"Bevor das Volk ausgetauscht wird, sollte man die Politiker austauschen", schreibt Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Anfang der Woche auf seinem Facebook-Profil und bekräftigt in der "Krone" noch, dass "Bevölkerungsaustausch" ein "Begriff der Realität" sei.
Das ist einerseits ein Zugeständnis an den rechten Rand: Die Verschwörungstheorie vom "Großen Austausch" ist eine wiederkehrende Erzählung migrationskritischer Kreise: Davon, dass die "Völker des Westens" die Weißen von Zuwanderern und ihren Kindern verdrängt würden. Und davon, dass dieser "Austausch" gesteuert würde.
Neu ist das nicht: Mit angeblicher "Umvolkung" Angst schüren konnten schon die Nazis und Generationen von Populisten und Extremisten bis hin zu den Identitären und dem Attentäter von Christchurch.
Österreich wird definitiv diverser
Ein Grund, warum die Geschichte vom "Austausch" auf fruchtbaren Boden fällt, ist, dass sich die Zusammensetzung der Bevölkerung in Österreich merklich verändert. Und ein Ende dieser Veränderung ist auch auf lange Sicht nicht absehbar. "Österreich wird definitiv diverser", sagt Anne Goujon, Forscherin am Institut für Demografie an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Die Veränderung durch Zuwanderung und damit auch das diffuse Gefühl, "fremd im eigenen Land" zu werden, hat viele Gesichter: Die Zahl an Menschen unterschiedlicher Hautfarbe etwa oder Sprachgebrauch im aktuellen Integrationsbericht des Bundes ist etwa die Rede davon, dass die Zahl der Schüler, die nicht Deutsch als Umgangssprache führen, in Wien bei 51 Prozent liegt, bundesweit bei 25 Prozent.
Schon jetzt ist jeder fünfte Einwohner Österreichs im Ausland zur Welt gekommen. In den nächsten Jahrzehnten geht der Anteil auf ein Viertel zu, schätzt die Statistik Austria.
Am heftigsten diskutiert wird aber das Verhältnis der Religionen untereinander. Goujon und ihr Team haben dazu vor Kurzem eine Studie veröffentlicht.
Anteil der Muslime hat sich seit 2000 verdoppelt
Seit Anfang des Jahrtausends hat sich der Anteil der Muslime an der österreichischen Bevölkerung demnach verdoppelt: Waren es 2001 vier Prozent, waren es 2016 bereits acht. Einerseits durch Zuwanderung (etwa die Wellen tschetschenischer, afghanischer und syrischer Asylwerber), andererseits, weil muslimische Mütter mehr Kinder bekommen als jene aller anderen Konfessionen.
Auch das ändert sich aber: Von 2001 bis 2005 lag die Zahl der Kinder muslimischer Mütter noch bei 2,75; 2010 bis 2015 nur noch bei 2,26.
Und in Zukunft? Die ÖAW zeichnet vier verschiedene Szenarien für die Entwicklung in den nächsten 30 Jahren. Sie unterscheiden sich nach den Variablen Einwanderung, Geburtenrate und Säkularisierung.
Als wahrscheinlichste betrachtet Goujon jene, die sie "European Mobility" nennt: Einwanderung geht zurück und kommt hauptsächlich aus Europa, wie es in Österreich etwa von 2006 bis 2010 der Fall war. Geburtenrate und Säkularisierung entwickeln sich ohne Ausreißer weiter wie bisher. Auch in diesem Szenario steigt der Anteil der Muslime auf 14 Prozent österreichweit, auf 21 Prozent in Wien, die Katholiken bleiben stärkste Konfession.
Ein deutlich diverseres Szenario zeichnet Goujon, wenn Grenzen offen wären und Österreich eine hohe Zahl an Migranten aus dem arabischen und Subsahara-Raum aufnähme: Österreichweit wäre dann 2046 mehr als jeder Fünfte Muslim, in Wien würde der Islam mit 30 Prozent der Bevölkerung Katholiken und Konfessionslose hinter sich lassen.
Szenarien, die aber nur eine ungefähre Breite der Möglichkeiten erahnen lassen: Wie sich die Gesellschaft entwickle, hänge auch von internationalen Ereignissen ab, etwa von Kriegen und anderen Krisen, die Migrantenströme auslösen können.
Georg Renner