Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat die Attacken von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) gegen Wien entschieden zurückgewiesen und einen Gegenangriff gestartet. Im Gespräch mit der APA sagte Ludwig am Samstagnachmittag, er werde es nicht zulassen, dass die Wiener Bevölkerung so diskreditiert werde. Die Wiener seien fleißig und müssten sich das nicht gefallen lassen.
Im Gegenzug warf Ludwig der Bundesregierung "eine herzlose Politik gegen Kinder, Pensionisten und Behinderte" vor. Er sehe eine "starke soziale Kälte", sagte der Bürgermeister in Bezug auf den Begutachtungsentwurf zur Mindestsicherung, von dem Kinder, Pensionisten und Behinderte betroffen seien. Er verwies darauf, dass 60 Prozent der Mindestsicherungs-Bezieher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen.
Zu den Aussagen von Kurz und Strache, wonach in Wien immer weniger Menschen arbeiten gehen bzw. die Wiener Mindestsicherung ein "Förderprogramm für tschetschenische Großfamilien" sei, stellte Ludwig fest, dass "spätestens jeder zweite Satz" von Vertretern der Bundesregierung gegen Wien gerichtet sei. Diese Kritik sei nicht nur unzutreffend sondern auch ungerecht gegenüber den Menschen.
Die Ankündigung seines Sozialstadtrates Peter Hacker, den Entwurf in dieser Form nicht umzusetzen, unterstützt der Bürgermeister. Wien sehe sich an der Spitze einer ganzen Reihe von Organisationen und Institutionen, die eine breite Kritik an dem Entwurf geübt haben. Experten der Stadt hätten 17 Punkte identifiziert, die entweder verfassungswidrig oder im Widerspruch zu EU-Recht sein könnten. Zudem habe Hacker 46 Fragen an Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gerichtet.
Zur Einschätzung der Bundesregierung, dass die Kompetenz an den Bund übergehen würde, wenn Wien das Gesetz nicht umsetzen sollte, sagte Ludwig, er hoffe, dass es nicht so weit komme. Er hoffe, dass der Druck durch die Kritik in der Begutachtung und aus der Bevölkerung noch zu deutlichen Änderungen an dem Entwurf führen werde. Er sei zuversichtlich, dass die Bundesregierung noch erkennen werde, dass sie den falschen Weg eingeschlagen habe und doch noch eine verfassungskonforme Lösung, die auch sozial verträglich sei, vorlegen werde.
Ob sich Wien an den Verfassungsgerichtshof wenden werde, konnte der Bürgermeister noch nicht sagen. Dazu müsse man erst den endgültigen Entwurf kennen. Derzeit könne man nicht einmal noch den Konsultationsmechanismus auslösen, weil die finanziellen Belastungen durch die Neuregelungen so schwammig formuliert seien.
Auf die Frage, ob der Wahlkampf in Wien damit schon eröffnet sei, meinte Ludwig, dies sei nicht von Wien erfolgt. Man müsse aber reagieren, wenn man so massiv angegriffen werde. Die Angriffe kämen dabei nicht nur von der FPÖ und deren Bundes- und Landesparteichef Strache, sondern auch von der ÖVP. Trotzdem will der Bürgermeister am regulären Wahltermin im Herbst 2020 festhalten. Für eine Vorverlegung sehe er "keinen Grund".