Erstmals hat ein Kanzler einen Bundespräsidenten gebeten, einen seiner Minister aus dem Amt zu entlassen. Erstmals in der Zweiten Republik gibt es eine ÖVP-Minderheitsregierung. Erstmals muss ein Kanzler schon eine Woche nach dem Wechsel des Kabinetts fürchten, dass ihm oder gleich der ganzen Regierung das Parlament das Misstrauen ausspricht.
Sechs bis sieben Experten werden nach dem Abgang der FPÖ-Minister deren Ministerien leiten (der Staatssekretär muss nicht nachbesetzt werden). Im Nationalrat herrscht ab jetzt das freie Spiel der Kräfte. Wenn es hart auf hart kommt, braucht es einen Mann, der statt ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz Österreich bis zur nächsten Wahl führt. Einen Menschen, der Experte in Verfassungsfragen ist, und dem alle Parteien vertrauen können. Heinz Fischer, der Vorgänger von Alexander Van der Bellen, wäre so ein Experte.
Fischer wurde von Armin Wolf in der ZiB 2 befragt, wie es nun weitergehen kann. Für den erfahrenen Langzeitpolitiker hat es Österreich übrigens keineswegs mit einer "Staatskrise" zu tun, denn "die Verfassung zählt Lösungen und Möglichkeiten auf". Dennoch: Die Stabilität der Regierung sei durch die Ereignisse der letzten Stunden verloren gegangen. Die Minderheitsregierung Kurz stütze sich auf lediglich 62 von 183 Abgeordneten, die Mehrheit, 121 Mandatare, "sind nicht auf seiner Seite."
Wie wird es weitergehen? Fischer malte das Szenario auf:
- Wenn die FPÖ-Minister heute zurücktreten, müssen sie nachbesetzt werden (alle außer dem Staatssekretariat)
- Der Bundeskanzler macht Vorschläge für die Nachfolger, wenn der Bundespräsident damit einverstanden ist, werden sie von ihm ernannt
- Wenn es dem Kanzler nicht gelingt, von einer Mehrheit im Übergang bis zur Wahl getragen zu werden, kann ihn der erste Misstrauensantrag das Amt kosten. Der Bundespräsident müsste dann jemand anderen mit der Regierungsbildung beauftragen.
- Der oder die Neue müsste dann ein neues Kabinett zusammenstellen, der Bundespräsident zustimmen und die Minister ernennen.
Und da wären wir wieder bei Heinz Fischer. Eine erfahrene Persönlichkeit müsste dieser Neue / die Neue sein, mit hohem öffentlichem Ansehen. Er oder sie müsste in der Lage sein, Österreich nach innen und außen zu vertreten, maximal ein halbes Jahr lang, bis zur Nationalratswahl. Er / sie müsste durch Gelassenheit zur Beruhigung des Klimas beitragen, den Beschluss teurer Wahlzuckerln verhindern.
Fischer zählte im Gespräch mit Armin Wolf nüchtern all diese Voraussetzungen auf. Und Wolf fragte ihn das Naheliegende. Könnte er, Heinz Fischer, dieser "Notkanzler" sein? Seine Name wurde in den vergangenen Stunden mehrfach genannt.
Fischer schließt es aus. Zum jetzigen Zeitpunkt. Sag niemals nie...
Claudia Gigler