Heute endet die Begutachtungsfrist zum Gesetzesentwurf für die Mindestsicherung Neu, die sich jetzt wieder „Sozialhilfe“ nennt. Zahlreiche Stellungnahmen gingen ein, die meisten getragen von massiver Kritik. Länder, Gemeinden und Organisationen sind nun gespannt darauf, ob sie in Verhandlungen einbezogen werden. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein drückt aufs Tempo: Bis 1. April soll der Nationalrat das Gesetz beschließen, bis 1. Oktober sollen die Ausführungsgesetze der Länder folgen.
Aus einem Existenzsicherungsmodell wird ein Zuschussystem, das die Bedürfnisse nicht vollends abdeckt. „Die neue Sozialhilfe kann Armut nicht bekämpfen“, sagt Vera Hintertorfer von der „Plattform Sichtbar Werden“.
Vereinheitlichung:
Der Bund will die Länderregelungen vereinheitlichen. Allerdings: Die unterschiedlichen Lebenserhaltungskosten machen unterschiedliche Zuschüsse nötig. Das System werde dadurch noch uneinheitlicher als bisher, kritisieren viele Länder sowie Martin Schenk von der Armutskonferenz und SOS Mitmensch.
Kinder:
Für Familien mit Kindern bringt die Novelle Einschnitte. Es gibt keinen Deckel, aber eine Staffelung. Pro Einzelperson gibt es 863, pro Paar, 1.208 Euro, für das erste Kind 216 Euro, für das zweite 130 Euro, ab dem dritten nur noch 43 Euro pro Kind und Monat. Der Regierung seien die Kinder „nicht das Mindeste wert“, sagt Volkshilfe-Chef Erich Fenninger. Für die Kinder- und Jugendanwaltschaften ist der Entwurf „in seiner Gesamtheit“ eine Mißachtung des Kinderwohls.
Alleinerziehende, Behinderte:
Die Länder können Zuschüsse gewähren, müsse aber nicht. In Ländern wie der Steiermark wiegen die Zuschüsse die Verluste auch nicht auf (Alimente werden künftig zum Einkommen gerechnet, Zusatz-Leistungen aus der Behindertenhilfe soll es nicht mehr geben). Generell steigt das Armutsrisiko. Doris Pettighofer von der Plattform für Alleinerziehende stellt fest: „Bei 30 Prozent der betroffenen Kinder greift der Bonus für Alleinerziehende nicht.“ Die Ökonomin Alyssa Schneebaum von der Wirtschaftsuni: „Bei Alleinerziehenden verdoppelt sich das Armutsrisiko.“
Wohnen:
Die Länder können Zuschüsse gewähren, müssen es aber nicht. Voraussetzung ist, dass die Wohnkosten höher sind als 40 Prozent der Sozialhilfe. Durch die derzeitigen Wohnzuschüsse in den Ländern steigen viele heute besser aus.
Straftäter:
Ihnen soll die Sozialhilfe nach Verbüßen der Haftstrafe für einen gleich langen Zeitraum gestrichen werden. „Die davon betroffenen Personen geraten in eine Lage der Perspektivlosigkeit, womit sich das Gefährdungspotenzial, neuerlich in die Kriminalität abzugleiten, signifikant erhöht“, sagt Gerhard Jelinek, Präsident des Oberlandesgerichts Wien.
Zuwanderer:
Zuwanderer mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen sollen eine gekürzte Sozialhilfe von 563 Euro erhalten. Mit den übrigen 300 Euro sollen Sprachkurse finanziert werden. Den vollen Betrag gibt es erst ab Deutsch-Niveau B1 oder Englisch-Niveau C1. Das UN-Flüchtlingshochkommissariat sieht eine versteckte Wartefrist für Flüchtlinge.
Die Verlierer:
Drei Beispiele aus der Steiermark: Eine Familie bekam bisher 2.179 Euro Unterstützung, weil der erwachsene behinderte Sohn Lebensunterhalt nach dem Behindertengesetz bezog. Wenn das künftig nicht mehr möglich ist, verliert die Familie 579 Euro pro Monat.
Eine Familie mit drei Kindern bekommt durch die künftig niedrigeren Beträge für Kinder und dadurch, dass diese nicht mehr 14 mal sondern nur noch 12 mal ausbezahlt werden, pro Jahr statt 6.524 nur 4.660 Euro.
Eine Familie mit zwei Kindern, die in günstiger Wohnung mit weniger als 500 Euro Miete pro Monat lebt, hat bisher rund 210 Euro Wohnunterstützung erhalten, das fällt weg.
Mehrkosten:
Für die Länder bedeutet die Reform Mehrkosten - allein für die EDV veranschlagt die Steiermark rund 150.000 Euro pro Jahr, das Personal für den Mehraufwand nicht mitgerechnet. Die Kosten für die Sozialversicherung trug bisher der Bund, noch gehen die Länder davon aus, dass das weiterhin so bleibt, auch wenn es noch nicht gesetzlich verankert ist.
Claudia Gigler