Der "Zib 2" zufolge heißt es aus dem innersten Kreis um den Kanzler, Kurz "wisse bereits genau, was er zu tun habe" - was darauf hindeutet, dass er die türkis-blaue Koalition beenden oder Bundespräsident Alexander Van der Bellen ersuchen könnte, Strache aus der Regierung zu entlassen.
Erinnerung an Knittelfeld: Welche Optionen hat Kurz?
Doch welche Optionen hat Kurz? Viele Polit-Beobachter fühlen sich an die Szenerie von 2002 erinnert als ein interner Aufstand in der FPÖ - "Stichwort Knittelfeld" - die damalige ÖVP-FPÖ-Koalition unter Kanzler Wolfgang Schüssel gesprengt hatte.
Neuwahlen wären eine "Flucht nach vorne", nach dem Modell Wolfgang Schüssel 2002, meint der Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Dagegen spricht aus seiner Sicht aber, dass die Wahl wegen des Fristenlaufes nicht mehr vor dem Sommer möglich wäre. Damit drohe ein Dauerwahlkampf ab Mai, wie schon 2017 - nach der Neuwahlansage des damaligen NEO-ÖVP-Chefs Kurz. Filzmaier meint, dass der Bundeskanzler hier "nur zwischen schlechten Optionen zu wählen" habe. "Die Frage ist, von welcher Option er sich am meisten verspricht."
Gegen das Weiterregieren mit einer personell erneuerten FPÖ spreche wiederum, dass Kurz dann bei allfälligen weiteren Enthüllungen "mit im Boot" sitze. Außerdem habe sich die FPÖ die Möglichkeit eines raschen Rücktritts Straches mit ihrer ersten Reaktion ("Silberstein-Methoden") de facto verbaut, sagt Filzmaier.
Sondersitzung noch vor Wahl
Die SPÖ beruft eine Sondersitzung zum "Ibiza-Video" von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ein. Sie möchte noch vor der EU-Wahl, am kommenden Mittwoch, im Nationalrat zum Thema "Beispielloser Korruptionsskandal - Bundeskanzler Sebastian Kurz gefordert!" diskutieren. Die Entscheidung über den Termin trifft Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).
Er ist nach der Geschäftsordnung verpflichtet, eine von mehr als 20 Abgeordneten beantragte Sondersitzung binnen acht Werktagen einzuberufen. Damit ist der Mittwoch nach der EU-Wahl der spätestmögliche Termin für die außertourliche Aussprache.
"Strache/Gudenus müssen sich im Nationalrat verantworten", erklärte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ihr Begehren auf Twitter - und nimmt auch den Bundeskanzler in die Pflicht: "So wie Sebastian Kurz zu seinem türkisblauen Projekt."
Justiz prüft
Unterdessen prüft die Justiz bereits, ob das heimlich gefilmte Video, strafrechtliche Tatbestände enthalten könnte. Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacekim "Kurier" zufolge wurde die Oberstaatsanwaltschaft mit einer Prüfung beauftragt.
Pilnacek warnte aber, dass man sich noch kein Gesamtbild der Lage machen könne: "Es liegen vorerst nur Video-Ausschnitte vor, der Zusammenhang lässt sich nicht beurteilen." Es stelle sich aus juristischer Sicht die Frage, ob es sich nur um Gerede gehandelt habe oder es konkrete Hinweise auf ein strafbares Verhalten gebe.
"Süddeutsche" hatte Video vor Monaten angeboten bekommen
Die "Süddeutsche Zeitung" hat allerdings schon betont, dass sie die Originalaufnahmen nicht zur Verfügung stellen werde. Die Aufnahmen seien "SZ" und etwas später dem "Spiegel" zugespielt worden. Aus Gründen des Quellenschutzes mache man keine Angaben über die Herkunft. Leila Al-Serori von der "SZ" erklärte in der ZiB2 des ORF, dass man das Video bereits vor Monaten angeboten bekommen habe. Auch Jan Böhmermann sei es zugespielt worden; dieser habe es jedoch abgelehnt, etwas daraus zu machen.
Aber von vorne:
FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache soll 2017 - vor der Regierungsbeteiligung der FPÖ - einer angeblich reichen Russin versteckte und teils mutmaßlich illegale Geschäfte angeboten haben, um von ihr eine Parteispende für die FPÖ zu erhalten.
Die vorgegebene Russin war allerdings ein Lockvogel, das Treffen Straches und FPÖ-Klubobmanns Johann Gudenus auf Ibiza wurde heimlich gefilmt Die deutschen Medien Süddeutsche Zeitung und Der Spiegel haben die Aufnahmen nun zugespielt bekommen und Teile des Videos veröffentlicht.
"Das erste in einer Regierungsbeteiligung ist dann: Der Haselsteiner (damals Strabag-Chef, Anm.) kriegt keine Aufträge mehr", sagt Strache in dem Video, und später, in Richtung der Russin: "Dann soll sie eine Firma wie die Strabag gründen. Alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt sie dann."
Das Treffen soll im Juli 2017 auf Ibiza stattgefunden haben - wenige Monate vor der Nationalratswahl im Oktober; in den Umfragen lag die FPÖ damals gleichauf mit der SPÖ, eine Regierungsbeteiligung galt bereits damals als wahrscheinlich.
Leitartikel
Die Russin, die Strache und Gudenus als "Aljona Makarowa" vorgestellt wurde, angeblich Nichte eines Putin-nahen russischen Oligarchen, erklärte den FPÖ-Politikern, sie wolle einige Hundert Millionen Euro in Österreich investieren - russisches Geld unklarer Herkunft. Unter anderem stellte sie in Aussicht, relevante Anteile an der "Krone" erwerben zu wollen und mit der Berichterstattung des Blatts anschließend die FPÖ im Wahlkampf unterstützen.
Quelle: Spiegel/Süddeutsche Zeitung
Strache und Gudenus stellen Gegenleistungen in Aussicht
Die Frau verlangte für derartige Unterstützung Gegenleistungen. Im Verlauf des etwa siebenstündigen Treffens seien etliche Vorschläge besprochen worden, so Süddeutsche und Spiegel: So hätte Strache erklärt, dass die österreichische Baufirma Strabag im Falle einer FPÖ-Regierungsbeteiligung keine Staatsaufträge mehr bekommen werde. Stattdessen sollte der Zuschlag an eine Firma der angeblichen Russin gehen - und zwar mit "Überpreis", also zu überhöhten Preisen. Er stellte auch staatliche Glücksspiellizenzen in Aussicht. Zu einer konkreten Absprache kam es bis zum Ende des Treffens nicht.
Strache und Gudenus bestätigten gegenüber der Süddeutschen, dass 2017 auf Ibiza "ein Treffen in feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre" stattgefunden habe. Beide hätten an dem Abend mehrmals "auf die relevanten gesetzlichen Bestimmungen und die Notwendigkeit der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung" hingewiesen.
Auf den Videos, die von den Zeitungen zwei Gutachtern zur Überprüfung vorgelegt und von diesen in ihrer Echtheit bestätigt worden sind, ist zu hören, wie Strache der angeblichen Russin einen Weg offenbart, wie sie ihr Geld womöglich an gesetzlichen Vorschriften vorbei an die FPÖ bringen könnte. Statt an die Partei solle an einen zwischengeschalteten Verein gespendet werden. So lasse sich eine Meldung an den Rechnungshof umgehen: "Der Verein ist gemeinnützig, der hat nichts mit der Partei zu tun", so der FPÖ-Chef.
Wenn stimmt, was Strache an jenem Abend auf Ibiza erzählt haben soll, wäre dieses mutmaßlich illegale System der Parteienfinanzierung bereits eingeführt gewesen. "Es gibt ein paar sehr Vermögende, die zahlen zwischen 500 000 und eineinhalb bis zwei Millionen", sagt Strache in dem Video. Unter anderem hätten Waffenfabrikant Gaston Glock, die deutsche Milliardärin Heidi Goëss-Horten, den Unternehmer René Benko und der Glücksspielkonzern Novomatic bereits eingezahlt. Sowohl Goëss-Horten, Benko als auch Glock und Novomatic bestreiten das gegenüber der Süddeutschen.