Man muss nicht erst ins Europa- oder internationale Recht schauen, um die Grenzen dessen zu finden, was eine Regierungskoalition in Österreich darf - es reicht zunächst einmal ein Blick auf die Bundesverfassung, um die Grenzen der Politik zu sehen.
Als Hans Kelsen Österreichs Bundesverfassungsgesetz 1920 geschaffen hat, sorgte er für ein fein austariertes System von Zuständigkeiten und Kontrollrechten: zwischen Parlament und Regierung, Bund, Ländern.
Ein System, das trotz zahlreicher Anpassungen bis heute Bestand hat: Die Koalition im Bund kann etwa genauso wenig alleine darüber entscheiden, wie die Mindestsicherung in ganz Österreich aussehen soll, wie es die Bundesländer einzeln können - die Verfassung zurrt sie beim „Armenwesen“ aneinander.
Gleich zwei „Sicherheitsstufen“ kennt die Verfassung, um die Macht der Bundespolitik zu beschränken: Will die Koalition in der Verfassung etwas ändern oder in ein verfassungsmäßig gewährtes Recht eingreifen, braucht sie statt einfacher Mehrheit im Parlament eine Zweidrittelmehrheit (die Türkis-Blau derzeit bei weitem nicht hat).
Noch besser abgesichert sind die sechs Grundprinzipien der Verfassung: Wer in das demokratische, republikanische, föderale, rechtsstaatliche, gewaltenteilende oder liberale Grundprinzip eingreifen will, braucht zusätzlich zur Zweidrittelmehrheit im Parlament noch die Mehrheit bei einer Volksabstimmung - das ist erst einmal vorgekommen, bei jener über den Beitritt zur EU 1994.
Darauf, ob diese Kriterien eingehalten werden, achten einerseits der Bundespräsident (der das verfassungsmäßige Zustandekommen der Gesetze beurkunden muss, bevor sie in Kraft treten) und der Verfassungsgerichtshof, der Gesetze, die gegen die Verfassung verstoßen, aufheben kann.