Für die SPÖ ist die Distanzierung Heinz-Christian Straches von den Identitären unglaubwürdig - und ebenso die "doppelzüngigen" Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), erklärte Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda Dienstag in einer Pressekonferenz. Um sich glaubwürdig von den Rechtsextremen abzugrenzen, müsste die FPÖ ihr "Handbuch" umschreiben, merkte die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak an.
Vier Wissenschafter - Wodak, der Soziologe Jörg Flecker, Rechtsextremismusexpertin Judith Götz und die Politologin Natascha Strobl - sehen eindeutige Parallelen zwischen der FPÖ und den Identitären. In zahlreichen Aussagen blauer Politiker, aber auch im Parteiprogramm "Handbuch freiheitlicher Politik" fänden sich "ideologische Versatzstücke". "Das alles ist seit langem der Wissenschaft und auch dem Verfassungsschutz bekannt", betonte Wodak.
Völkische Ideologie
Die FPÖ transportierte mit ihrer Ideologie zentrale Elemente des Rechtsextremismus, damit "sickert rechtsextremes Gedankengut" in die Bevölkerung, verwies Flecker auf die hohe Fremden- und speziell Islamfeindlichkeit in Österreich. Seit 2011 bekenne sich die FPÖ im Parteiprogramm wieder zur "Volksgemeinschaft". Diese "völkische Ideologie" mit der (historisch nicht zutreffenden) Vorstellung einer "Volksgemeinschaft" mit eigener Identität sei zentrales Element rechtsextremer Ideologien - verbunden mit einer Migrations- und Familienpolitik, um das Volk "unvermischt" zu erhalten. Gefährlich werde es, wenn "zur Verteidigung aufgerufen" wird und "im Wahn" tatsächlich Gewalt ausgeübt wird.
"Links-linke Gutmenschen"
Viele "Familienähnlichkeiten" zwischen FPÖ und Identitären sieht Wodak: Beide würden Begriffe wie Invasion, Umvolkung, Überfremdung verwenden, Verschwörungstheorien einsetzen und alle Zugewanderten kriminalisieren bzw. zum Sündenbock für Missstände machen. Die "Feinde innerhalb" würden von beiden als "Multi-Kulti", "Gutmenschen" oder "Links-links" bezeichnet - und die Argumentationsstrategien seien gleich, verwies Wodak auf Ungarns Viktor Orban, der Migranten als große Gefahr für das chistliche weiße Europa darstellte.
Die FPÖ wettere seit Jahren - wie die Identitären - gegen die Gefährdung des Volks durch Zuwanderung und "Vermischung". "Der große Austausch" ist auch der Titel des Hass-Manifests des Christchurch-Attentäters, sieht Götz klare ideologische Überschneidungen. Der Ring Freiheitlicher Jugendlicher Burgenland habe sogar selbst mit dem Slogan "Wer indentitäre Inhalte teilt wählt die FPÖ" geworben. Diese Ideologie sei aber "brandgefährlich" - gehe sie doch in die Richtung, dass angesichts der Bedrohung des "Volkes" die "letzte Generation" den Untergang mit Waffengewalt stoppen müsse.
"Jugendabteilung" der Rechtsextremen
"Die Identitären und die FPÖ sind Teile desselben Spektrums", steht für Strobl fest. Die Identitären seien quasi die "Jugendabteilung" des rechtsextremen Spektrums der "Neuen Rechten" - deren Ziele es seien, den demokratischen Diskurs zu zerstören bzw. durch einen völkisch-rechtsextremen Diskurs zu ersetzen und unter dem Motto "68 von rechts" die kulturelle Hegemonie zu erreichen. Kickl habe Türkis-Blau auch als die "Regierung gegen 68" bezeichnet.
"Im Wissen um dieses Milieu" habe Kanzler Kurz die FPÖ in die Regierung geholt, sie "salonfähig" gemacht - und ihr noch dazu mit Innen- und Verteidigungsministerium den gesamten Sicherheitsappart inklusive Geheimdiensten überlassen. Also trage Kurz "persönliche Verantwortung", kritisierte Drozda.
Der Kanzler müsse für "Konsequenzen" über Straches öffentliche Distanzierung hinaus sorgen, forderte Gedenkkultur-Sprecherin Sabine Schatz. Sie versucht, mit einer Anfrageserie Licht in die Verbindungen von FPÖ und Identitären zu bringen. So hat sie bisher festgestellt, dass FPÖ-Minister um 52.000 Euro in Identitären-Publikationen wie "alles roger?" oder "Wochenblick" inseriert haben.