Die Bundesregierung prüft die Auflösung der Identitären. Das kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat an. Es gebe "keine Toleranz für gefährliche Ideologien, ganz gleich, aus welcher Ecke sie kommen".
Der von SPÖ und JETZT nach dem rassistischen Terroranschlag in Neuseeland einberufene Nationale Sicherheitsrat wird am kommenden Montag stattfinden. Die Oppositionsparteien wollten in dem Gremium allfällige Verbindungen des Attentäters zu österreichischen Rechtsextremen hinterfragen. Mit der Razzia beim Obmann der Identitären hat diese Diskussion nun neue Nahrung erhalten.
Das Bundeskanzleramt hat die Parteien nun für Montag, 20 Uhr zur Sitzung des Sicherheitsrates eingeladen. Das Gremium tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit - auch die besprochenen Inhalte sind vertraulich. Bereits zuvor - nämlich am morgigen Donnerstag - wird Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) im Nationalrat eine Erklärung zur Causa abgeben.
Verbindung bestätigt
Man könne eine finanzielle Unterstützung und somit Verbindung des neuseeländischen Attentäters mit den Identitären bestätigen, sagte Kurz. Egal welche Art von Extremismus, "sowas darf keinen Platz in unserem Land und in unserer Gesellschaft haben", und so etwas dürfe "niemals toleriert werden". Man werde mit der "vollen Härte des Gesetzes" gegen derartiges Gedankengut vorgehen. Es brauche Aufklärung, ob es hier "Machenschaften im Hintergrund" gegeben habe. Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) kündigte schonungslose Aufklärung an.
Die Justiz müsse gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden "diese Netzwerke ausheben", so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag via Aussendung. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hatte in einem via Twitter verbreiteten Statement erklärt: "Es wird gegen jeden Extremismusverdacht vorgegangen, egal ob von rechts, links oder religiös motiviert. Fanatismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz".
Der Sprecher der Identitären, Martin Sellner, weist jeglichen Kontakt zu dem Attentäter von Christchurch über die empfangene Spende hinaus zurück und bezeichnet sich und seine Bewegung als "friedliche Patrioten". Doch die Überschrift des „Manifests“ des Attentäters von Neuseeland - nämlich „Der Austausch“ - scheint eine These der Identitären aufzugreifen.
Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) beschäftigt sich seit Jahren mit der Bewegung. Für den Rechtsextremismus-Experten kommt die Spende nicht ganz überraschend, wie er im Ö1-Morgenjournal im Interview mit Bernt Koschuh sagt. Der Attentäter habe schon in seinem "Manifest" erwähnt, dass er Spenden an diverse Gruppen geleistet habe, überraschend sei nur, dass ein Australier, der in Neuseeland lebe, ausgerechnet einer Gruppe in Österreich Geld spende. Das habe vermutlich mit dem Internet, möglicherweise aber auch mit seiner Reise durch Europa inklusive Aufenthalten in Österreich zu tun. Das müsse nicht heißen, dass es direkte Kontakte gegeben habe.
Inspiration unter Rechten
Eine Art "Inspiration" habe es jedenfalls gegeben. "Und wenn es Spende gegeben hat, ist es nachvollziehbar, dass das ein Ausdruck der Unterstützung war."
Im Zusammenhang mit dem Anschlag in Neuseeland hat das Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) am Montag eine Hausdurchsuchung bei Martin Sellner, Sprecher der rechtsextremen "Identitären Bewegung Österreich" (IBÖ), durchgeführt. Sellner gab die Spende zu, für die er sich auch bedankt habe, betonte jedoch, darüberhinaus nie Kontakt zu dem Attentäter gehabt zu haben, der "die pazifistische Gruppe" der Identitären offensichtlich "in die Sache hineinziehen wollte".
Weidinger bestätigt, dass es dem Attentäter offensichtlich darum gegangen sei, Spannungen zu erhöhen, Gegensätze zu verschärfen. "Aber hier geht es offensichtlich - zumindest nach derzeitigem Erkenntnisstand - doch um eine reine Unterstützungsleistung", der Attentäter habe darüberhinaus nichts "vorgehabt" mit der Gruppe in Österreich..
Ideen schon lange da
Die Frage, ob der Umgang von Politik und Medien generell extreme Gruppen wie diese quasi in den Untergrund dränge, weil deren Ideen im politischen Diskurs keinen Platz finden, beantwortet Weidinger mit einem klaren Nein: Viele Idee hätten schon lange vor der Gründung der Identitären ihren festen Platz im Diskurs gefunden. Vor dem "Bevölkerungsaustausch" warne die FPÖ seit Jahrzehnten, auch die Rede von der "Umvolkung" sei früh aufgekommen, FP-Ideologe Andreas Mölzer habe später von "Ethnomorphose" gesprochen.
Ein Krieg mit Worten
Handelt es sich bei den Identitären tatsächlich um eine "friedliche,pazifistische Gruppe", wie Sellner sagt? Weidenholzer im Interview mit dem Morgenjournal: "Wir haben immer gesagt, dass es sich um keine gewalttätige Gruppe handelt, aber sie bedient sich einer gewaltafffinen Ästhetik, sie spielt mit der Gewaltfaszination. Sie führt einen 'Krieg ums Abendland', aber mit - bisher - überwiegend friedlichen Mitteln."
Jetzt erst recht
Eine Art Selbstbesinnung nach den Vorgängen von Christchurch vermisst Weidinger allerdings: "Die Überweisung hätte Anlass sein können für Selbstreflexion, aber die Reaktion war im Gegenteil ein Beharren, ein Jetzt erst recht." Der jüngsten Donnerstagsdemonstration hätten die Identitären ein Transparent entgegengehalten mit dem Slogan "Stoppt den großen Austausch", den Worten des Attentäters von Neuseeland.