihr extrem wichtig, versicherte ÖVP-Abgeordnete Juliane Bogner-Strauß. Allerdings sei der Antrag der SPÖ wenig durchdacht und biete Familien kaum Flexibilität, begründete sie ihre Ablehnung.
Glyphosat-Verbot
SPÖ und FPÖ wollen am Dienstagnachmittag im Nationalrat das Totalverbot von Glyphosat beschließen. Für die Umweltschutzorganisation Greenpeace ist dies ein "historischer Erfolg", für Global 2000 ein "Durchbruch für Demokratie, Umwelt und Gesundheit". Österreich könnte nun das erste EU-Land werden, das frei von dem schädlichen Pflanzengift wird, begrüßte Greenpeace die Entscheidung.
Der Antrag der SPÖ sieht vor, dass der Einsatz des Pflanzenschutzmittels in Österreich komplett untersagt wird. Die FPÖ wird bei der Abstimmung im Nationalrat am Dienstagnachmittag dem Totalverbot des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat zustimmen. Das kündigte die Partei via Aussendung an.
"Wir haben uns natürlich die europarechtlichen Bedenken im Detail angesehen und verstehen in diesem Zusammenhang auch die Sorgen der Landwirtschaft. Letztendlich muss aber die Gesundheit der Menschen im Vordergrund stehen. Die Landwirtschaft muss jedenfalls beim Glyphosat-Ausstieg unterstützt werden", meinte FPÖ-Klubobmann Norbert Hofer. Die Abstimmung erfolgt frühestens am Nachmittag.
Mehr Geld für Mindestpensionisten
Mindestpensionisten mit langen Beitragszeiten bekommen einen Bonus. Eine entsprechende gesetzliche Regelung hat der Nationalrat am Dienstag gegen die Stimmen der Neos fixiert. Umstritten ist, ob der Bonus auch ins Ausland exportiert werden kann.
Konkret wird festgelegt, dass man mit 40 Versicherungsjahren einen Bonus bekommt, der den Bezug auf 1.315 Euro brutto erhöht, für Ehepaare sind 1.782 Euro vorgesehen. Bei 30 Erwerbsjahren sollen zumindest 1.080 Euro ausgeschüttet werden. Angerechnet werden zwölf Monate Präsenz- bzw. Zivildienst sowie bis zu fünf Jahre Kindererziehungszeiten.
Vier Parteien wollen Klimanotstand
Der Nationalrat will die Regierung auffordern, den "Klimanotstand" zu erklären. Ein entsprechender Entschließungsantrag wird von ÖVP, SPÖ, NEOS und Liste JETZT unterstützt und könnte im Herbst beschlossen werden. Der Antrag ist das Ergebnis der Gespräche der Parlamentsparteien mit Vertretern der "FridaysForFuture"-Bewegung.
Als Grundlage für Notstandsmaßnahmen will man das aber explizit nicht verstanden wissen, sondern als "starkes politisches Signal" für eine Vorreiterrolle Österreichs in der Klimapolitik. Vertreter von "FridaysForFuture" sprachen ihrerseits bei einer Pressekonferenz davon, dass Klimaschutz kein Thema einer einzelnen Partei ist, sondern die gesamte Politik angeht. Dem Antrag seien "lange und intensive Verhandlungen mit den Umweltsprechern aller Fraktionen vorausgegangen", sagte Johannes Stangl von "FridaysForFuture".
Mit dem Entschließungsantrag wird die Regierung aufgefordert, den "Climate Emergency" zu erklären und die Eindämmung der Klima- und Umweltkrise damit als Aufgabe höchster Priorität anzuerkennen. Außerdem sollen der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) nachgebessert und neue Maßnahmen vorbereitet werden, die den Ausstoß von Treibhausgasen ohne Kompensationstechnologien und den Kauf von Emissionszertifikaten senken.
Komplette Gleichstellung bei Ehe für Alle
Im Parlament soll heute bei der Ehe für Alle die komplette Gleichstellung vollzogen werden. Derzeit können homosexuelle Paare nur dann diesen Schritt vollziehen, wenn beide aus Ländern stammen, in denen eine solche Ehe möglich ist. Zwei Österreicher können den Schritt also vollziehen, ein Österreicher und ein Russe allerdings nicht. Heute gelangt im Nationalrat ein Antrag von Neos-Abgeordneten Irmgard Griss zur Abstimmung, dem auch die ÖVP die Zustimmung erteilt.
Wasserschutz wird in Verfassung geschrieben
Wasser soll in Österreich nicht privatisiert werden. Dies wurde Dienstagvormittag vom Nationalrat in die Verfassung geschrieben. Anlass der Gesetzesinitiative war, dass der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im "Ibiza-Video" über eine Wasser-Privatisierung philosophiert hatte.
Konkret lautet die heute gefundene Formulierung: "Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zur Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge und zu ihrer Verantwortung für die Sicherung deren Erbringung und Qualität, insbesondere dazu, das öffentliche Eigentum an der Trinkwasserversorgung und die Verfügungsgewalt darüber im Interesse von Wohl und Gesundheit der Bevölkerung in öffentlicher Hand zu erhalten."
Auch Schuldenbremse kommt in Verfassung
ÖVP, FPÖ und NEOS unternehmen einen neuen Anlauf zur Verankerung einer "Schuldenbremse" in der Verfassung. Details wollen die drei Parteien, die über eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat verfügen, bei einer Pressekonferenz am Vormittag erläutern. Auftreten werden dabei die Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) sowie Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ).
SPÖ will "eher nicht mitgehen", erklärte Vizeklubchef Jörg Leichtfried am Dienstag auf APA-Anfrage.
Die Idee einer verfassungsrechtlich abgesicherten Schuldenbremse gibt es schon länger. Den vor zwei Jahren diskutierten Plänen zufolge würde der Bund verpflichtet, ein maximales Defizit von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung einzuhalten, den Ländern wären in Summe 0,1 Prozent des BIP erlaubt. Dass ein solcher Plan aktuell umgesetzt werden könnte, ist aber zweifelhaft. Denn damit würde auch in Landeskompetenzen eingegriffen, wofür eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat nötig wäre, über die ÖVP und FPÖ nicht verfügen. Die NEOS sind nicht im Bunderat vertreten.
Auf einfachgesetzlicher Ebene gilt eine "Schuldenbremse" bereits - zu hohe Defizite werden auf einem Kontrollkonto verbucht und müssen in weiterer Folge abgebaut werden. Dieser Mechanismus ist auch im Stabilitätspakt mit den Ländern verankert.
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Der Rechtsanspruch auf einen Papa-Monat hat ebenfalls Chancen auf Realisierung. Fix ist, dass für einen weiteren Ausbau von Ganztagsschul-Angeboten finanziell vorgesorgt wird. Schließlich dürfte es höhere Mindestpensionen für Personen mit langen Arbeitszeiten geben.
Erst am Mittwoch steht dann die umstrittene Reform der Parteienförderungan. Ferner erst am zweiten Plenartag finden sich etwa die Zusammenlegung von Taxi- und Mietwagen-Gewerbe ("Lex Uber") sowie ebenso umstrittene Änderungen im gemeinnützigen Wohnbau.