Bundeskanzler Sebastian Kurz schilderte am Freitagabend in der ZiB 2 seinen persönlichen Blick auf die abgelaufene Chaos-Woche der Innenpolitik. Als vorigen Freitag das Ibiza-Video bekannt wurde, sei er "mit dem Gefühl schlafen gegangen, dass diese Regierungszusammenarbeit nicht fortgesetzt werden kann", sagte er. Darüber habe er aber am Samstag noch gründlich nachgedacht.
Wechselbad der Gefühle
Die Schilderung von Ex-Innenminister Herbert Kickl, er, Kurz, habe sich anfangs eine bloße Versetzung Kickls in ein anderes Ressort vorstellen können, sei "so nicht richtig", meinte der Kanzler. Und weiter: "In der ersten Emotion gab es seitens der FPÖ ganz unterschiedliche Reaktionen." Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache sei "verständlicherweise in einem Wechselbad der Gefühle" gewesen. Seitens der FPÖ habe aber das nötige Problembewusstsein und die Sensibilität gefehlt, dass es jetzt vorrangig um Transparenz und Aufklärung gehen müsse.
"Verkrampft durchgepeitscht"
Von Staatskrise sprach Kurz nicht. Seine Formulierung: "Österreich ist gerade in einer sehr herausfordernden Zeit." Zum Umstand, dass nun auch die FPÖ seine Abwahl als Kanzler betreibe, sagt Kurz: "Ich kann emotional nachvollziehen, dass es Rachegelüste bei Kickl gibt." Dieser habe die 1,50-Euro-Verordnung und die Ernennung von Peter Goldgruber zum Generaldirektor für öffentliche Sicherheit "in den Stunden im Affekt noch verkrampft durchgepeitscht". Deshalb seien diese Schritte nun wieder zurückgenommen worden.
Eine künftige Neuauflage der Koalition mit der FPÖ schloss Kurz zwar nicht völlig aus, aber er sagte: "Wäre die FPÖ regierungsfähig, dann wäre diese Koalition nicht zerbrochen."
Philippa Strache: "Wie ein Opferlamm"
Zeitgleich mit Kurz schilderte auf dem Sender Puls4 die Ehefrau von Strache, Philippa Strache, ihre Sicht auf die Ereignisse. Der Vizekanzler und sie selbst hätten an dem besagten Freitag abend das Video gesehen - nicht früher als alle anderen. Anfangs habe man sich das alles nicht erklären können, Strache habe keine rechte Erinnerung daran gehabt, sie selbst habe gedacht: "Das ist nicht der Mensch, den ich kenne."
Liveschaltung nach Wien?
Inzwischen sei aber klar, dass das alles eine konstruierte Geschichte war: "Er ist wie ein Opferlamm zur Schlachtbank geführt worden." Die Falle sei ein Jahr lang vorbereitet worden, es habe sich um eine völlig konstruierte Situation gehandelt. Der weibliche Lockvogel und deren Begleiter hätten gezielt darauf hingearbeitet, von Strache die gewünschten Antworten zu erhalten.
So sei etwa der Kauf der Kronenzeitung von deren Seite als Thema aufgebracht worden. Die angebliche Oligarchennichte habe mehrmals den Raum verlassen, sich offenbar Instruktionen geholt: "Denn woher soll eine Prostituierte aus Lettland die Funke-Gruppe kennen, die die Kronenzeitung kaufen könnte?" Möglicherweise habe es damals auch eine Live-Schaltung nach Wien mit kleinen Kopfhörern gegeben.
"Wie kann man so deppat sein?"
HC Strache sei nach Sichtung des Videos sofort noch am selben Abend zum Rücktritt entschlossen gewesen, erzählte Philippa Strache. "Rückblickend betrachtet bin ich stolz auf ihn, wie er sich nachher verhalten hat." Im ersten Moment nach dem Ansehen des Videos habe sie aber zu ihrem Mann gesagt: "Wie kann jemand wie du so deppat sein?"