Die „Fridays for Future“-Demos werfen der Bundesregierung Untätigkeit vor. Sie fordern, mag möge einen Klimanotstand ausrufen und alle anderen Themen dem unterordnen. Brauchen wir so einen Notstand?
Wir haben auf jeden Fall ein Problem. Das heißt Klimawandel und ist eine irreversible Veränderung, die man weder klein reden noch beiseite schieben sollte. Das Wort „Notstand“ würde auch implizieren, dass man demokratische Regeln aushebelt und da bin ich absolut dagegen. Aber prinzipiell begrüße ich sehr, dass die Jugend auf die Straße geht und etwas einfordert.
Sie haben am Montag einige der Organisatoren der Demonstration getroffen, was haben Sie besprochen?
Grundsätzlich war mir sehr wichtig, klar zu machen, dass das der Beginn ist. Ich will da nicht vereinnahmen, aber ich bin absolut begeistert, dass das Thema Klimaschutz endlich Titelseiten füllt und nicht nur Wissenschaftsseiten. Aber es braucht die Akzeptanz der Bevölkerung. Ich kann nicht wie in Frankreich CO2 Steuern einführen und 100.000 gehen dann auf die Straße, weil sie das als ungerecht empfinden.
Österreich hat sein Klimaziel 2017 verpasst, auch 2018 und 2019 werden wir darüber liegen.
Wir wollen das Ruder herumreißen. Wir haben seit 2015 diesen Anstieg, aber wir halten an den 2020-Zielen fest. Die Erarbeitung der Klima- und Energiestrategie war eine der ersten Maßnahmen dieser Bundesregierung, es ist klar, dass wir unsere Systeme umbauen müssen. . Wir haben den Ausstieg aus Öl-Heizungen mit einem Förderpaket eingeleitet, wir legen E-Mobilitätsförderungen neu auf, Verkehrsminister Hofer investiert 2,3 Milliarden in den öffentlichen Verkehr.
Gleichzeitig investiert er aber auch bis 2024 acht Milliarden in den Ausbau von Autobahnen und Schnellstraßen.
ass es auch in Zukunft Individualverkehr brauchen wird, ist klar, weil das ja auch ein erheblicher Teil der wachsenden Bevölkerung braucht. Autos und LKWs müssen einfach CO2 reduzieren – da haben wir mit Beschlüssen auf EU-Ebene unter unserem Vorsitz ja auch die Hersteller in die Pflicht genommen.
Was planen Sie konkret? Fahrverbote nach Emissionen?
Wir sind im Zuge der Steuerreform dabei, auch ökologische Komponenten zu erarbeiten. Es geht nicht darum, dass sich einige wenige einen Tesla leisten, sondern dass wir die breite Masse überzeugen, dass ihr Handeln einen Unterschied macht und langfristig unser System umzubauen. Entscheidend ist das Energiesystem. Wir müssen von fossiler Energie weg und hin zu erneuerbaren. Ganz entscheidend ist das Energiesystem. Kohle ist weltweit weiterhin der Klimatreiber Nr. 1, wir müssen von fossiler Energie weg und hin zu erneuerbaren.
Bei uns liegt der Zuwachs im CO2 Ausstoß im Verkehr.
Ja, es muss beim Verkehr angesetzt werden, der öffentliche Verkehr ist der Schlüssel Nr.1. Fahrten, die man vermeiden kann und stattdessen mit der Bahn oder anderen Öffentlichen macht, sind natürlich ein Schlüssel zum Erfolg.
Wenn es der Gedanke ist, die Leute zum öffentlichen Verkehr zu bringen, warum bauen wir dann so viele neue Straßen?
Das Verkehrsnetz ist ja nicht das Problem, sondern das, was darauf fährt.
Gerade eben wurde die dritte Piste am Flughafen Wien endgültig genehmigt. Ist es sinnvoll, wenn ein teilstaatliches Unternehmen langfristige Infrastruktur baut, damit noch mehr Flüge starten und landen können?
Ob die dritte Piste gebaut wird oder nicht, hat keine Auswirkungen darauf ob eine Tonne mehr CO2 ausgestoßen oder eingespart wird. Weil dann ist es halt nicht der Flughafen Wien, sondern Bratislava.
Mit dem Argument kann man jede CO2 Einsparung abwenden.
Nationale Lösungen sind in einem globalen Bereich wie dem Flugverkehr zu kurz gegriffen. Auch beim Flugverkehr ist bei den Maschinen anzusetzen. Wir brauchen einen CO2-Mindestpreis. Die Tonne CO2 muss etwas kosten, damit ein echter Lenkungseffekt eintritt. Aber das muss es europaweit geben.
Aber wenn eine Tonne CO2 einen bestimmten Preis hat, wird der auch in irgendeiner Form beim Konsumenten ankommen. Wie vermeide ich, dass das wie in Frankreich endet?
Indem es eine durchdachte Lösung ist und nicht an einer Einzelmaßnahme ansetzt. Das muss man ganzheitlich sehen. Die Ausgangsvoraussetzung ist, dass jeder versteht, dass wir ein gewaltiges Problem haben, dass wir da etwas tun müssen.
Das schon, aber wenn das Benzin teurer wird…
Das Ziel ist nicht, dass wir gleich viel CO2 ausstoßen und dafür mehr bezahlen. Das Ziel ist, dass wir den Ausstoß mit einem Preisschild versehen, damit es weniger wird.
Bis wann soll es diesen CO2-Mindestpreis in Europa geben?
So bald wie möglich. Es ist ein Bohren dicker Bretter, aber es gibt keine Alternative dazu. Wir müssen unser Wirtschaftssystem umbauen, raus aus der fossilen Energie.
Das wird nicht gehen, ohne jemandem wehzutun. Worauf werden wir denn verzichten müssen?
Genau von diesem Denken will ich weg: Ein nachhaltiger Lebensstil bedeutet nicht zwingend Verzicht. Es bedeutet auch, dass ich mein Leben genau anschaue – wenn ich regional und saisonal Lebensmittel kaufe und nicht die berühmten Erdbeeren aus Chile kaufe im Winter. Daher auch unsere Initiative zur Auszeichnung von Lebensmitteln mit CO2-Abdruck.
Müssen die Erdbeeren aus Chile auch teurer werden?
Wenn es einen CO2-Mindestpreis in Europa gibt, wird der Transport nicht so billig sein können.
Das heißt aber, dass sich manche Leute die Erdbeeren aus Chile nicht mehr leisten können werden.
Dann muss man eben saisonale Produkte essen – und da treffen die Forderungen der Fridays for Future-Bewegung die Realität. Ich setze aber nach wie vor lieber bei jedem einzelnen an, weil ich an die Kraft des Individuums glaube – und weil ich nicht will, dass die Leute irgendwann in Österreich auf die Straße gehen und sich gegen eine CO2-Besteuerung auflehnen.
Wenn Sie sagen, wir müssen auf den einzelnen abstellen: Erst die Woche hat FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus auf Facebook ein Interview mit Physiker Werner Gruber geteilt, dass der Mensch nicht für den Großteil des Klimawandels verantwortlich sei. Wie schwer ist es denn in der Koalition, solche Ideen durchzusetzen?
Gerade dieses Beispiel ist interessant, weil Werner Gruber ja ein SPÖ-Berater ist. Aber wir alle spüren inzwischen die Auswirkungen des Klimawandels: Die Hitzetage nehmen zu. Die Extremwetterereignisse nehmen zu. Das korrelliert mit dem CO2-Anstieg, da besteht für mich kein Zweifel.
Aber wie schwer ist es in der Koalition, für ihre Ideen Unterstützung zu finden?
Wo es an praktische Maßnahmen geht, haben wir da keine Schwierigkeiten. Wir haben eine Klima- und Energiestrategie gemeinsam beschlossen, wir haben den Ausstieg aus Ölheizungen auf Schiene gebracht. Wir haben eine gute Zusammenarbeit beim Erneuerbaren-Ausbaugesetz. Generell für uns in der Regierung ist wichtig, dass wir den Umbau gemeinsam mit Wirtschaft und Bevölkerung vornehmen.
Georg Renner