Ein Jahr lang hat ein Kamerateam der ARD die Aktivitäten des Bundeskanzlers verfolgt, ihn auf Reisen nach Berlin, Israel, Budapest, New York, Äthiopien oder auch bei Wanderungen in Niederösterreich oder in der Steiermark begleitet – mit dem Ansinnen, zwei Dinge herauszufinden: Was will Kurz? Welches Risiko geht der Kanzler mit der FPÖ als Koalitionspartner ein?
Im Kern wird in der vom Wien-Korrespondent der ARD, Michael Mandlik, gestalteten Doku das erste türkis Regierungsjahr in allen ihren Facetten rekapituliert, mit Höhen und Tiefen, Erfolgen (Familienbonus), Strategien (kein Streit), blauen Entgleisungen (Landbauer, Attacken gegen Armin Wolf). Der Neuigkeitswert hält sich in Grenzen – abgesehen von einigen Filmausschnitten aus früheren Zeiten inklusive abschätziger Äußerung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache über Kurz („ich sag immer Ohrwaschl-Kaktus zu ihm“).
"Anständiger Beruf" oder Politik
Kurz erzählt, dass er ursprünglich einen „anständigen Beruf erlernen“ wollte, dann in die Politik gegangen sei. Mit einer Spitze gegen seinen Vorgänger Christian Kern, der sich Tal Silberstein bedient hatte, rühmt er sich und seinen Mitarbeiterstab. „Ich schare keine Söldner, sondern Überzeugungstäter um mich.“ Politik-Experte Thomas Hofer dekliniert die handwerklichen Fähigkeiten des Kanzlers in allen Details.
Überraschend fallen zwei Interview-Passagen mit dem Chefredakteur des linksliberalen Wochenblatts "Falter," Florian Klenk, aus, der sich zur Prognose hinreißen lässt, dass sich Kurz bei der nächsten Wahl „fast den 40 Prozent nähern“ werde. "Die Umfragen sehen Kurz durch die Decke gehen. Würde es Wahlen geben, würde er sich fast den 40 Prozent nähern. Ich bin überzeugt, er wird bei der nächsten Wahl der große Gewinner sein, wenn nicht etwas passiert.“ Geschuldet sei dies einer „unglaublichen Schwäche der Opposition.“ In einer spätere Passagen prophezeit Klenk, dass Kurz "drei bis vier Legislaturperioden" Kanzler sein wird, jedoch nicht mit der FPÖ.
Da sich die Hoffnung offenkundig nicht bewahrheitet, dass die FPÖ als Koalitionspartner zu einer rechtsliberalen Partei mutiert, die Ewiggestriges und dumpfe Emotionen über Bord wirft, kommt die Doku zum Schluss: „Der schmale Grat, auf dem sich Kurz bewegt, wird nicht breiter - und die Gefahr nicht geringer, zwischen weltoffen, liberal und rechts, national die Balance zu verlieren.“