Am Dienstagabend gab der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bekannt, dass die umstrittene Raucherregelung nicht aufgehoben wird. Kurz darauf hieß es im Parlamentsklub der ÖVP auf Anfrage der Kleinen Zeitung, dass "die Volkspartei am 2. Juli dem Antrag zustimmen wird, dass ein Rauchverbot in der Gastronomie ab 1. November vorsieht." Klubobmann August Wöginger hatte den von ÖVP-Chef Sebastian Kurz verordneten Kurswechsel bereits am 6. Juni verkündet. Ein entsprechender Antrag liegt im Nationalrat vor.
ÖVP will alte Regelung zurück
Die ÖVP will, dass das Rauchverbot in der Version eingeführt, die schon ursprünglich 2015 geplant war und erst unter Türkis-Blau wieder außer Kraft gesetzt wurde. Das teilte der Parlamentsklub der APA mit und betonte, dass man sich mit den anderen Parteien (außer der FPÖ) einig sei.
Änderungen in kleineren Details werden allerdings nicht ausgeschlossen. Wichtig war der Volkspartei, dass das Verbot erst mit 1. November in Kraft tritt, um entsprechende Übergangsfristen zu gewährleisten.
Der Beschluss aus dem Jahr 2015, der unter Rot-Schwarz getätigt wurde, sah ein komplettes Rauchverbot in der Gastronomie (ausgenommen Gärten) vor, das auch Wasserpfeifen und E-Zigaretten umfasste. Betroffen waren alle öffentlichen Orte, wo Speisen und Getränke hergestellt, verarbeitet, verabreicht oder konsumiert werden (z.B. auch Versammlungen in Pfarrsälen oder Feuerwehrfeste), nicht ortsfeste Einrichtungen wie Festzelte, Mehrzweckräumlichkeiten sowie schulische Einrichtungen und Freiflächen, in denen Kinder und Jugendliche beaufsichtigt und beherbergt werden (z.B. Internate).
Hofer sieht Nagelprobe
Nach dem Urteil glaubt FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer, dass die Abstimmung über ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie zur Nagelprobe für die ÖVP werde. "Ob man zu den im Koalitionsübereinkommen gefassten Beschlüssen steht oder nicht, ist eine Frage der Verlässlichkeit", so der Politiker am Mittwoch.
Die FPÖ habe von Anfang an klipp und klar festgestellt, dass sie an den damaligen Regierungsbeschlüssen festhält. "Die ÖVP muss für sich selbst entscheiden, ob sie das genauso sieht oder eben nicht", betonte Hofer.
Er verwies auf die Aussagen von ÖVP-Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer, der im Falle eines Beschlusses für ein generelles Rauchverbot eine Entschädigung für die Gastronomen bzw. eine Rückerstattung von Kosten für Umbauten gefordert hatte. "Offensichtlich gibt es hier unterschiedliche Meinungen innerhalb der ÖVP und man kann gespannt sein, wie die Abgeordneten im Parlament schlussendlich abstimmen werden."
Entscheid des Höchstgerichts
Mit einer Überraschung hatte zunächst der Verfassungsgerichtshof aufgewartet. Die von mehreren Parteien beeinspruchte Raucherregelung in Lokalen sei verfassungskonform und müsse nicht geändert werden. Dem Vernehmen gingen der Entscheidungen heftige interne Debatte unter den Höchstrichtern voraus.
Einen Einspruch hatte die Wiener Landesregierung erhoben. Der Antrag wurde damit begründet, dass diese Bestimmungen gegen mehrere Grundrechte verstoßen würden, gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf Achtung des Privatlebens sowie das Recht auf Leben. Im Besonderen machte die Wiener Landesregierung eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verschiedener Betriebe sowie eine Verletzung des Vertrauensschutzes der Gastronomen geltend.
In Bezug auf den Arbeitnehmerschutz hält der VfGH in der Aussendung, die der Kleinen Zeitung vorliegt, fest, dass die Rechtsordnung in vielfachem Zusammenhang menschliche Verhaltensweisen akzeptiert, die auf die eine oder andere Weise negative Auswirkungen für andere Menschen oder die Allgemeinheit haben können, Der Gesetzgeber bewerte den Freiheitsgewinn höher als die nachteiligen Folgen.
Als sachlich begründbar erachtet der VfGH auch die bekämpfte Unterscheidung zwischen kleinen Gastronomiebetrieben, die vom Rauchverbot ausgenommen sind, und größeren Betrieben, die verpflichtet sind, einen rauchfreien Hauptraum einzurichten. Auch das Bedenken hinsichtlich des Vertrauensschutzes von Gastronomen teilt der VfGH nicht. Ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie lasse sich auch nicht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ableiten. Den Mitgliedstaaten komme ein Beurteilungsspielraum zu.
Bedauern bei SPÖ, FPÖ sieht "Sieg der Vernunft"
Mit großem Bedauern hat Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof zum Rauchverbot in der Gastronomie zur Kenntnis genommen. "Nun ist das Parlament am Zug", sagte Sima laut einer Aussendung. Die ÖVP müsse ihr Wort halten. Erfreut über den VfGH-Spruch zeigte sich nur die FPÖ.
Das Höchstgericht sehe den Gesetzgeber in der Verantwortung, die "Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen in Einklang zu bringen". Sima, die die Causa vor den VfGH gebracht hatte, forderte daher das Parlament auf, im Sinne des Schutzes der Nichtraucher rasch zu entscheiden und im nächsten Plenum für das Rauchverbot in der Gastronomie zu stimmen.
Rendi-Wagner: Parlament ist gefordert
"Das Erkenntnis des VfGH zum Rauchverbot ist zwar bedauerlich, ändert aber nichts an meiner Position", reagierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Beim Nichtraucherschutz stehe die Gesundheit der Bevölkerung an oberster Stelle. "Das haben wir auch bei unserem Antrag im Nationalrat klar gemacht." Die ÖVP können sich nun entscheiden: Halte sie Wort oder riskiere sie die Gesundheit der Österreicher aus taktischen Gründen. "Die Gesundheit darf niemals parteipolitischer Spielball sein", fügte Rendi-Wagner hinzu.
Bei der Wiener Ärztekammer, Mitinitiator des "Don't Smoke" Volksbegehrens, zeigte man sich überzeugt, dass keine der Parteien nach dem Erkenntnis des VfGH von ihrer Zustimmung zu einem allgemeinen Rauchverbot in der Gastronomie abweichen wird. "Die Frage eines Rauchverbots in der Gastronomie ist grundsätzlich keine politische, sondern ausschließlich eine medizinische im Sinne der Gesundheit der Menschen", sagte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres.
FPÖ sieht "Sieg der Vernunft"
Der designierte Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp kommentierte dagegen das VfGH-Erkenntnis als "Sieg der Vernunft" und als "Gewinn für alle Wiener Gastronomen". "Gerade die Wien mit ihrer allseits geschätzten Heurigen- und Gastronomiekultur kann vorerst aufatmen", meinte Nepp. "Die Abgeordneten zum Nationalrat - allen voran die Kurz-ÖVP - sollten sich an ihren kommenden Abstimmungen daran orientieren", sagte der nicht amtsführende Vizebürgermeister.
In seiner Position gestärkt, "dass das Parlament die Entscheidung für das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie fällen muss", reagierte wiederum NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker auf das Urteil. "Wie der VfGH klar macht, obliegt es dem Gesetzgeber, 'die Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen und mit den öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen'. Genau deshalb muss der Nationalrat aktiv werden und das Verbot beschließen", betonte Loacker. Auch er forderte von der ÖVP Pakttreue.