Die türkis-blaue Koalition will die Betreuung von Asylwerbern auf neue Beine stellen. Wie im Koalitionsabkommen bereits angedeutet, soll zu diesem Zweck eine „Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen“ (BBU) eingerichtet werden, die dem Innenminister unterstellt ist und die spätestens 2021 das Licht der Welt erblicken soll.
Spektakulärste und wohl umstrittenste Maßnahme des Pakets, das heute in Begutachtung geht: Die Rechtsberatung von Flüchtlingen wird künftig beim Bund angesiedelt. Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie die Diakonie, die Volkshilfe und der Verein Menschenrechte, die derzeit Asylwerber beim Verfahren in der Ersten und vor allem der Zweiten Instanz zur Seite stehen, werden entmachtet. Das sieht eine Punktation vor, die der Kleinen Zeitung vorliegt. Die BBU soll sich auch um die Grundversorfung, die Rückkehrberatung sowie um die Menschenrechtsbeobachtung kümmern.
Rechtsberater Justizministerium unterstellt
In der Vergangenheit wurde seitens der Regierung immer wieder der Vorwurf laut, private Rechtsanwälte würden Asylwerber in aussichtslose Verfahren stürzen - auch mit dem Hintergedanken, durch überlange Verfahren ein humanitäres Bleiberecht zu erzwingen.
Bis zuletzt wurde gestern offenkundig über das sensibelste Detail gerungen: Jene 110 Rechtsberater, die künftig die Flüchtlinge beraten, sollen dem Justizminister unterstellt werden. Der vom Justizminister entsandte Aufsichtsrat verfügt über ein Vetorecht im Bereich der Rechtsberatung. Durch eine Rahmenvereinbarung soll sichergestellt werden, dass alle „menschen- und europarechtlichen Vorgaben“ eingehalten werden. Auch soll die Unabhängigkeit der Abteilung gewährleistet werden, so die Zusage.
„Die Bundesagentur ist der Garant für eine objektive und realistische Rechtsberatung im Asylverfahren“, betont Innenminister Herbert Kickl in einer ersten Reaktion, Justizminister Josef Moser (ÖVP) versichert, „die Unabhängigkeit der Rechtsberatung ist weiterhin Grundvoraussetzung für ein faires Verfahren.“
Auch Karas unterschrieb Petition
Die Entmachtung der NGOs und die Frage der Unabhängigkeit der künftigen Berater dürften noch für heftigstes Kontroversen sorgen. Eine Reihe prominenter Juristen (Funk, Benedek, Nowak, Jabloner), aber auch Prominenz wie Christian Konrad, Irmgard Griss und – wie pikant - ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas haben sich in einer Petition für den Weiterverbleib der unabhängigen Rechtsberatung ausgesprochen. Um die Jahreswende hatten sich Kickl und Moser ein Scharmützel geliefert, Kickl warf Moser vor, Verträge mit den NGOs nicht rechtzeitig gekündigt zu haben. Derzeit werden Asylweber von der Diakonie, der Volkshilfe, dem Verein Menschenrechte betreut. Allein die Diakonie beschäftig 150 bis 200 Juristen und Spezialisten.
NGOs üben Kritik
Die erwartet scharfe Kritik an der Re-Verstaatlichung des Flüchtlingswesens kommt von Nicht-Regierungsorganisationen. Die Diakonie sieht als Ziel, eine unabhängige Rechtsberatung zu verhindern, wie sie von der evangelischen Organisation derzeit noch selbst angeboten wird. Für die Volkshilfe wird ein System geschaffen, das sich selbst kontrolliert.
Es sei nicht akzeptabel, dass es in dieser Regierung offenbar System habe, die Zivilgesellschaft und NGOs sukzessive aus dem öffentlichen Leben in Österreich auszuschließen, schreibt Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger in einer Aussendung: "NGOs wie die Volkshilfe haben langjährige Expertise in der unabhängigen Rechtsberatung. Unsere Tätigkeit trägt nicht nur zu einem fairen Prozess für Asylsuchende bei, sondern sorgt auch für besseres Verständnis und höhere Akzeptanz für schutzsuchende Menschen."
Hohe Zahl an Fehlentscheidungen
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser verwies auf eine hohe Zahl von Fehlentscheidungen in der ersten Asylinstanz. Wenn die rechtliche Vertretung von Asylsuchenden einer Agentur des Innenministeriums übertragen wird, wachse die Gefahr, dass fehlerhafte oder willkürliche Entscheidungen nicht mehr revidiert würden und auch dem Blick und damit der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen seien.
Seitens der Asylkoordination verwies Anny Knapp darauf, dass sich die unabhängige Rechtsberatung als notwendige Unterstützung der Flüchtlinge erwiesen habe. Dass von den künftigen Rechtsberatern eine Selektion in erfolgversprechende und weniger aussichtsreiche rechtliche Schritte erfolgen könnte, sei "eine durchaus realistische Annahme", gibt Knapp zu bedenken.