Da saßen sie an diesem entscheidenden letzten Tag der türkis-blauen Koalition, als wollten sie der Öffentlichkeit vorführen, wie die FPÖ die alte Doppelstrategie der Politik leben will: Einer macht den Sanften, der andere den Harten – „good cop, bad cop“ nennt man das bewährte Spiel.
Sie mussten sich beide nicht verbiegen dafür. Norbert Hofer hat schon in seinem Wahlkampf um die Hofburg gezeigt, wie weit ein Freiheitlicher mit freundlichem Lächeln kommen kann. Schon oft hatte die FPÖ Persönlichkeiten für das höchste Amt im Staat ins Rennen geschickt, nie ist eine auch nur in die Nähe der Hofburg gekommen. Norbert Hofer wäre es beinahe gelungen. „Man hat einen Bären in mir geweckt“, sagte er nach der Niederlage gegen Alexander Van der Bellen. Ein erstaunlicher Ausdruck für politischen Ehrgeiz. Man möge ihn nicht unterschätzen, hatte der neue Parteichef gesagt. Das gilt auch für Bären.
Herbert Kickl handelt mit der harten Währung der Zustimmung und die ist mit Verbindlichkeit nicht zu haben. Was Kickl zu suchen scheint, ist der Widerstand gegen seine Arbeit, sind Attacken gegen seine Person. Je unproportionierter sie ausfallen, desto besser für ihn, scheint der maßlose Angriff doch zu bestätigen, dass er den richtigen Punkt getroffen hat. Je höher die Wogen, desto schärfer seine Gegenpolemik. Mit besorgtem Blick tritt er dann als kompromissloser Vollstrecker der Politik seiner Partei auf, einer Partei, die ohne ihn und seine Härte nicht dort wäre, wo sie ist.
Auch an diesem Montag klingt das in seiner Rede an. Von der „Knochenarbeit“ spricht er, die freiheitliche Minister geleistet hätten, gegen den Widerstand aller anderen. Auch die ÖVP zählt Kickl zu den Gegnern, vor allem jene in der Partei, „die mit linken Parteien koalieren wollen“. Selbst die Parteispitze des Koalitionspartners habe ihn in seiner Arbeit am Ende im Stich gelassen, behauptet Kickl. Der Wahlkampf ist längst eröffnet.
Wie Kickl nutzt auch Hofer den gemeinsamen Auftritt zur Imagepolitur und zur stilistischen Abgrenzung. Das Bild, das er von sich zeichnet, passt eher zu Rollen, die er bereits kennt: Nationalratspräsident oder Kandidat für die Hofburg. „Es war mir immer wichtig, ein gutes Verhältnis zu allen anderen Parteien zu pflegen“, sagt der FPÖ-Chef zum Auftakt eines harten Wahlkampfs. Und weil es eben überraschend ist, fügt er an, damit sei auch die SPÖ gemeint. Hofer hatte gleich nach Amtsantritt den SP-dominierten ÖBB-Aufsichtsrat umgefärbt, sehr zur Entrüstung der Partei, die die Bahn stets als ihre Domäne betrachtet hatte. Nun lobt er die „hervorragende Arbeit“ der Führung von ÖBB und Patentamt, die er bewusst in Händen kompetenter Sozialdemokraten belassen habe.
Wichtig ist mir auch, dass Sie wissen, dass ich Ihre Arbeit sehr schätze“, sagt Hofer zu den in den kleinen Pressesaal des FPÖ-Parlamentsklubs gepferchten Medienvertretern. Und wieder klingt der Satz wie eine bewusste Abgrenzung gegenüber dem Mann neben ihm. Aus Herbert Kickls Ministerium war ein Papier gesickert, das die Medienlandschaft in Wohlgesonnene und Feinde unterteilt. Jene, die man als politische Widersacher betrachtet, so hieß es in dem Papier, sollten nur mit dem Nötigsten an Information versorgt werden.
Hofer nutzt seinen ersten Auftritt vor der Presse in der neuen Rolle, gegenteilige Signale auszusenden. Ausgerechnet der „Falter“, eines der Blätter, die Kickls Papier genannt hatte, eine Wochenzeitung, mit der die FPÖ seit vielen Jahren wöchentliche Fehden austrägt, bekommt ausdrückliches Lob für seine faire Berichterstattung über die gegenwärtige Regierungskrise. Das ist selbst für den verbindlichen Norbert Hofer ein starkes Stück.
Wie Hofer die Familie ins Spiel bringt
Der Burgenländer, dem auch aus anderen Parteien Handschlagqualität nachgesagt wird, ist damit wieder in einem Amt gelandet, das er nicht angestrebt hatte. Schon zur Bundespräsidentenwahl hatte die Partei ihn nötigen müssen. Hofer hatte sich nicht zuletzt wegen seiner Rückenverletzung, der Folge eines Paragleitunfalls im Jahr 2003, gegen die Strapazen dieses Wahlkampfs gewehrt.
Die Familie schien schon damals wenig erfreut, wie Hofer in seiner Bemühung um Angreifbarkeit immer wieder betont hatte. Auch diesmal bittet er die Seinen medienöffentlich um Verständnis für die Folgen der Beförderung: häufigeres Fernbleiben vom Pinkafelder Domizil.
Solche Einblicke ins Private lässt Herbert Kickl nicht zu. Der studierte Politologe und Philosoph, dessen Arbeit über Hegel allerdings nie fertig geworden ist, hat sich in den Jahren im Hintergrund eine fast undurchdringliche Diskretion angewöhnt. Das Spiel mit den Emotionen der Wähler, ob mit knappen Werbesprüchen oder scharfen Parlamentsreden, spart die eigenen aus. In der Partei ist er mit seiner Neigung zu philosophischen Grundsatzfragen ziemlich einsam.
Das nützliche Doppelspiel
Auch am Tag der Abberufung greift Kickl auf sein Repertoire zurück: Die klare Abgrenzung von Heinz-Christian Straches entlarvenden Aussagen auf Ibiza nutzt er noch zur Polemik gegen die Urheber des Videos. „Illegal“ sei es zustande gekommen, aus dem „Ausland“ hereingespielt und außerdem aus dem Jahr 2017, also alt.
Nun steht Kickl wieder einmal bevor, was er am besten kann: Wahlkämpfe organisieren. Das freundliche Gesicht seines Parteichefs wird ihm dabei noch nützliche Dienste leisten.
Thomas Götz