Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) geht davon aus, dass die von der Bundesregierung ins Auge gefasste Neuregelung zum Karfreitag rechtlich nicht wasserdicht ist. "Beim ersten Darüberschauen gehe ich davon aus, dass diese Regelung nicht halten wird und anfechtbar ist", sagte der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz.
Mehrere Arbeitsrechtler ließen gestern auch wissen, dass sie davon ausgehen, dass die Regelung vor den Höchstgerichten nicht halten wird. Eine Änderung in den Kollektivverträgen, auch im General-Kollektivvertrag, könne nur von den Sozialpartner selbst vorgenommen werden.
ÖGB-Chef Wolfgang Katzian teilte über Twitter mit, der Gesetzestext werde von Juristen geprüft, der ÖGB werde ein entsprechendes Gutachten in Auftrag geben. Eine Klage sei "wahrscheinlich".
Nachsatz: "Ansonsten gibt's auch schon viele gute Ideen für die betriebliche Praxis." Damit spielt Katzian wohl auf die Frage an, dass ungeklärt ist, was passiert, wenn sehr viele Arbeitnehmer in einem Betrieb am selben Tag frei haben wollen. Dann werden nämlich für jene, die vom Arbeitgeber trotzdem zu Arbeit verpflichtet werden, erst recht wieder Zuschläge fällig.
Ein Blick auf das laufende Kalenderjahr zeigt, dass sich Freitag, der 16. August, Montag, der 23. Dezember oder Freitag, der 27. Dezembe für eine entsprechende "Empfehlung" der Gewerkschaft an bieten würden.
Es geht auch um normale Kollektivverträge
Dem Text der Regierungsvorlage für den Gesetzesentwurf ist zu entnehmen, dass es nicht nur um den Generalkollektivvertrag, sondern generell um die von den Sozialpartnern ausverhandelten Kollektiverträge geht:
Wörtlich heißt es dazu im Abänderungsantrag (§33a Abs. 28 Arbeitsruhegesetz): "Bestimmungen in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die nur für Arbeitnehmer, die der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche oder der Evangelisch-methodistischen Kirche angehören, Sonderregelungen für den Karfreitag vorsehen, sind unwirksam und künftig unzulässig."
Sowohl der Generalkollektivvertrag als auch einzelne Branchenverträge sehen nämlich weiterhin den freien Karfreitag für Protestanten (sowie für Juden den Versöhnungstag Jom Kippur) als Feiertag vor. Für Protestanten soll das nun per Gesetz gestrichen werden. Lediglich der jüdische Versöhnungstag bleibt in Geltung.
"Eingriff unzulässig"
Der Arbeitsrechtler Franz Marhold von der Wiener Wirtschaftsuniversität hält den von der Regierung geplanten Eingriff in den Generalkollektivvertrag zum Karfreitag für unzulässig. Marhold verweist darauf, dass sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Türkei und Deutschland für ähnliche Pläne verurteilt haben.
Marhold gesteht der Regierung zwar zu, dass die Sonderregelungen in den Kollektivverträgen geändert werden müssen. Vorgenommen werden müssten die Änderungen aber von den Kollektivvertragspartnern - also von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer.
Sozialpartner übergangen
Der Arbeitsrechtler verweist auf entsprechende Urteile der europäischen Gerichte: So hat der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg 2009 entschieden, dass der Gesetzgeber nicht in die Kollektivvertragshoheit eingreifen darf und die Türkei verurteilt. Und der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat an einem deutschen Beispiel entschieden, dass es dem Gesetzgeber nicht erlaubt ist, per Gesetz eine diskriminierende Bestimmung aus einem Tarifvertrag zu streichen. Hier gebe es "ein klares Primat für die sozialpartnerschaftliche Lösung", betont Marhold. Erst wenn die Sozialpartner scheitern, sei ein Gesetz zulässig.
Keine Klarheit
"Klarheit und Rechtssicherheit" - wie von der Regierung behauptet - bringt die aktuelle Regelung damit nicht. "Das wird zu Rechtsstreitigkeiten führen", erwartet Marhold, denn: "Nach meiner Sicht ist durch die gesetzliche Änderung nicht viel gewonnen, weil der Generalkollektivvertrag trotz des Eingreifens des Gesetzgebers unverändert weiter gilt."
Marhold würde protestantischen Arbeitnehmern zwar nicht raten, am Karfreitag gar nicht zur Arbeit zu erscheinen. Das könnte als Pflichtverletzung gewertet werden und zur Entlassung führen. Allerdings könnten sie ihre Feiertagszuschläge einklagen und dazu auf den Generalkollektivvertrag verweisen. Auch ÖGB und Wirtschaftskammer müssten aus Sicht des Arbeitsrechtlers ein Interesse daran haben, gegen den Eingriff in ihre Kollektivvertragshoheit vorzugehen. Und dass ÖVP und FPÖ die gesetzlich vorgesehene Nachwirkung der Kollektivverträge per simpler Erwähnung in den Erläuterungen aushebeln wollen, ist aus seiner Sicht ohnehin nicht möglich.
Sonderfall Jom Kippur
Sehr wohl bestehen bleiben könnte nach Marholds Einschätzung der jüdischen Feiertag am Versöhnungstag Jom Kippur (heuer der 9. Oktober). Es handelt sich dabei zwar ebenfalls um eine Sonderregelung. Im Gegensatz zum Karfreitag könnte diese laut Marhold aber zulässig sein - und zwar mit Blick darauf, dass der entsprechende Generalkollektivvertrag 1953 unterzeichnet wurde, kurz nach dem Ende des Nationalsozialismus. Dies könne als Akt der Förderung des jüdischen Lebens in Österreich unmittelbar nach der Shoah interpretiert werden, so Marhold. Somit wäre die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt, anders als beim Beschwerdeführer, der gegen den Karfreitag geklagt hatte: "Da liegen Welten zwischen einem atheistischen Detektiv und der Shoah."
Keine Vorgabe, nur "politischer Wille"
Auch der Arbeitsrechtler Walter Pfeil von der Universität Salzburg hält den von ÖVP und FPÖ geplanten Eingriff in die (General)Kollektivverträge für verfassungswidrig. Außerdem weist er die Behauptung der Regierung zurück, damit nur die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) umzusetzen. Die Streichung des Feiertags am Karfreitag sei keine Vorgabe des EuGH, sondern "politischer Wille".
"Den Zwang, den die Regierung suggeriert, gibt es nicht", betont Pfeil. Denn es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, die Ungleichbehandlung zwischen Protestanten und anderen Arbeitnehmern beim Karfreitag zu beseitigen. "Der EuGH hat gesagt, die Ungleichbehandlung ist nicht zulässig. Aber man kann die Ungleichbehandlung auf verschiedene Weise beseitigen. Es hätten auch alle freibekommen können", betont Pfeil.
Deshalb hält der Arbeitsrechtler auch den "relativ unverfrorenen" Eingriff in jene Kollektivverträge, die den freien Karfreitag weiterhin vorsehen, für verfassungswidrig. Er rechnet damit, dass sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof das türkis-blaue Gesetz aufheben müssten, sollten sie damit befasst werden.
"Es macht einen Unterschied"
Auch der Wiener Arbeitsrechtler Martin Risak betonte bei einem Vortrag in Graz, dass es diese anderen Möglichkeiten gegeben hätte. Jeder habe gewusst, dass die bestehende Regelung europarechtswidrig sei, jetzt müsse sie auf Grund einer Klage repariert werden. "Es macht eben nur einen Unterschied, wer das Europarecht umsetzt."