Der Vorfall in jener Wiener HTL, in der ein Lehrer und ein Schüler aneinandergeraten waren, sei lediglich „ein Beschleuniger unseres Nachdenkens gewesen, nicht der Auslöser“, beeilt sich Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zu betonen, als er der Öffentlichkeit seine Pläne gegen Gewalt an Schulen präsentiert.
Diese sehen unter anderem eine Ausbildung von Lehrern zu Streitschlichtern und präventive Teambuilding-Maßnahmen vor. Bei Letzteren sollen neu formierte Schulklassen am Anfang des Schuljahres Ausflüge machen, um den Klassenzusammenhalt zu stärken. Aber auch die Einrichtung von Time-out-Gruppen ist geplant. Dabei sollen verhaltensauffällige Schüler für „etwa eine Woche oder ein Monat“ aus der Klasse genommen und in Gruppen bis zu je acht Personen getrennt unterrichtet werden.
"Sonst wird es schlimmer als zuvor"
„Fraglich ist, ob das irgendetwas ändert“, sagt der Mobbing-Experte Hans-Peter Schume. Der Kriminalpräventionsbeamte steht täglich sechs Stunden in Schulklassen und arbeitet mit Schülern und Lehrern daran, Mobbing und Gewalt zu verhindern. „Ein Drogenabhängiger ist ja auch nicht automatisch nicht mehr abhängig, nur weil er ein paar Monate im Gefängnis war.“ Der Täter müsse selbst einsehen, dass sein Verhalten nicht richtig war. Dazu müsse man aber gezielt mit ihm arbeiten. „Sonst kommt er nach ein paar Wochen noch verärgerter in die Klasse zurück und es wird schlimmer als zuvor.“
Laut Schume passiert Mobbing „nicht von heute auf morgen, das baut sich in der Regel innerhalb von drei bis vier Wochen auf.“ Auch er hat das Video aus der Wiener Schule gesehen. „Dieses Traktieren muss über einen längeren Zeitraum passiert sein. Denn dass der Lehrer so weit geht, dass er den Buben anspuckt, war ein Akt der Verzweiflung.“ Mobbing gehe übrigens nicht nur von Buben aus. „Auch Mädchen mobben – und das teils intensiver und härter. Hier geht es oft um Rache, bei den Buben eher um Angeberei.“
"Es gibt kein generelles Anti-Mobbing-Rezept"
Die von Minister Faßmann vorgeschlagenen Teambuilding-Maßnahmen begrüßt der Experte. „In Klassen mit einem Gemeinschaftsgefühl ist Mobbing oft schlicht kein Thema.“ Entsteht es doch, kann das viele Gründe haben. „Deshalb gibt es auch kein generelles Anti-Mobbing-Rezept.“ Es brauche aber Arbeit in den Schulen. Neues Personal ist in Faßmanns Maßnahmenplan nicht vorgesehen.
Von der Politik wünscht sich Schume ein Bewusstsein für das Thema Mobbing – „auch abseits von Aufreger-Fällen wie jenem in Wien“. Denn: „Es macht keinen Sinn, wenn man die Feuerwehr erst ruft, wenn es schon brennt. Man muss alles dafür tun, dass es zu gar keinem Brand kommen kann.“