Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos betont, dass Reformen sowohl auf nationalstaatlicher als auch auf europäischer Ebene notwendig seien. Ebenso brauche es ein neues europäisches Selbstbewusstsein. Beim Brexit hoffe er, das es nun zumindest gelinge, eine Einigung auf einen "Plan B" zu erzielen, so Kurz.
Die EU-27 hätten alles getan, um auf einen harten Brexit vorbereitet zu sein, so Kurz. "Die ganze Europäische Union kämpft geschlossen gegen diesen 'hard Brexit' an." Das Austrittsdatum Großbritanniens könne aber verschoben werden, "wenn es notwendig ist", dies müsse aber von Großbritannien verlangt werden. Die "EU-Wahl sollte aber der maximale Termin" dafür sein, so Kurz.
In der Migrationsfrage sei man relativ weit gekommen, so Kurz, immerhin gebe es nun 95 Prozent weniger Ankünfte von Flüchtlingen als 2015. Nun gelte es die Kooperation mit den nordafrikanischen Staaten auszubauen, um dadurch das Geschäftsmodell der Schlepper zu zerstören und die Migration weiter zurückzuführen. Es bringe allerdings nichts, sich die Köpfe einzuschlagen, wer jetzt Flüchtlinge aufnehme, denn dadurch seien die Gräben in der EU nur immer tiefer geworden, sagte der Kanzler.
Kritisches Telefonat mit Kickl
Angesprochen auf die Aussage von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sagte Kurz, er habe mit Kickl telefoniert. "Ich habe ihm sehr klar meine Meinung gesagt und glaube die akzeptiert er auch." Die Verfassung und internationale Vereinbarungen müssten gültig bleiben, versicherte Kurz. Diskussionen über die Abschiebung von straffälligen Asylwerbern gebe es aber auch in anderen Staaten.
In der EU müsse es jedenfalls gelingen, die Entscheidungsfindung zu erleichtern. Ebenso müssten sich aber alle an gemeinsam gefasste Beschlüsse halten, "sei es im Bereich der Budgetpolitik, beim Dublin-Abkommen, oder auch der Rechtsstaatlichkeit", so Kurz. Es sei allerdings problematisch, andere als moralisch unterlegen darzustellen. So sei etwa Polen breiter als die derzeitige polnische Regierung, das bedeutet aber nicht, dass beim Thema Rechtsstaatlichkeit Kompromisse gemacht werden dürfen. "Ob ein Land bereit sei, Flüchtlinge aufzunehmen oder nicht, hat aber nichts mit dem Thema Rechtsstaatlichkeit zu tun", so Kurz.
Europa müsse jedenfalls schauen, dass es den Anschluss nicht verpasse. So gelte es etwa in der Automobilindustrie Expertise für Elektroautos und Batterien entwickeln und in digitalen Schlüsselfeldern, wie etwa der künstlichen Intelligenz zusammenarbeiten, um "schnell aufzuholen, was wir vielleicht in den letzten Jahren verpasst haben". Auch bei "der Vergabe von Großprojekten in der Infrastruktur", dürfe in Europa nicht immer der Billiganbieter gewählt werden, stattdessen müsse man versuchen, europäische Anbieter zum Zug kommen zu lassen. "Wir sollten wieder (...) der Kontinent der Unternehmensgründungen werden", forderte Kurz. Europa sei im globalen Vergleich in einer beneidenswerten Lage. Europa sei "der lebenswerteste Platz der Welt."