Die türkis-blaue Koalition hat ihren umstrittenen Vorschlag zum Karfreitag zurückgezogen. Nach Verhandlungen mit der evangelischen Kirche liegt nun ein neues Konzept auf den Tisch. Künftig soll jeder selbst darüber befinden, wann er sich frei nimmt. Evangelische können sich künftig den Karfreitag frei nehmen, Juden Jom Kippur, usw. - oder einen beliebigen anderen Tag. Die 14-Uhr Regelung, die die Regierung letzte Woche präsentiert hatte, ist damit Geschichte. Unter dem Strich verlieren die Evangelischen einen freien Tag.
Die Regierung will dabei auch in den Generalkollektivvertrag eingreifen. Das haben die Regierungskoordinatoren Gernot Blümel (ÖVP, als Kultusminister auch für die Lösung zuständig) und Norbert Hofer (FPÖ, er hat als Protestant mitverhandelt) bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Dienstagnachmittag angekündigt.
Blümel begründete den Eingriff in den aus den 1950er Jahren stammenden Generalkollektivvertrag damit, dass die dort vorgesehene exklusive Feiertagsregelung für einzelne Religionen im Licht des EuGH-Urteils diskriminierend sei: "Das wäre auf Basis des EuGH-Urteils auch gar nicht anders möglich."
Hofer: "Perfekte Lösung"
Hofer erklärte, der Generalkollektivvertrag werde damit "verbessert", weil künftig jeder Arbeitnehmer das Recht erhalte, sich an einem ganz bestimmten Tag - seinem "persönlichen Feiertag" - Urlaub zu nehmen. Einen zusätzlichen Urlaubstag gibt es dafür aber nicht. Den Protestanten gehe es aber ohnehin nicht um einen zusätzlichen Urlaubstag, sondern darum, am Karfreitag den Gottesdienst feiern zu können, sagte Hofer.
Beschlossen werden soll die Neuregelung des Karfreitag laut Blümel möglichst rasch. "Wir versuchen so schnell zu sein, dass es noch für dieses Jahr gilt." Auf die Frage, ob das Recht, einen Urlaubstag an einem "persönlichen Feiertag" zu nehmen, trotz ihrer Ferien-Regelung auch für Lehrer gelten soll, meinte Blümel: "Ziel ist natürlich, es für alle zu gestalten."
Kein zusätzlicher Urlaubstag
Im Rahmen des bestehenden Urlaubsanspruches kann künftig ein Tag als persönlicher Feiertag beansprucht werden – mit einseitigem Rechtsanspruch des Arbeitnehmers, so die Koordinatoren in einer Aussendung. Dieser muss künftig 3 Monate zuvor angemeldet werden – für das Jahr 2019 wird eine kürzere Frist definiert.
Sollte der Arbeitnehmer, auf Wunsch des Arbeitgebers, verursacht durch dringende betriebliche Gründe, dennoch an diesem selbstgewählten „persönlichen Feiertag“ freiwillig seiner Arbeit nachgehen, so erhält er für diesen Tag sämtliche Vergütungen wie an jedem anderen Feiertag. Der Urlaubsanspruch bleibt selbstverständlich bestehen. Damit erhält der Arbeitnehmer stattdessen einen anderen Urlaubstag.
Karfreitagsgipfel im Kanzleramt
Zuvor gab es zwischen der Regierung und den Religionsgemeinschaften intensive Gespräche über eine Abänderung des umstrittenen Karfreitags-Kompromisses. Nach Informationen der Kleinen Zeitung wurde der evangelischer Bischof Michael Bünker für die Mittagszeit zum Gespräch ins Kanzleramt eingeladen. An dem Gespräch nahmen Kultusminister Gernot Blümel und der freiheitliche Koordinator Norbert Hofer teil, der Kanzler war entgegen ersten Meldungen nicht zugegen.
Lösung mit Wermutsropfen
Für den evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker ist die von der Regierung vorgestellte Karfreitagsregelung, wonach jeder einen "persönlichen Feiertag" aus dem bestehenden Urlaubskontingent einseitig festlegen kann, eine "positive Lösung mit Wermutstropfen". Auch die katholische Bischofskonferenz begrüßte die Neuregelung.
Positiv ist für Bünker, dass die Variante mit dem halben Feiertag ab 14.00 Uhr "vom Tisch" sei. Positiv sei weiters, "dass nun Evangelische die Möglichkeit haben, den ganzen Karfreitag als ihren Feiertag zu begehen". Außerdem sei diese Lösung diskriminierungsfrei. "Ich freue mich, dass auch für Angehörige anderer Religionsgemeinschaften die Möglichkeit eröffnet wird, einen selbst gewählten Feiertag zu haben", sagte der evangelische Bischof in einer Aussendung. Als "Wermutstropfen" bezeichnete er allerdings die Tatsache, "dass dieser selbst gewählte Feiertag aus dem bestehenden Urlaubskontingent zu nehmen ist".
Der Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, bezeichnete es als "erfreulich, dass eine Lösung gefunden wurde, die für Evangelische und Altkatholiken akzeptabel ist und ihnen ermöglicht, den Karfreitag als Feiertag in gewohnter Weise zu begehen." Der katholischen Kirche sei es von allem Anfang an wichtig gewesen, dass Evangelische weiterhin den Karfreitag als Feiertag begehen können, erinnerte Schipka daran, dass auch Kardinal Christoph Schönborn dies eingemahnt hatte. Dass jetzt eine zufriedenstellende Lösung zustande gekommen sei, "ist Zeichen einer religionsfreundlichen Politik gerade im Blick auf Minderheiten", sagte Schipka laut Kathpress
Verhöhnung der Arbeitnehmer
Der ÖGB sieht in der neuen Karfreitagsregelung eine "Verhöhnung der Arbeitnehmer". Zuerst werde evangelischen und altkatholischen Beschäftigten ein halber Feiertag gestrichen und jetzt sogar der ganze, ärgerte sich der Leitende Sekretär Bernhard Achitz im Gespräch mit der APA.
Bisher ist der freie Karfreitag für diese Religionsgruppen auch durch den Generalkollektivvertrag geschützt. Achitz kann angesichts des noch nicht vorliegenden Gesetzestextes nicht beurteilen, inwiefern die Koalition auch hier eingreifen will. Theoretisch möglich wäre es, freilich mit einer Brüskierung der Kollektivvertragspartner verbunden, wie der ÖGB-Vertreter betont.
Wichtig sei der Regierung sichtlich gewesen, dass der Wirtschaft, vor der sie große Angst habe, alle Wünsche erfüllt würden, die Arbeitnehmer dafür nichts bekämen. Mit dem ÖGB habe ohnehin niemand gesprochen.
Sichtlich lächerlich findet Achitz die Rhetorik der Regierung bezüglich eines persönlichen Feiertags innerhalb des eigenen Urlaubskontingents, auf den bei rechtzeitiger Anmeldung ein Rechtsanspruch bestehen soll. Denn es sei schon jetzt so, dass der Arbeitgeber vor Gericht gehen müsste, wenn er einen lange beantragten Urlaubstag verhindern will.
Rechtliche Frage hält der ÖGB-Sekretär auch für offen. Fragen wie Gleichheitswidrigkeit oder Eingriff in die Kollektivvertragsautonomie blieben ohne Gesetzestext ungeklärt.