Die Armutskonferenz hat der Reform der Mindestsicherung ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. "Die neue Sozialhilfe kann Armut nicht bekämpfen", erklärte etwa Vera Hinterdorfer von der "Plattform Sichtbar Werden" bei der Pressekonferenz am Mittwoch. Auch Andreas Zembaty vom Verein Neustart forderte nach Ende der Begutachtung noch Änderungen.

In der Armutskonferenz sind 40 soziale Organisationen vertreten, darunter etwa die Volkshilfe oder pro mente. Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe, betonte - wohl mit Blick auf die aktuelle Diskussion über die FPÖ-Attacken auf die Caritas, dass man keine Opposition sei und keinen Profit erziele. Die "Abschaffung" der Mindestsicherung und Implementierung der Sozialhilfe zeige aber, "dass der Regierung Kinder nicht das Mindeste wert sind". Die Neuregelung würde deren Zukunft und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft gefährden, kritisierte Fenninger.

"Warum konzentriert man sich auf die Ärmsten?"

Fenninger gab weiters zu bedenken, dass sich die Kosten für die Mindestsicherung jährlich auf 900 Mio. Euro belaufen würden, dies seien nur 0,9 Prozent der Sozialausgaben. "Warum konzentriert man sich auf die Ärmsten?", forderte er Garantien statt Almosen. Verärgert zeigte er sich über die Staffelung für Kinder, denn ab dem dritten Kind gebe es nur noch 1,50 Euro pro Tag.

Doris Pettighofer von der Plattform für Alleinerziehende wies darauf hin, dass der Bonus für Alleinerziehende bei 30 Prozent der Kinder nicht greife: "Es wird eine große Ungleichheit zwischen den Familien hergestellt." Die geplanten Kann-Bestimmungen sind für sie auch "völlig unverständlich", denn dies treibe Familien weiter in die Armut.

Österreich habe sich mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderung ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, erklärte Albert Brandstätter von der Lebenshilfe. Die nächste Staatenprüfung würde demnach eine Verschlechterung aufzeigen. Er kritisierte unter anderem, dass Menschen mit intellektuellen Behinderungen in Wohngemeinschaften starke Einbußen drohen und forderte, dass diese Personen als eigene Bedarfsgemeinschaft gelten.

"Irritierend"

Weiters soll künftig Straftätern, die zu mehr als sechs Monaten bedingter oder unbedingter Haft verurteilt werden, für die Dauer der Freiheitsstrafe auch die Mindestsicherung gestrichen werden. Laut Andreas Zembaty von Neustart sind von dieser Maßnahme 14.000 Personen betroffen und er findet es "irritierend", dass damit vom Sozialministerium "Nebenstrafen" eingeführt werden sollen. Der Zweck einer Strafe sei nicht, Vergeltung zu üben, sondern einen Rückfall zu verhindern - Zembaty fürchtet nun aber genau das. Auch die Justiz selbst habe bereits vor steigender Kriminalität gewarnt, so Zembaty. Er forderte daher, gemeinsam mit der Justiz alternative Vorschläge zu erarbeiten. Eine Klage könnte dann die letzte Möglichkeit sein, sollte es keine Änderungen mehr geben, meinte Zembaty.

Auch Judith Pühringer von "arbeit plus" monierte, dass die Neuregelung kein geeignetes Mittel für die Wiedereingliederung ins Berufsleben sei. Zynisch sei zudem die Forderung nach einem bestimmten Sprachniveau bei gleichzeitiger Kürzung beim AMS.

Bei den 863 Euro sollte es sich jedenfalls nicht um den Höchstbetrag, sondern die Mindestgrenze handeln, forderte Martin Schenk von der Armutskonferenz. Er fürchtet, dass sich die Chance für tausende Kinder verschlechtert: "Das können nicht die Werte sein, die uns stark machen." Er kritisiert vor allem auch die Zersplitterung auf neun Bundesländer und ortet eine Bevormundung der Betroffenen.