ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat Montag früh überraschend zu einer Pressekonferenz anlässlich eines "Fälschungsskandals" eingeladen. Gemeinsam mit ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer referierte Kurz dort folgenden Sachverhalt:
Die ÖVP sei von einem österreichischen Medium mit Mails konfrontiert worden, die er in seiner Zeit als Bundeskanzler an den damaligen Minister Gernot Blümel (ebenfalls ÖVP) geschickt habe - jeweils von und an ihre @oevp.at-Adresse. Die Mails sollen im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre stehen, den genauen Inhalt wollte Kurz aber nicht nennen.
Bei diesen Mails handle es sich um Fälschungen, sagt Kurz. "Das hat uns in der Bundesparteizentrale schockiert." Die ÖVP habe sowohl interne Ermittlungen angestellt, eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt - und das internationale Beratungsunternehmen Deloitte Forensics mit der Überprüfung beauftragt.
Deloitte soll daraufhin von dem Medium auch technische Informationen erhalten haben, die eine Prüfung ermöglicht hätten - ein Bericht Deloittes soll belegen, dass es sich um eine Fälschung handle. Hier der Bericht zum Downloaden - es fehlen allerdings sechs Seiten.
Prüfbericht
Das ganze Statement von Kurz und Nehammer:
Verschickt wurden die angeblichen E-Mails im Februar 2018 - also lange vor Auffliegen der Ibiza-Affäre. Sowohl die der Partei vorliegenden Screenshots der E-Mails als auch die vom Medium übermittelten technischen Daten der Mails erwecken laut Kurz den Eindruck, als kämen sie "direkt aus unseren IT-Systemen". "Es handelt sich bei diesen E-Mails um eine Fälschung, wenn auch um eine aufwändig und gut gemachte Fälschung", versicherte Kurz.
Auf der Suche nach den Hintermännern
Übermittelt wurden der ÖVP die gefälschten Mails offenbar von der rechtskonservativen Plattform eu-infothek.com. Diese beklagt unter dem Titel "Ibiza-Gate: Im stillen Auge des Taifun", dass die österreichischen Medien sich zu wenig der Recherche über die Hintergründe des Entstehens des Ibiza-Videos widmeten. Die eigenen Recherchen dieser Plattform hingegen hätten "wichtige, neue Erkenntnisse und Informationen" ans Licht gebracht, auf Basis derer man "der ÖVP eine kleine Anfrage per Mail" senden musste, um diese Informationen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Die Plattform ist sehr darum bemüht, die Hintermänner der Ibiza-Affäre dingfest zu machen. Der Betreiber der Plattform, Gert Schmidt, ist ein Freund von Johann Gudenus, den die Affäre das Amt kostete.
"Flucht nach vorne"
Die FPÖ hat das Bekanntmachen der offenbar gefälschten E-Mails von Obmann Sebastian Kurz und seinem Vertrauten Gernot Blümel durch die ÖVP indes als "Flucht nach vorne" bezeichnet. "Eine Pressekonferenz abzuhalten, um etwas zu dementieren, das noch niemand gesehen hat, mutet schon etwas seltsam an", so FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker.
Der FPÖ-Generalsekretär bezeichnete die Pressekonferenz von Kurz und ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer am Montag, in der sie selbst die Existenz der ihrer Darlegung nach gefälschten E-Mails öffentlich machten, als "bizarr". Hafenecker ortete darin die "bekannte 'Haltet den Dieb!'-Methode".
Bemerkenswert fand er, dass Kurz und Nehammer kein Wort über den Inhalt verloren hätten. Zudem würden Aussagen aus ÖVP-Kreisen Wochen vor der Veröffentlichung des "Ibiza-Videos" an "Brisanz gewinnen", wonach es "den Strache (Heinz-Christian, ehemaliger FPÖ-Chef, Anm.) eh nimmer lang geben" werde, so Hafenecker, der erneut eine lückenlose Aufklärung forderte.