Der Nationalrat hat Mittwochabend ein Kopftuchverbot für Volksschulkinder beschlossen. Für die Neuregelung stimmten bloß ÖVP und FPÖ. Da so kein Verfassungsgesetz zustande kam, sind Beschwerden gegen das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof wahrscheinlich, wie auch die ÖVP eingestand.
Mit dem Kopftuchverbot wird "das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist", untersagt. Ausgenommen sind folgerichtig Verbände aus medizinischen Gründen bzw. Kopfbedeckungen aus Witterungsgründen. Dass die jüdische Kippa und die Patka der Sikhs nicht gemeint sind, soll dadurch klar gestellt werden, dass es um Kleidungsstücke geht, "welche das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllen".
SPÖ: Verbot allein bringt nichts
Seitens der SPÖ meinte die frühere Bildungsministerin Sonja Hammerschmid, dass das Verbot als Einzelmaßnahme nicht zielführend sei. Denn nach der Schule würden die Mädchen das Kopftuch wieder aufsetzen. Letztlich gehe es der Koalition aber ohnehin nur um die Schlagzeile, ortete Hammerschmid Verlogenheit von ÖVP und FPÖ. Sinnvoll wäre nämlich, Geld für Psychologen, Sozialarbeiter sowie Integrations- und Deutschpädagogen in die Hand zu nehmen.
Für NEOS-Mandatarin Irmgard Griss stellt sich die Frage, ob der Schaden durch das Verbot nicht größer sei als der Vorteil. So würden Mädchen in österreichischen Volksschulen dafür verantwortlich gemacht, dass autoritäre Regime wie der Iran oder Saudiarabien Frauen unterdrücken. Zudem gebe es keine Evidenz, dass Mädchen mit Kopftuch weniger leicht lernen.
Ginge es nach JETZT-Bildungssprecherin Stephanie Cox, sollten die Schulen überhaupt religionsfreie Räume werden. Nur weil man etwas nicht dürfe, lerne man nicht daraus, sieht sie wie Hammerschmid eine populistische Einzelmaßnahme gegen eine religiöse Minderheit.
Regierung bestreitet Symbolpolitik nicht
Dass es sich um Symbolpolitik handle, wurde von der Koalition gar nicht bestritten. Seitens der ÖVP nannte ihr Mandatar Rudolf Taschner das Kinderkopftuch ein politisches Symbol der Unterdrückung. Es gehe darum den Kopf frei zu halten und die Mädchen von der Zumutung einer Unterwerfung zu befreien. Den Populismusvorwurf wies Taschner zurück: "Das Einstehen für die Aufklärung ist gar nicht populistisch."
FPÖ-Bildungssprecher Wendelin Mölzer sah in manchen Redebeiträgen wie jenem von Griss eine Elfenbeinturm-Pespektive fernab der Realitäten. Es gehe jedoch darum, ein Signal gegen den politischen Islam zu setzen. Das Kopftuch werde verboten, damit sich Mädchen integrieren können.
Unterrichtsminister Heinz Faßmann (ÖVP) meldete sich in der Debatte nicht zu Wort.
IGGÖ will klagen
Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) will das tags zuvor im Nationalrat beschlossene Kopftuchverbot vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bringen. Dafür werde man sich "gewissenhaft vorbereiten", so IGGÖ-Präsident Ümit Vural in einer Aussendung am Donnerstag.
Zudem ortete Vural einen "schwarzen Tag" für die Demokratie: "Das Kopftuchverbot an Volksschulen führt erst zu Segregation und Diskriminierung von muslimischen Mädchen." Bei dem Verbot geht es laut Vural nicht um das Kindeswohl. Das vorliegende Gesetz diskriminiere ausschließlich das islamische Kopftuch. Dieses sei aber "Teil der religiösen Praxis".
Auch die Bundesjugendvertretung (BJV) ortete eine Diskriminierung muslimischer Mädchen, weil das Verbot die jüdische Kippa oder die Patka der Sikhs nicht umfasse. "Das Gesetz verstößt eindeutig gegen die Rechte von Kindern, zu deren Einhaltung sich Österreich mit der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet hat", meinte BJV-Vorsitzender Derai Al Nuaimi.