Die ÖVP hatte am Dienstag rund um die Diskussion über die "Pommes-Verordnung" einen Partei-internen Konflikt über den Bürokratie-Abbau in der EU dementiert. Sowohl EU-Spitzenkandidat Othmar Karas wie auch ÖVP-MinisterinElisabeth Köstingerbetonten den Konsens. Die Opposition wiederum attestierte ÖVP-Chef Sebastian Kurz Populismus. Letzterer wies die Kritik zurück und bekräftigte seine Vorschläge.
Entzündet hatte sich die Debatte an Kurz' Forderung nach einem Ende eines "Regelungswahnsinns" und einer "Bevormundung" durch Brüssel vom Sonntag. Dabei hatte er die Streichung von 1.000 nicht näher definierten EU-Verordnungen verlangt: "Kein Mensch braucht EU-Vorgaben, etwa für die Zubereitung von Schnitzel und Pommes", meinte der Regierungschef.
Experte: ÖVP schielt auf EU-kritische Wähler
Laut Bundespartei sei der Einstieg von Kurz in den Endspurt des Wahlkampfes immer geplant gewesen. Meinungsforscher Peter Hajek sieht hier zwei Überlegungen. Einerseits jene, dass ÖVP noch zusätzliche Mobilisierung brauche und das der Kanzler nun übernehme. Oder jene, dass man so EU-kritischere Wähler ansprechen wolle, die sonst ihr Kreuz vielleicht bei den Freiheitlichen gesetzt hätten, erklärt Hajek im Ö1-"Morgenjournal".
Für letzteres Szenario spricht auch der Einsatz von Karoline Edtstadler beim heutigen TV-Duell gegen FPÖ-Kandidat Harald Vilimsky. Die Einmischung von Kurz in den Wahlkampf überrasche Hajek nicht, "er ist eben das beste Pferd im ÖVP-Stall".
Karas widersprach und ruderte zurück
Karas erklärte daraufhin zunächst, dass in den vergangenen Jahren bereits "Hunderte EU-Gesetze" abgeschafft, nicht weiterverfolgt oder evaluiert worden seien. Am Montagnachmittag sagte er dann bei einer Podiumsdiskussion in Wien, dass er eine Abschaffung der EU-Verordnung zu frittierten Produkten für nicht notwendig erachte: "Wir haben die Debatte geführt (...). Daher halte ich das für nicht notwendig, sie jetzt zwei Jahre danach einzustampfen."
Vielmehr unterstütze er die Anliegen für weniger Bürokratie und die Abschaffung von Vorschriften auf EU-Ebene. Das gelte "auch für die Pommes-Verordnung, denn wenn man das Ziel des Krebsschutzes auch mit anderen Mitteln erreichen kann, braucht es keine Pommes-Verordnung". Bei dieser Verordnung geht es um die Regelung der Zubereitung frittierter Speisen, da bei einer übermäßigen Erhitzung von stärkehaltigen Lebensmitteln (wie etwa Kartoffeln) krebserregende Stoffe entstehen können.
Opposition sieht Populismus
Die Opposition konnten diese Worte nicht besänftigen. "Zwischen der ÖVP und der FPÖ gibt es keinerlei Unterschiede mehr", befand SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zu den EU-kritischen Aussagen von Kurz. Dass der Kanzler die Streichung von 1.000 EU-Verordnungen gefordert hat, aber gerade einmal eine einzige nennen konnte, hält Leichtfried für scheinheilig und populistisch: "Das ist alles leeres Gerede, das ist alles Populismus, um der FPÖ vielleicht einige Stimmen bei der Europawahl wegzunehmen."
NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ortete Ähnlichkeiten zwischen Kurz und weit rechts stehenden Politikern wie Italiens Innenminister Matteo Salvini oder Ungarns Premier Viktor Orban. Und sie warnte davor, dass es angesichts derartiger Wortmeldungen durchaus denkbar sei, dass Konservative wie Kurz im EU-Parlament mit Rechtsextremen die Zusammenarbeit suchen könnten.
Eine "europapolitische Bankrott-Erklärung" von Kurz ortete JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann. Damit sei der pro-europäische Lack ab, Kurz sei "zum Anti-Europäer geworden" und habe jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Und für den Grünen Spitzenkandidaten Werner Kogler ist "nach Sebastian Kurz (...) nun auch Othmar Karas endgültig im Bierzeltpopulismus" angekommen.