Am Mittwoch wurde vom Parlament die neue Karfreitagsregelung beschlossen. Das geht nicht ohne Eingriff in den Generalkollektivvertrag aus dem Jahr 1954, denn dort ist die bisherige Regelung verankert.

Die Regierung hat bis zuletzt am Gesetzestext gefeilt, dies ist die heute früh fertiggestellte Letztfassung des neuen Gesetzesentwurfs:

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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)  brachte die Neuregelung heute im Ministerrat auf folgende Formel: "Für 96 Prozent der Menschen ändert sich gar nichts. Für vier Prozent - nämlich für die evangelischen Menschen - ändert sich, dass sie künftig genau so viele Feiertage haben wie alle anderen Menschen auch." Kurz sagte auch: "Wir waren glücklich mit der alten Regelung. Ich war den Evangelischen den zusätzlichen Feiertag nicht neidig. Aber es gab eben das Erfordernis, den Urteilsspruch des Europäischen Gerichtshofs umzusetzen."

Kärntens Superintendent Manfred Sauer stimmt übrigens ins Einverständnis der Evangelischen mit der nun getroffene Lösung nicht ein: Er sei "empört und geschockt" über den "inakzeptablen Vorschlag".

Die Arbeitnehmer werten den Eingriff in den Generalkollektivvertrag indes als Tabubruch, denn Kollektivverträge werden laut Arbeitsverfassungsgesetz von den Sozialpartnern ausgehandelt. Darauf angesprochen verweist der zuständige Minister Gernot Blümel (ÖVP) ebenfalls darauf, dass man ja einen Urteilsspruch umsetzen müsse. "Wir haben es uns ja nicht selbst ausgesucht, sonder der EuGH fordert uns dazu auf", so Blümel im Ö1-Morgenjournal.

Offene Frage

Blümel betonte dass dieser Tag wirklich einseitig vom Arbeitnehmer bestimmt werden kann: "Wenn der Arbeitnehmer sagt, das ist für mich ein wichtiger Tag, dann kann der Arbeitnehmer entscheiden. Das ist ein Rechtsanspruch. Ab jetzt ist es möglich, diesen Tag einseitig anzutreten, wenn er rechtszeitig angekündigt wird." Die Frage, was passiert, wenn alle Arbeitnehmer eines Betriebs gleichzeitig den selben Tag wählen - etwa alle Ärzte in einem Krankenhaus - konnte Blümel nicht beantworten. Man solle "keine Ängste schüren", entgegnete er.

Bei den Arbeitnehmervertretern schrillen trotzdem die Alarmglocken: Das Beispiel könnte Schule machen, die Regierung könnte versucht sein, auch in andere von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausverhandelte Kollektivverträge einzugreifen, lautet dort eine Furcht.

Zweites Thema: Bei vielen Arbeitnehmern steht die Zahl der Urlaubstage im Dienstvertrag. Eine Umwandlung in einen weniger plus einen „persönlichen Feiertag“ könne nicht erzwungen werden, sagt die Gewerkschaft.

Auf die Frage, ob nun die Sozialpartnerschaft "Geschichte" sei, sagte Arbeiterkammerpräsidentin Renate Anderl im Morgenjournal: "Wir haben einen neuen Stil der Bundesregierung, der uns als Arbeiterkammer und ÖGB nicht gefällt. Es ist auch kein Stil, der zukünftig für Frieden und soziale Gerechtigkeit sorgt."

Bis vor einem Jahr wurde die Sozialpartnerschaft als DAS österreichische Erfolgsmodell gefeiert, von der Nachkriegszeit bis heute. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter setzten sich an einen Tisch, um das gemeinsam erarbeitete Wachstum zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen aufzuteilen.

Ergebnisse, die hielten

In zwei Bereichen manifestierte sich dieser Dialog: In der Gestaltung der Rahmenbedingungen der Sozialversicherung und in den Verhandlungen über Rahmenrecht und jährliche Lohnerhöhungen in den Kollektivverträgen. Die Notwendigkeit, sich am Verhandlungstisch zu einigen, erforderte oft langwierige Verhandlungen, dafür hielt das Ergebnis und es gab kaum Streiks. Gesetzliche Änderungen vollzog im Anschluss das Parlament.

Zerbrochen an der Politik

Zerbrochen ist die Sozialpartnerschaft an der Politik: Die Einigung über die Flexibilisierung der Arbeitzeit lag auf dem Tisch, doch die Aufkündigung der Regierungspartnerschaft ließ zunächst die SPÖ die Lösung torpedieren, später die ÖVP im Verein mit der FPÖ jegliche weitere Verhandlungen unterbinden.

Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ("12-Stunden-Tag") wurde ohne Einbeziehung der Sozialpartner beschlossen. Die Neuordnung der Sozialversicherung (mit einer massiven Machtverschiebung in Richtung Arbeitgeber) wurde ohne Einbindung der betroffenen Institutionen verabschiedet. Die Karfreitags-Regelung wird aufoktroyiert, indem ein General-Kollektivvertrag außer Kraft gesetzt wird, ohne darüber vorab zu verhandeln.

Fronten verhärtet

Die Arbeitnehmervertreter sind außen vor, aber nicht abgeschafft: Die aufgezwungene Arbeitszeitflexibilisierung verhärtete die Fronten in den Kollektivvertragsverhandlungen. Die nunmehrige Aufkündigung des General-Kollektivvertrages ist ein weiterer Schritt.

Die verordnete Sozialversicherungs-Reform lässt die Gebietskrankenkassen zum Kadi schreiten und wird die Gerichte noch jahrelang beschäftigen, weil sich die Regierung über die Mitwirkungsrechte derer, die die Beiträge bezahlen, hinwegsetzte.

Relikt aus der Vergangenheit?

Das Erklärvideo zur Sozialpartnerschaft:

Die Website der österreichischen Sozialpartnerschaft ist ein Abbild der gelebten Realität: Letzte Veranstaltung im April 2018 zur "Rolle der Sozialpartnerschaft in der Vergangenheit und in der Zukunft". Das Titelbild zur Erklärgeschichte vom Mai letzten Jahres zeigt eine Ehrung: Als Dank für ihre Leistungen, die sie für Österreich erbracht haben, wurden die früheren Präsidenten von Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund und Landwirtschaftskammer mit der Goldenen Ehrennadel der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) ausgezeichnet. Auf der Website werden die ruhmreiche Vergangenheit und der Bad Ischler Dialog beschworen.