Über hundert Jahre lang, seit 1. Jänner 1917, ist Österreich zur Regelung der Schadenersatz-Haftung von Tierhaltern mit derselben Bestimmung ausgekommen, dem § 1320 ABGB, kundgemacht noch von Franz Joseph selbst: Wird jemand durch ein Tier beschädigt, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte.
Nun reicht diese Bestimmung aber offenbar nicht mehr aus. Wie die Regierung heute beim Abschluss ihres Mini-Gipfels zur "Zukunft der Almen" erklärt hat, wird die Koalition anlässlich eines Urteils zugunsten der Familie einer Frau, die bei der Attacke einer Kuh beim Wandern ums Leben gekommen war, diesem § 1320 ABGB einen neuen Absatz anhängen.
Im Bereich der "Alm- und Weidehaltung" soll eine Interessenabwägung vorgesehen werden. Kommt - wie im Anlassfall - zum Beispiel ein Wanderer durch Weidevieh zu Schaden, soll es künftig davon abhängen, ob er sich an bestimmte Verhaltensregeln gehalten hat, ob er Schadenersatz bekommt.
"FIS-Regeln für Almen"
Wie diese Regeln aussehen sollen, will die Regierung ebenfalls in den nächsten Wochen definieren: Ein gemeinsam mit Interessenvertretern geschriebener "Verhaltenskodex für die Nutzung der Almen" soll Wanderern, Spaziergängern und Touristen das richtige Verhalten auf den Almen und Weiden erläutern. Ein vormals kolportiertes allgemeines Hundeverbot auf Almen soll aber nicht kommen - wohl aber dürfte in dem Kodex stehen, wie man mit dem Hund auf der Alm umzugehen hat.
Die Verhaltensregeln sollen "klar und einfach" formuliert sein, "ähnlich wie das beispielsweise bei den zehn FIS-Regeln für das Skifahren der Fall ist", vergleicht Landwirtschafts- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP).
Ziel sei es, "die Eigenverantwortung zu stärken", so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): Wer sich nicht an den Kodex halte, sei für etwaige Schäden selbst verantwortlich.
Ratgeber für Almbetreiber
Gleichzeitig soll auch ein Ratgeber erarbeitet werden, der Almbetreibern und Weideviehhaltern Tipps gibt, wie sie am besten Vorkehrungen gegen vergleichbare Fälle treffen können. Zuletzt will sich die Landwirtschaftskammer mit den Ländern zusammenschließen, um Versicherungsbedingungen für Almbauern zu vereinheitlichen.
Georg Renner